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EU-Gebäuderichtlinie: Zu wenig erreicht für den Klimaschutz
EU-News | 08.12.2023
#Klima und Energie

EU-Gebäuderichtlinie: Zu wenig erreicht für den Klimaschutz

Modernes und nachhaltiges Gebäude
© AdobeStock/Petair
Modernes und nachhaltiges Gebäude

EU-Parlament und Rat einigten sich am 7. Dezember auf den finalen Text der Neufassung der EU-Gebäuderichtlinie (EPBD). Umweltverbände kritisieren das unambitionierte Ergebnis und hoffen auf eine verstärkte Anstrengung der einzelnen Mitgliedstaaten.

Nach Angaben der Europäischen Kommission sind Gebäude für 40 Prozent des Energieverbrauchs und 36 Prozent der Treibhausgasemissionen in der EU verantwortlich. Die EU-Gebäuderichtlinie stellt, als ein wichtiger Teil des „Fit for 55“-Pakets, die Roadmap zur Erreichung der Klimaneutralität im europäischen Gebäudesektor bis 2050 dar. Mit dem nun ausgehandelten Ergebnis des Trilogs zur „Energy Performance of Buildings Directive“ (EPBD) wird dieses Ziel wohl verfehlt. „Ich wäre gern noch weiter gegangen – aber der Widerstand gegen die #EPBD war überwältigend“, kommentierte der Europaabgeordnete Morten Petersen auf X.  Der Däne begleitete den Verhandlungsprozess als Schattenberichterstatter des EU-Parlaments für die Fraktion Renew.

Hart verhandelt wurden vor allem bei den Mindesteffizienzstandards (MEPs/Artikel 9) für Wohngebäude, der Einführung der EU-weiten Harmonisierung der Energieausweise für Gebäude (Artikel 16) sowie den zeitlichen Vorgaben zu den Nullemissionsgebäuden (Artikel 7).

Pauschale Mindesteffizienz-Standards

Der Vorschlag der EU-Kommission sah die Einführung verbindlicher Mindeststandards für die Energieeffizienz von Gebäuden (MEPS) vor. Effizienzverbessernde Maßnahmen wären somit für alle Gebäude mit der schlechtesten Energiebilanz verpflichtend. Der Kompromiss will nun „durch Mindestnormen eine schrittweise Verbesserung für die Gesamtenergieeffizienz“ erreichen: Mitgliedstaaten müssen bis 2030 die 16 Prozent der Nichtwohngebäude mit den schlechtesten Werten und bis 2033 die 26 Prozent mit den schlechtesten Werten sanieren.

Es wird den Mitgliedstaaten überlassen, wie sie das Ziel erreichen, den durchschnittlichen Primärenergieverbrauch von Wohngebäuden bis 2030 um 16 Prozent und bis 2035 um 20 bis 22 Prozent zu senken. „Die Mitgliedstaaten können frei entscheiden, auf welche Gebäude sie abzielen und welche Maßnahmen sie ergreifen wollen“, heißt es in der Pressemitteilung der EU-Kommission. Allerdings müssen die nationalen Maßnahmen sicherstellen, dass mindestens 55 Prozent des Rückgangs des durchschnittlichen Primärenergieverbrauchs durch die Renovierung der Gebäude mit den schlechtesten Werten erreicht wird. Die Vorgaben beziehen sich also auf den durchschnittlichen Primärenergieverbrauch des gesamten Wohngebäudebestands, die Sanierungspflicht für Einzelgebäude ist vom Tisch.

Zugeständnisse und Ausnahmen

Für bestimmte Gebäude-Kategorien soll es Ausnahmen geben - sowohl bei den Wohnhäuser, wie bei den Nicht-Wohngebäuden. Sie gelten etwa für landwirtschaftlich oder militärisch genutzte Gebäude, denkmalgeschützte Häuser oder Ferienhäuser.

Als Zugeständnis an das Parlament, das strengere Standards gefordert hatte, kann die Vorgabe einer Evaluierung im Jahr 2028 interpretiert werden: Falls die Einsparziele für 2030 und 2035 nicht erreicht werden, soll die Richtlinie nachjustiert werden.

Für dieses unambitionierte Ergebnis machen Umweltverbände auch die deutsche Bundesregierung verantwortlich. „Die Bundesregierung hat nicht nur national, sondern damit auch europäisch einen Kurs der maximalen Verantwortungsverweigerung in der Gebäudepolitik durchgesetzt“, zitiert der Tagesspiegel Background Elisabeth Staudt von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Jetzt liege es an den einzelnen Nationalstaaten, das zerbrochene Porzellan zu kitten und in der nationalen Umsetzung dem Gedanken der Bekämpfung von Energiearmut und zielgenauen Sanierung der schlechtesten Gebäude neues Leben zu geben.

NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger kritisiert die erreichte Einigung bei den Mindesteffizienz-Standards:  Das ist weder gut für das Klima noch sozial gerecht: Gerade in schlecht sanierten Gebäuden leben oft Menschen mit niedrigem Einkommen, die so auch noch mit hohen Energiekosten zu kämpfen haben. Für ein sozial gerechtes Erreichen der Klimaziele muss die nationale Umsetzung der Richtlinie deshalb deutlich über den jetzigen Beschluss hinausgehen.“

Null-Emission und Solarstandard für neue Gebäude

Auch bei den Vorgaben für Neubauten konnte sich das Parlament nicht durchsetzen. Die Abgeordneten hatten gefordert, dass öffentliche Gebäude ab 2026, alle anderen neu gebauten Gebäude ab 2028 emissionsfrei, also ohne Emissionen aus fossilen Brennstoffen, versorgt werden. Diese Deadlines verschieben sich nun zwei Jahre nach hinten: 2028 für Gebäude, die von öffentlichen Behörden genutzt werden oder sich in deren Besitz befinden, 2030 für alle anderen Neubauten. Auch hier soll es Ausnahmen geben.

Vereinbart wurde außerdem, dass neue Gebäude für die Installation von Photovoltaik- oder Solarthermieanlagen auf Dächern geeignet sein müssen. Die Installation von Solarenergieanlagen soll für neue Gebäude zur Norm werden. Bei bestehenden öffentlichen Gebäuden und Nichtwohngebäuden müssen ab 2027 schrittweise Solaranlagen installiert werden, sofern dies technisch, wirtschaftlich und funktional machbar ist. Diese Bestimmungen werden je nach Gebäudetyp und -größe zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Kraft treten.

Aus für fossile Heizkessel bis 2040

Ab dem 1. Januar 2025 sind Subventionen für die Installation von mit fossilen Brennstoffen betriebenen Heizkesseln verboten, bis 2040 will die EU einen vollständigen Verzicht auf fossile Heizkessel erreichen. Dafür müssen die Mitgliedstaaten spezifische Maßnahmen für den schrittweisen Ausstieg aus der Verwendung fossiler Brennstoffe für Heiz- und Kühlzwecke festlegen. Das EU-Parlament hatte einen vollständigen Ausstieg bis 2035 gefordert. Eva Brardinelli vom Climate Action Network (CAN) Europe bezeichnete das Ergebnis im Tagesspiegel Background als „verpasste Gelegenheit“. Ein Ausstieg aus fossilen Heizungen bis 2040 komme viel zu spät.

Die EU-weite Harmonisierung der Energieausweise für Gebäude (EPC) sollen laut EU-Kommission „auf einem gemeinsamen EU-Muster mit gemeinsamen Kriterien basieren.“

Die Richtlinie verpflichtet EU-Mitgliedstaaten nationale Gebäudesanierungspläne aufzustellen, nationale Programme für Gebäudesanierungspässe einzurichten und zentrale Anlaufstellen für Hauseigentümer, kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und alle Akteur*innen in der Renovierungswertschöpfungskette zu schaffen.

Soziale Absicherung für Mieter*innen

Anreize für Renovierungen sollen insbesondere auf schutzbedürftige Kunden und Gebäude mit der schlechtesten Energieeffizienz abzielen. Außerdem sollen Mitgliedstaaten Schutzmaßnahmen für Mieter*innen auf den Weg bringen, um finanzielle Risiken nach einer Renovierung zu minimieren.

Die Gebäuderichtlinie will außerdem die nachhaltige Mobilität fördern, deshalb enthält sich auch Bestimmungen über Vorverkabelung, Ladestationen für Elektrofahrzeuge und Fahrradstellplätze. So soll die Vorverkabelung zur Norm für neue und renovierte Gebäude und die Anforderungen an die Anzahl der Ladepunkte in Wohn- und Nichtwohngebäuden erhöht werden.

Das verhandelte Trilog-Ergebnis muss nun noch vom Europäischen Parlament und vom Rat verabschiedet werden. Der Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie (ITRE) wird am 23. Januar über den Text abstimmen. Danach werden die neuen Rechtsvorschriften im Amtsblatt der Union veröffentlicht und treten in Kraft. [ym]

EU-Parlament: MEPs strike deal with council

EU-Kommission: Commission welcomes political agreement

Tagesspiegel Background: EU beschließt Sanierungsvorgaben für Gebäude (kostenpflichtig)

DNR-Hintergrund zur EPBD

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