EU-Lieferkettengesetz: Anti-Haltung von Merz stößt auf Kritik

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) fordert die Abschaffung der europäischen Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) und will das deutsche Lieferkettengesetz (LkSG) aufheben. Die Forderung, ein bereits beschlossenes Gesetz zurückzunehmen, das Menschenrechte und Umwelt schützen soll, stößt auf breite Kritik von Seiten der Zivilgesellschaft, der EU-Kommission und Koalitionspartnern.
Bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel am 9. Mai 2025 hat Friedrich Merz deutlich gemacht, dass er die Abschaffung des deutschen Lieferkettengesetzes und der europäischen Lieferkettenrichtlinie aktiv vorantreiben will. In einer gemeinsamen Pressekonferenz mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte er wörtlich: „Wir werden in Deutschland das nationale Gesetz aufheben.“ Und weiter: „Ich erwarte auch von der Europäischen Union, dass sie diesen Schritt nachvollzieht und diese Richtlinie ebenfalls aufhebt.“ Seine Aussagen wurden nicht nur in Brüssel mit Verwunderung aufgenommen, sondern auch innerhalb der Bundesregierung als Bruch mit bestehenden Vereinbarungen gewertet.
Die europäische Lieferkettenrichtlinie wurde erst im vergangenen Jahr beschlossen und soll ab 2028 gelten (DNR-News vom 26.03.2024). Sie verpflichtet große Unternehmen, Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards entlang ihrer Lieferketten zu übernehmen. Merz begründete seine Forderung mit dem Ziel, Bürokratie abzubauen und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu stärken.
Die EU-Kommission wies die Forderung zurück. Eine Sprecherin betonte, dass es um Vereinfachung, nicht um Abschaffung gehe. Auch Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) widersprach Merz. Er betonte die Bedeutung des Gesetzes für den Schutz von Menschenrechten und Umwelt und verwies auf den Koalitionsvertrag. Dort sei klar festgehalten, dass das deutsche Lieferkettengesetz durch ein Gesetz über internationale Unternehmensverantwortung ersetzt werden solle, das die EU-Richtlinie „bürokratiearm“ umsetzt.
Kritik kam auch vom stellvertretenden Parteivorsitzenden und Europa-Sprecher der Grünen, Sven Giegold. Merz’ Vorstoß sei gerade am Europatag völlig deplatziert, sagte Giegold in einer Pressemitteilung. Es widerspreche dem Geist der europäischen Verträge, Menschen in globalen Lieferketten ohne grundlegende Rechte für europäische Märkte arbeiten zu lassen. Giegold kritisierte auch den „Kommandoton“, mit dem Merz Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen begegnet sei. Gleichzeitig zeigte er sich enttäuscht darüber, dass von der Leyen es an diesem Tag versäumte, ihr eigenes Gesetz öffentlich zu verteidigen.
Auch international stößt Merz' Vorstoß auf Widerstand. Der dänische Industrieminister Morten Bødskov warnte vor einer Deregulierung und betonte die Bedeutung verbindlicher Regeln für eine faire Globalisierung. „Vereinfachung bedeutet nicht Deregulierung. Wir müssen die Ziele behalten, aber es für Investoren attraktiver machen, sie zu erreichen“, sagte Bødskov gegenüber The Pioneer.
Ein breites Bündnis von über 90 zivilgesellschaftlichen Organisationen, darunter Menschenrechts- und Umweltverbände, Gewerkschaften sowie kirchliche und entwicklungspolitische Organisationen, reagierte mit einer Petition unter dem Titel „Keine Gewinne ohne Gewissen – Menschenrechte und Umwelt schützen!“. Sie fordern den Erhalt des deutschen Lieferkettengesetzes und die Umsetzung der EU-Richtlinie, die beide zu den größten Errungenschaften der vergangenen Jahre im Einsatz für Menschenrechte sowie Klima- und Umweltschutz gehörten. Die Initiative kritisiert, dass Merz mit seiner Forderung ein fatales Signal an die Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen sende und die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung untergrabe. [ks]
EU-Kommission: Eröffnungsrede der Pressekonferenz durch Friedrich Merz
RND: Lieferkettengesetz: Merz-Forderung stößt auf Widerstand
EU-Info: Merz fordert Abschaffung von EU-Lieferkettengesetz
Initiative Lieferkettengesetz: Bundeskanzler Merz greift Lieferkettengesetz an – Zivilgesellschaftliches Bündnis startet Petition