Fangquotenpoker, kein Antarktisschutzgebiet, Klimaschutz für Ozeane
Fangmöglichkeiten im Atlantik: Vorschlag der EU-Kommission. Kein Meeresschutzgebiet: Antarktis-Kommission scheitert schon wieder. Appell von Seas At Risk anlässlich der UN-Klimakonferenz in Glasgow: Klimaschutz ist Meeresschutz und Mikroplastik bremst Resilienz der Ozeane.
Kommissionvorschlag der 2022er-Fangquoten für Scholle, Kabeljau und Co.
Die EU-Kommission hat am Mittwoch ihren Fangquotenvorschlag für Atlantik, Kattegat und Skagerrak für 2022 vorgelegt. Um 20 Prozent reduziert werden sollen die Fangmengen für Seezunge in der Biskaya und westlich von Irland, Kaisergranat im Skagerrak und Kattegat sowie Kabeljau im Kattegat (hier gilt: Verbot der gezielten Kabeljaufischerei, Beibehaltung der Beifangquoten). Bei fünf Beständen wird die Quote im Vergleich zu diesem Jahr erhöht: Scholle im Kattegat (plus 34 Prozent), Seezunge im Kattegat und Skagerrak, Butte in den iberischen Gewässern, Seeteufel in der Kantabrischen See und Kaisergranat in Teilen der südlichen Biskaya (in einer Funktionseinheit um plus 1.329 Prozent [sic!]). Da die Verhandlungen noch andauern, sind außerdem die Quoten für die Bestände, die gemeinsam mit Norwegen und Großbritannien verhandelt werden müssen, nur vorläufig.
Der Streit zwischen Frankreich und Großbritannien (EU-News 28.10.2021) über Fischereilizenzen in gemeinsam befischten Gebieten im Ärmelkanal schwelt weiter (siehe dpa-Europaticker).
Antarktiskommission: Weddellmeer weiter ungeschützt
Angesichts zunehmender geopolitischer Interessen wären Schutzmaßnahmen im Südpolarmeer dringend erforderlich. Doch die Kommission zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis (Commission for the Conservation of Antarctic Marine Living Resources, CCAMLR) konnte auf ihrer letzten Jahrestagung erneut keinen einstimmigen Beschluss fassen. Das mit vier Millionen Quadratkilometern Fläche potenziell größte Meeresschutzgebiet der Welt – bestehend aus drei Meeresschutzgebieten in der Ostantarktis, der Antarktischen Halbinsel und dem Weddellmeer – ist zum wiederholten Mal gescheitert. Der überwiegende Teil der 25 CCAMLR-Mitglieder (24 Staaten plus EU) hat laut Greenpeace zwar den von Deutschland erarbeiteten und 2016 eingereichten Vorschlag für den Schutz des Weddellmeeres unterstützt und auch die anderen beiden Gebiete hätten viel Zustimmung erfahren. Allerdings lasse sich die Antarktis-Kommission „Jahr für Jahr von einzelnen Bremserstaaten vorführen“, kritisierte Greenpeace. China und Russland sähen in schmelzenden Polkappen lediglich größere Fischgründe und Möglichkeiten für industrielle Ausbeutung. „Klimakrise und Artensterben ignorieren sie völlig”, sagte Greenpeace-Meeresbiologin Sandra Schöttner.
Auch Deutsche Umwelthilfe (DUH), The Pew Charitable Trusts und die Antarctic and Southern Ocean Coalition (ASOC) nannten das Scheitern eine „verpasste Gelegenheit für den Schutz der Antarktis“. Dabei hätten inzwischen 1,5 Millionen Menschen und Vertreter*innen aus der Wissenschaft umfangreiche Schutzgebiete gefordert. „Trotz der fehlenden Ausweisung neuer Schutzgebiete sind wir erleichtert, dass die Schutzmaßnahme zur Einschränkung des Krillfangs verlängert wurde“, sagte Andrea Kavanagh von The Pew Charitable Trusts. Allerdings reiche diese Maßnahme allein nicht aus, um eine übermäßig konzentrierte Fischerei rund um die Antarktische Halbinsel zu verhindern. Hier müssten die CCAMLR-Mitglieder dringend nachlegen.
Seas At Risk-Appell zur COP26: Klimaschutz setzt Meeresschutz voraus, das gilt auch für den Kampf gegen Plastikverschmutzung
Die Meeresschutzorganisation Seas At Risk hat an die Staaten auf der 26. UN-Klimakonferenz in Glasgow appelliert, den Schutz von Klima und Ozeanen zusammenzudenken. Die Meere spielten eine große Rolle bei der Abschwächung des Klimawandels. Sie haben laut Seas At RIsk bereits 90 Prozent der überschüssigen Wärme, die durch die vom Menschen verursachte Erwärmung entsteht, sowie ein Viertel der CO2-Emissionen absorbiert. Bis 2030 müssten 30 Prozent der Ozeane geschützt sein, dies forderten auch Wissenschaftler*innen. Große Offshore-Windparks dürften nicht in Schutzgebieten gebaut werden. Überfischung sowie der Tiefseebergbau gefährdeten die Ökosysteme und zerstörerische Fischereipraktiken wie die Grundschleppnetzfischerei setzten ebenso große Kohlenstoffmengen frei wie der gesamte Luftfahrtsektor.
Die Verschmutzung durch Kunststoffe trage ebenfalls viel stärker und vielfältiger zum Klimawandel bei, als bisher bekannt war, warnt Seas At Risk. Sobald große Plastikteile der Sonneneinstrahlung ausgesetzt seien, werden diese allmählich abgebaut, was Treibhausgase freisetze. Schätzungen zufolge würden allein durch den Abbau von Plastik an der Meeresoberfläche weltweit jährlich 76 Tonnen Methan freigesetzt. Methan sei als Treibhausgas 36-mal stärker als CO2 und trage direkt zum Klimawandel bei. Die Verschmutzung durch Mikroplastik beeinträchtige außerdem direkt das Klimaschutzpotenzial der Ozeane, indem sie den Kohlenstofffluss im Meer stört. Laborexperimente deuteten darauf hin, dass das mit Mikroplastik verunreinigtes Phytoplankton weniger in der Lage ist, Kohlenstoff durch Photosynthese zu binden. Ähnlich verhalte es sich bei verunreinigtem Zooplankton, dessen Stoffwechselrate, Reproduktionserfolg und Überlebensrate geringer seien. Auch größere Fische litten unter zu großer Plastikverschmutzung, zudem werde ihre ökologische Rolle beeinträchtigt.
„Meeresschutz ist Klimaschutz, und die Zeit zum Handeln ist jetzt!“, forderte Seas At Risk. [jg]
Pressemitteilung (mit vielen Links): Kommission schlägt Fangmöglichkeiten im Atlantik, Kattegat und Skagerrak für 2022 vor sowie Vorschlag der EU-Kommission
Greenpeace-Pressemitteilung: Antarktis-Kommission scheitert erneut. Hängepartie für’s ewige Eis.
DUH: Gelegenheit zur Schaffung des größten Meeresschutzgebiets aller Zeiten verpasst
Seas At Risk: COP 26: Ocean action is climate action and the time to act is now!
Seas At Risk: Microplastics and climate change: our ocean needs bold decisions
AWI auf der COP
Das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) ist vor Ort in Glasgos und hat eine Themenseite zur UN-Konferenz geschaltet. Weiterlesen