EuGH stärkt Natura-2000-Schutzgebiete

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am heutigen Donnerstag ein Urteil zur Einschränkung der landwirtschaftlichen Nutzung von Schutzgebieten und etwaigen Ausgleichszahlungen nationaler Behörden gefällt.
Demnach kann eine Behörde die Nutzung von Eigentum aufgrund EU-rechtlicher Bestimmungen einschränken. Dabei entsteht nicht zwangsläufig ein Entschädigungsanspruch, wenn es sich um eingeschränkte Eigentumsrechte, aber nicht eine Enteignung der Nutzer handelt. Allerdings kann eine nationale Behörde Landwirt*innen für den Verdienstausfall entschädigen. Sofern die Entschädigung unter bestimmten Voraussetzungen erfolgt, ist dies auch nicht automatisch eine „staatliche Beihilfe" und muss dementsprechend nicht in allen Fällen der EU-Kommission angezeigt werden.
Der Hintergrund ist ein Fall in Lettland, wo auf einem Moorgebiet in privatem Eigentum innerhalb eines Natura-2000-Schutzgebietes der Anbau von Moosbeeren untersagt wurde. Daraufhin beantragten die Eigentümer eine Ausgleichszahlung für die Jahre 2015 und 2016. Dieser Antrag wurde mit der Begründung zurückgewiesen, dass das maßgebliche nationale Recht keine derartige Ausgleichszahlung vorsehe. Es folgte eine Beschwerde beim obersten lettischen Gericht, das wiederum den EuGH zur Klärung verschiedener Detailfragen anrief, unter anderem weil die Verordnung Nr. 1305/2013 zur Förderung des ländlichen Raumes (ELER-Verordnung) zwar Begriffe wie „Wald“ und „landwirtschaftliche Fläche“ enthält, nicht aber Torf- oder Moorgebiete. Der EuGH entschied, dass die Mitgliedstaaten hier durchaus Ermessenspielraum haben – also auch zur Einschränkung des Geltungsbereichs.
Entschädigungsanspruch hätten Eigentümer*innen lediglich, wenn es um den Entzug des Eigentumsrechtes gehe. Wenn die fehlende Ausgleichszahlung an die Betroffenen „einen unverhältnismäßigen und untragbaren Eingriff darstellen würde, der den Wesensgehalt ihres Eigentumsrechts antastet“, sei eine Zahlung „angebracht“, es gebe allerdings im Unionsrecht keine Verpflichtung zur Leistung einer solchen Ausgleichszahlung. Sollte es eine Ausgleichszahlung geben, kann die nationale Behörde den Betrag deckeln, und wenn der Betrag unter 30.000 Euro liegt, könne er als „De-minimis-Beihilfe“ eingestuft werden und müsse demzufolge nicht als staatliche Beihilfe an die EU-Kommission gemeldet werden.
Urteil gegen Deutschland steht noch aus
Im vergangenen Dezember hatte die EU-Kommission angekündigt, Deutschland vor den EuGH zu bringen, weil sich das Land nicht ausreichend um den Erhalt von artenreichen Mähwiesen in FFH-Gebieten kümmert. Nach EU-Recht dürfe sich der Zustand der geschützten Arten und Lebensräume dort nicht verschlechtern, allerdings seien in den deutschen FFH-Gebieten durch intensive landwirtschaftliche Nutzung rund 18.000 Hektar Mähwiesen verschwunden, wie der NABU kritisierte. Bereits im Februar hatte die EU-Kommission Deutschland wegen unzureichendem Schutz der Natura 2000-Gebiete verklagt. [jg]
Pressemitteilung des EuGH: Der Gerichtshof legt die Unionsrechtsbestimmungen für im Rahmen von Natura 2000 gewährte Ausgleichszahlungen aus
Volltext der Urteile (C-234/20 und C-238/20 )