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Deutschland darf bei der EU-Klimaschutzverordnung nicht tricksen
EU-News | 19.09.2025
#Klima und Energie #Landwirtschaft und Gentechnik #Wirtschaft

Deutschland darf bei der EU-Klimaschutzverordnung nicht tricksen

symbolische Bauklötzchen mit Icons zum Emissionshandel
© Adobe Stock / Parradee

Die EU will ihre Treibhausgase bis 2030 um mehr als die Hälfte reduzieren. Deutschland ist für etwa ein Fünftel der gesamten Emissionen in der EU verantwortlich. Die nationale Klimabilanz steht deshalb auf dem Prüfstand. Zielverfehlungen beim Emissionsausstoß einzelner Sektoren wie Verkehr oder Gebäude könnten teuer werden.

Gastbeitrag von Christiane Hildebrandt, Klima-Allianz Deutschland

Die Europäische Union hat sich verpflichtet, bis zum Jahr 2030 mindestens 55 Prozent ihrer klimaschädlichen Treibhausgase im Vergleich zum Jahr 1990 zu reduzieren – als Zwischenziel zur Klimaneutralität 2050. Ein wichtiges Instrument zum Erreichen dieses Ziels ist die EU-Klimaschutzverordnung (Effort Sharing Regulation). Sie legt für jeden Mitgliedstaat verbindliche Minderungsziele für die Sektoren fest, die nicht vom EU-Emissionshandel für Energie und Industrie (ETS-1) erfasst werden. Dazu gehören Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft sowie Abfall und kleine Industrieanlagen. 

Deutschland ist bei der Klimazielerreichung nicht auf Kurs

Aktuelle Prognosen zeigen: Deutschland wird die europäischen Ziele voraussichtlich verfehlen. Durch die Abschwächung des Bundes-Klimaschutzgesetzes ist es zwar noch im Bereich des Möglichen, dass Deutschland seine nationalen Ziele bis 2030 erreichen kann, aber nur durch einen Rechentrick: Die Ampel-Koalition hatte dafür gesorgt, dass die nationale Zielsetzung auch unabhängig von der Einhaltung der Sektorziele als erreicht gilt, wenn die Gesamtemissionen wie vorgegeben sinken. Das bedeutet, dass die Emissionseinsparungen im Energiesektor die völlig ungenügenden Klimaschutzbemühungen in den Bereichen Gebäude und Verkehr auffangen können. Das ist unter der EU-Klimaschutzverordnung nicht möglich. Hier müssen die Bereiche Gebäude und Verkehr liefern. Denn eine Verrechnung mit Sektoren, die nicht unter die EU-Klimaschutzverordnung fallen, ist nicht erlaubt. 
Laut aktuellen Projektionen des Umweltbundesamtes droht bis 2030 ein Defizit von rund 225 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten. Deutschland liegt damit deutlich unter dem Zielpfad. Ohne zusätzliche Maßnahmen werden die europäischen Vorgaben nicht eingehalten. Damit wird die EU-Klimaschutzverordnung zu einer entscheidenden Instanz in der deutschen Klimapolitik.

Portrait von Christiane Hildebrandt, Klima-Allianz Deutschland
Wenn die Bundesregierung die Treibhausgasemissionen nicht im eigenen Land mindert, steigen dadurch überall in Europa automatisch die Preise für den Handel mit Emissionsrechten.
Christiane Hildebrandt
Referentin für Europäische Klimapolitik bei der Klima-Allianz Deutschland

Eine Zielverfehlung sollte Deutschland sich nicht leisten

Die Folgen einer Zielverfehlung sind nicht nur klimapolitisch fatal, sondern auch finanziell. Deutschland müsste voraussichtlich Emissionsrechte in Milliardenhöhe von anderen EU-Staaten zukaufen. Die Kosten für mögliche Zukäufe sind noch nicht absehbar, weil die Höhe von Angebot und Nachfrage noch unsicher ist und der Handel über bilaterale Verträge stattfindet. Auf Deutschland könnten je nach Schätzungen bis zu 33 Milliarden Euro Kosten für den Ankauf von Emissionsrechten anfallen. Das wäre eine enorme Belastung für den Bundeshaushalt. Dieses Geld würde an anderer Stelle für dringend benötigte Investitionen und Fördermaßnahmen fehlen. 

Und noch etwas ist wichtig: Deutschland ist für etwa ein Fünftel der gesamten Emissionen in der EU verantwortlich. Wenn die Bundesregierung die Treibhausgasemissionen nicht im eigenen Land mindert, steigen dadurch überall in Europa automatisch die Preise für den Handel mit Emissionsrechten.

Deutschland muss ein wirksames Klimaschutzprogramm vorlegen

Um das drohende Defizit abzuwenden und die europäischen Vorgaben einzuhalten, braucht es kurzfristig wirksame Maßnahmen - insbesondere im Verkehrs- und Gebäudebereich. Das Klimaschutzprogramm, dass die Bundesregierung laut Bundes-Klimaschutzgesetz innerhalb eines Jahres nach Legislaturbeginn verabschieden muss, ist hier der wichtigste politische Hebel. Es verpflichtet die Bundesministerien wirksame Maßnahmen einzureichen, welche die Klimaschutzlücken im Gebäude- und Verkehrssektor schließen. 

Ab 2027 wird zudem der neue europäische Emissionshandel (ETS-2) für Gebäude und Verkehr eingeführt und in Deutschland den nationalen Emissionshandel ablösen. Der ETS-2 kann mittelfristig helfen, die Emissionen in diesen Sektoren stärker zu senken, wird das bestehende Defizit unter der EU-Klimaschutzverordnung allein aber nicht auffangen. Da insbesondere private Haushalte von steigenden Kosten für Tanken und Heizen betroffen sein werden ist es zentral, die Einführung des neuen Emissionshandels sozial zu flankieren. Wenn Deutschland seine Emissionen konsequent senkt, trägt es als größter CO₂-Emittent in Europa auch dazu bei, dass die Preise nicht durch die Decke gehen. Die neue Bundesregierung muss jetzt ein Klimaschutzprogramm vorlegen, das dieser Verantwortung Rechnung trägt.

Über die Autorin

Christiane Hildebrandt ist Referentin für Europäische Klimapolitik bei der Klima-Allianz Deutschland, einem zivilgesellschaftlichen Bündnis mit mehr als 150 Mitgliedsorganisationen. Schwerpunkt ihrer Arbeit ist eine wirksame und sozial-gerechte Umsetzung europäischer Klimaschutzvorgaben in Deutschland und eine progressive Haltung Deutschlands auf EU-Ebene. 

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