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GAP-Omnibus: EU kippt zentrale Umweltstandards der Agrarpolitik
EU-News | 18.11.2025
#Biodiversität und Naturschutz #Bodenschutz #Landwirtschaft und Gentechnik

GAP-Omnibus: EU kippt zentrale Umweltstandards der Agrarpolitik

Mädrescher

Rat und Parlament einigen sich auf ein umfassendes GAP-Vereinfachungspaket (Omnibus) – GLÖZ-Auflagen werden gelockert, Bio-Betriebe gelten als „Green-by-Definition“, Kontrollen begrenzt und kleine Höfe stärker gefördert – Umweltverbände warnen vor dem Abbau zentraler Schutzstandards.

Nach wochenlangen Verhandlungen haben sich Rat, Parlament und Kommission am 10. November auf den sogenannten GAP-Omnibus geeinigt. Das Vereinfachungspaket bringt zahlreiche Änderungen bei den Anforderungen für Landwirt*innen, darunter Anpassungen bei den Standards für den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand (GLÖZ). Ziel ist es, Bürokratie abzubauen und den Verwaltungsaufwand für Betriebe wie Behörden zu reduzieren. Laut EU-Kommission sollen Landwirt*innen dadurch jährlich bis zu 1,6 Mrd. Euro, die Verwaltungen der Mitgliedstaaten rund 200 Mio. Euro einsparen können.

Zentrale Änderungen im Überblick

  • Dauergrünland (GLÖZ 1): Mitgliedstaaten können künftig zwischen dem bisherigen Fünfjahreszeitraum und einer neuen Stichtagsregelung wählen. Danach behalten Flächen, die am 1. Januar 2026 als Ackerland gelten, diesen Status dauerhaft – auch bei mehrjähriger Nutzung als Grünland. Damit entfällt die Notwendigkeit, Grünland regelmäßig umzubrechen, um den Ackerstatus zu erhalten. Ursprünglich hatte die Kommission vorgeschlagen, den Zeitraum von fünf auf sieben Jahre zu verlängern.
  • Erosionsschutz (GLÖZ 5): Der Umbruch von Flächen wird künftig auch in phytosanitären Notfällen (z. B. bei Pflanzenkrankheiten oder Schädlingsbefall) erlaubt. Bisher galten nur Ausnahmen zur Unkrautbekämpfung.
  • Fruchtwechsel (GLÖZ 7): Betriebe mit 10–30 Hektar Ackerfläche sollen von Kontrollen und Sanktionen befreit werden; unter 10 Hektar gilt dies ohnehin bereits.
  • „Green-by-Definition“ für Öko-Betriebe: Zertifizierte Bio-Betriebe und Umstellungsbetriebe gelten künftig automatisch als GLÖZ-konform. Mitgliedstaaten entscheiden allerdings selbst, ob „Green-by-Definition“ angewendet wird.
  • Weniger Kontrollen: Landwirt*innen sollen nur noch einmal jährlich vor Ort kontrolliert werden. Ergänzend sollen Satellitendaten zur Überwachung eingesetzt werden.
  • Kleinbetriebe: Die Pauschalförderung für Betriebe bis 10 Hektar steigt auf 3.000 Euro jährlich (statt 2.500 Euro). Zudem ist eine einmalige Entwicklungszahlung bis 75.000 Euro vorgesehen.

Das Europäische Parlament hatte zuvor eine deutlich weitergehende Lockerung der Auflagen gefordert: Neben der automatischen GLÖZ-Konformität für Betriebe bis 50 Hektar und in Natura-2000-Gebieten wollte es auch die Aufhebung der GLÖZ-Standards 5 (Erosionsschutz) und 9 (Schutz von Dauergrünland in Schutzgebieten) erreichen, eine Ausweitung der Kontrollbefreiung bis 50 Hektar sowie zusätzliche Ausnahmen für Betriebe in benachteiligten Gebieten. Keine dieser Forderungen fand im Trilog Eingang; GLÖZ 5 und 9 bleiben grundsätzlich bestehen.

