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Atomkraft: Eine nachhaltige Energiewende-Bremse
EU-News | 25.09.2025
# sozial-ökologische Transformation #EU-Umweltpolitik #Klima und Energie

Atomkraft: Eine nachhaltige Energiewende-Bremse

Zwei große Kühltürme eines Atomkraftwerks
© Frederic Paulussen
Zwei große Kühltürme eines Atomkraftwerks

Atomkraft bekommt ein Nachhaltigkeitslabel und die Präsidentin der Europäischen Kommission nennt sie in einem Atemzug mit erneuerbaren Energien. Was wie eine Wiederbelebung Totgeglaubter klingt, ist Greenwashing einer gefährlichen Energiequelle, die die EU weiterhin in russischer Abhängigkeit hält. Und das zu Lasten unserer Sicherheit und der drängenden Energiewende.

Gastbeitrag von Juliane Dickel, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland

Anfang September wies der Gerichtshof der Europäischen Union eine Klage des Staates Österreich gegen die Einbeziehung von Atomkraft und fossilem Gas in die sogenannte Taxonomie ab. Mit der Taxonomie-Einstufung, die Investitionen als nachhaltig klassifiziert, will die Europäische Union Anreize schaffen, in diese Energiequellen zu investieren. Frankreich ist eines der Länder, das am stärksten auf die Finanzierung des Verlustgeschäfts Atomkraft drängt, es steht aber nicht alleine. In der EU hat sich eine Allianz der Willigen gefunden, die das Thema vorantreibt. Und so erklärte auch die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der Europäischen Union:

Wir wissen, was die Preise in die Höhe getrieben hat: die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Russland. Es ist also an der Zeit, diese schmutzigen russischen fossilen Brennstoffe loszuwerden. Und wir wissen, wie wir die Preise senken können: mit sauberer Energie aus heimischen Quellen. Wir müssen selbst mehr erneuerbare Energie erzeugen – mit Kernenergie für die Grundlast.“

Ursula von der Leyen, SOTEU 2025

Was die Kommissionspräsidentin und die AKW-positiven Staaten versuchen zu suggerieren, ist allerdings faktisch falsch: Atomkraft ist nicht sauber. Der Blick auf die gesamte nukleare Kette von Uranförderung, Bau und Rückbau von Atomkraftwerken (AKW) bis hin zur Mammutaufgabe der Errichtung eines unterirdischen Endlagers zeigt, dass Atomkraft mit erheblicher Umweltverschmutzung und einem hohen CO2 Ausstoß verbunden ist. Ganz zu schweigen vom Katastrophenrisiko. Atomkraft ist auch nicht günstig. Vielmehr verursachen AKW und Atommüll erhebliche Kosten, die überwiegend die Staaten selbst und die Steuerzahlenden tragen. Allerdings in Form von Subventionen, die sich nicht auf der Stromrechnung zeigen. Die Kosten einer Katastrophe könnten so hoch ausfallen, dass sich alle Versicherer weigern, AKW abzusichern. Auch ist Atomkraft keine heimische Energiequelle, da Uran importiert wird – viel davon sogar aus Russland. 

Was Ursula von der Leyen auch nicht sagt: Der französische Staatskonzern EDF ist pleite und musste verstaatlicht werden, um die heimische Stromversorgung zu sichern. Das Land hat zudem ein immanentes militärisches Interesse an dieser Technologie. Den Plan des Konzerns, den Strompreis anzuheben, um sich zu refinanzieren, hat Staatspräsident Emmanuel Macron vehement abgelehnt. Atomkraft soll schließlich ihren guten Ruf als günstige Stromquelle nicht verlieren. Vielmehr noch gibt es eine Unternehmenskooperation der EDF-Tochter Framatome mit dem russischen Staatskonzern Rosatom. Man will in Lingen in Deutschland Brennelemente für osteuropäische AKW produzieren. Nicht nur bleibt man so in russischer Energieabhängigkeit, man zahlt auch die Tankfüllung des russischen Panzers mit. Obwohl es Gutachten gibt, die ein eklatantes Sicherheitsrisiko durch Spionage und Sabotage aufzeigen, hält Frankreich an diesem Joint Venture fest. Die Zustimmung der zuständigen deutschen Behörde steht noch aus.

