Europäische Zivilgesellschaft wappnet sich gegen Einschüchterungen
Das neu gegründete Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen CASE will gegen strategische Klagen von Unternehmen oder Regierungen – kurz SLAPPs – vorgehen, die darauf abzielen, kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen.
Hinter der Abkürzung CASE (Coalition Against SLAPPs in Europe) steht eine große Koalition von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) aus ganz Europa, darunter das Europäische Umweltbüro (EEB), Greenpeace, das Umweltinstitut München, Justice and Environment sowie Transparency International EU. Ziel der Organisationen ist es, auf die Bedrohung ihrer Arbeit durch strategische Klagen gegen die Beteiligung der Öffentlichkeit (Strategic Lawsuits against Public Participation, SLAPPs) aufmerksam zu machen und sich dagegen zur Wehr zu setzen. Es handelt sich dem Bündnis zufolge um missbräuchlich verwendete Klagen, die darauf abzielen, Vertreter*innen der Zivilgesellschaft einzuschüchtern, zu diffamieren und somit deren Arbeit massiv zu behindern.
Dieses in autoritär regierten Staaten weit verbreitete Vorgehen werde auch in Europa immer beliebter. So würden Unternehmen, Regierungen und mächtige Einzelpersonen, die unerwünschte Kritik etwa an Wirtschaftsaktivitäten im Keim ersticken wollen, vermehrt auf SLAPPs zurückgreifen, erklärt das Bündnis. Gesetze und Gerichte würden missbraucht, um Menschen mundtot zu machen, die ökologische, soziale und andere Missstände anprangerten.
Wie das Umweltinstitut München, eine Mitgliedsorganisation des Umweltdachverbands Deutscher Naturschutzring, mitteilte, sei es bereits Opfer eines SLAPP geworden. Derzeit stehe der Agrarreferent Karl Bär für die Pestizidtirol-Kampagne vor Gericht, mit der das Institut 2017 die Öffentlichkeit über den hohen Einsatz von giftigen Pestiziden in den Südtiroler Apfelplantagen aufklärte. Für diese Aktion verklagten der Südtiroler Landesrat für Landwirtschaft Arnold Schuler und über 1300 Obstbäuer*innen aus der Region das Umweltinstitut. In einem ähnlichen Prozess sei kürzlich die französische Pestizidgegnerin Valérie Murat erstinstanzlich zu einer Schadensersatzzahlung von rund 125.000 Euro verurteilt worden, weil sie Pestizidrückstände in Bordeaux-Weinen kritisiert hatte, berichtete das Umweltinstitut München weiter.
Die Auftaktveranstaltung am vergangenen Freitag nutzte das CASE-Bündnis, um ein neues Werkzeug im Kampf gegen SLAPP-Klagen vorzustellen. Auf der Website sollen Betroffene schnell und einfach Hilfe finden. Beispielsweise gibt es eine Liste von Anwält*innen aus ganz Europa, die pro bono Beratung und juristische Vertretung anbieten. Darüber hinaus findet sich eine umfangreiche Materialsammlung zum Thema SLAPPs. Nicht zuletzt fordert das Bündnis die EU-Institutionen dazu auf, eine EU-Richtlinie gegen SLAPPs auf den Weg zu bringen.
Schon im Sommer 2020 hatten mehr als 100 NGOs an die EU-Institutionen appelliert, wirksam gegen SLAPPs vorzugehen und eine Anti-SLAPPs-Richtlinie zu verabschieden (EU-News vom 11.06.2020).
Umweltinstitut München: Europa wehrt sich gegen SLAPPs
Redakteurin: Ann Wehmeyer