Der Schattenberichterstatter der Grünen, Thomas Waitz aus Österreich, betonte laut Tagesspiegel Background, dass die Einigung trotz Abschwächungen der grünen Architektur der GAP im Kern bewahrt und die kleinbäuerliche Landwirtschaft stärkt. „Die Einigung kam nur dank einer vernünftigen Ratspräsidentschaft und der Kommission zustande. Diese hat die schlimmsten Angriffe der Zerstörerkoalition aus EVP und Rechtsextremen auf die grüne Architektur und Natura-2000-Gebiete abgewehrt“, erklärte Waitz.

Schon im Vorfeld der Trilogverhandlungen hatte das Europäische Parlament Anfang Oktober mit seinem Verhandlungsmandat für deutliche Kritik gesorgt. Umweltverbände sahen darin einen massiven Rückschritt für Klima-, Natur- und Bodenschutz. NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger erklärte, das Parlament habe den Naturschutzstandards der GAP „den Boden entzogen“. Die Idee einer ökologisch und sozial nachhaltigen Landwirtschaft verkomme „spätestens jetzt zur Farce“. Durch die geplanten Änderungen würden wesentliche Pfeiler der Umweltarchitektur der GAP abgeschafft: Der Schutz von umweltsensiblen Dauergrünland (GLÖZ 9) und die Verpflichtung zu Erosionsschutzmaßnahmen (GLÖZ 5) entfielen, die Landwirtschaft in Natura-2000-Gebieten solle automatisch als konform gelten – unabhängig von der tatsächlichen Situation vor Ort. Damit würden zentrale ökologische Mindeststandards für EU-Agrarsubventionen aufgeweicht. Der NABU warnte zudem vor einem gefährlichen Präzedenzfall, da das Paket ohne Umweltfolgenabschätzung oder öffentliche Konsultation eingebracht wurde.

Auch die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) kritisierte den erneuten Rückbau ökologischer Mindeststandards unter dem Deckmantel der Entbürokratisierung scharf und nannte ihn einen „gewaltigen Rückschritt“ und „eine Katastrophe für den Schutz bäuerlicher Produktionsgrundlagen“. Positiv bewertete die AbL dagegen die Einführung einer verbindlichen Vertragspflicht in der Gemeinsamen Marktordnung, die die Position von Landwirt*innen gegenüber Handelspartnern stärken soll.

Mit Blick auf die neue Stellung von Ökolandbau-Betrieben lobte hingegen Bioland-Politikleiterin Carolin Pagel: Wer, wie die Bio-Betriebe, in besonderem Maße Leistungen für Umwelt, Natur und Gesellschaft erbringt, soll dafür honoriert beziehungsweise entlastet werden." Im Ökolandbau seien Vorgaben des Umweltschutzes bereits gesetzlich verankert. Dies müsse, wie nun geschehen, auch bei den GLÖZ-Standards berücksichtigt werden. Pagel ergänzte zudem: Konsequent wäre jedoch, wenn die Gesamtbetriebs-Zertifizierung zur Voraussetzung für diese Anerkennung gemacht würde, so wie es in Deutschland bei der Öko-Prämie seit jeher der Fall ist."      

Die Einigung muss nun formell vom Rat und vom Europäischen Parlament bestätigt werden. Das Paket soll am 1. Januar 2026 in Kraft treten. [ks]

 

Europäisches Parlament:  Pressemitteilung vom 10.11.2025

DNR: GAP: EU-Parlament sägt weiter an Umweltstandards

Tagesspiegel Background: Trilog endet mit Stichtagsregelung für Dauergrünland

AbL: Pressemitteilung vom 08.11.2025

NABU: Pressemitteilung vom 4.11.2025

Bioland: Pressemitteilung vom 11.11.2025

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