Juliane Dickel
Atomkraftwerke sind Relikte einer sich überholenden Zeit. Zukunftsorientierte Stromsysteme müssen auf Flexibilität und Speichertechnologien sowie deren systemdienlichen Einsatz im Einklang mit der erneuerbaren Stromerzeugung setzen.
Juliane Dickel
Leiterin Atom- und Energiepolitik (BUND)

Bereits seit 1957 wird Atomkraft durch die Europäische Atomgemeinschaft Euratom in Europa vorangetrieben. Für die letzte Programmperiode 2021-25 standen 1,38 Milliarden Euro zur Verfügung u.a. für Entwicklung und Forschung. Für den Zeitraum 2028-2034 sollen es laut Entwurf des Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) 6,7 Milliarden Euro sein. Hinzu kommt nun, dass die EU im MFR-Entwurf erstmals Atomenergie als Aktivität aufführt, die Staaten mittels ihres Budgetanteils finanzieren können.

Das Problem: Das Geld, das in veraltete Technologien fließt, fehlt für die Energiewende. Dabei wird gerne das Grundlast-Narrativ bedient, wonach starre Kraftwerke permanent Strom ins System einspeisen sollen. So sind Atomkraftwerke für den Dauerbetrieb konzipiert, ein ständiges An- und Abschalten wäre sicherheitstechnisch problematisch. Allerdings blockieren sie Netze und Stromsystem und führen bei guter Wetterlage teilweise zum großflächigen Abschalten von Wind- und Sonnenkraftwerken. Viel erneuerbare Energie geht verloren. Es sind Relikte einer sich überholenden Zeit. Zukunftsorientierte Stromsysteme müssen auf Flexibilität und Speichertechnologien sowie deren systemdienlichen Einsatz im Einklang mit der erneuerbaren Stromerzeugung setzen.

Staaten wie Dänemark und Portugal machen es vor und decken durch systemdienlichen Netzausbau und Speichertechnologien bereits über 80 Prozent ihres Bedarfs aus erneuerbaren Energien. Und auch der Blick nach Deutschland zeigt das Potential, das in einer konsequenten Abkehr von Atomstrom steckt. Mit dem endgültigen Beschluss zum Ausstieg aus der Atomstromproduktion wurde der Anteil erneuerbarer Energien im System stetig erhöht. Auch die Stromkonzerne hatten zum Schluss keinerlei Interesse mehr an einer Laufzeitverlängerung oder gar einem Wiedereinstieg. Viel zu teuer und verlustreich, zumal man für eine vergleichsweise geringe Summe den Atommüll an den Staat hatte verkaufen können. 

Zwar kündigen in der EU Länder wie Polen und Tschechien Neubauprojekte an. Doch ob und wie viele dieser Reaktoren wirklich realisiert werden, ist unklar. Klar ist: Der Bau wird deutlich teurer werden und deutlich länger dauern als angekündigt. Die Kosten tragen vor allem die Steuerzahlenden. Einsatzbereit wären sie frühestens zehn Jahre nach Baubeginn und würden auch keinen Beitrag zum Klima- und Umweltschutz leisten.

Fakt ist: Atomkraft ist weltweit seit Jahrzehnten auf dem absteigenden Ast. Mit einer sicheren, nachhaltigen Energieversorgung hat sie nichts zu tun. Sicherheitsrisiko und Kosten alter Reaktoren steigen, die Realisierung von Neubauprojekten ist fraglich. Bis zur endgültigen Abkehr werden aber leider wohl noch Unsummen an Steuergeldern darin versenkt werden. 

Fakt ist auch: Ein echter Beitrag zum Klimaschutz ist die Energiewende und die darf kein halbherziges Projekt sein. Es gilt, die Modernisierung und Flexibilisierung des Systems voranzutreiben. Von daher darf die EU die Finanzierung von Atomkraft nicht unterstützen. Vielmehr müssen diese Gelder in natürlichen Klimaschutz fließen, wie etwa in den Schutz von Wäldern und die Wiedervernässung von Mooren, sowie in den raschen, naturverträglichen Ausbau erneuerbarer Energien. Klimaschutz ist Menschenschutz.

Über die Autorin

Juliane Dickel ist seit 2020 Leiterin des Bereichs Atom- und Energiepolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und arbeitet seit vielen Jahren als freie Journalistin mit Schwerpunkt auf Energie- und Umweltthemen.

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