Fließgewässerschutz und Wiederherstellung von Natur
Living Rivers-Bündnis fordert die natürliche Vernetzung von Fließgewässern und die schnellere Beseitigung von Barrieren. Wetlands International Europe startet transeuropäisches Netzwerk zum Schutz wandernder Süßgewässerfischarten. Oderkatastrophe jetzt auch offiziell menschengemacht.
Briefingpapier zum EU-Wiederherstellungsgesetz stützt 15-Prozent-Ziel für frei fließende Flüsse
Der Verordnungsvorschlag für das EU-Renaturierungsgesetz hat Gewässerschutzverbände auf den Plan gerufen. Living Rivers Europe, ein Bündnis von Umweltorganisationen, hat ein Forderungspapier zur Wiederherstellung der natürlichen Vernetzung von Flüssen und der natürlichen Funktionen der zugehörigen Überschwemmungsgebiete vorgelegt. Die Verordnung zur Wiederherstellung der Natur müsse die Zielvorgabe für die Beseitigung von Barrieren auf 15 Prozent der EU-Flusslänge (178.000 Kilometer) anheben und dieses Ziel auch rechtsverbindlich machen, damit die Gewässer bis 2030 wieder frei fließen können. Die Mitgliedstaaten müssten zudem die Beseitigung von Barrieren nach dem ökologischen Potenzial priorisieren, insbesondere nach der Verbindung zwischen Meeres- und Süßwasserökosystemen. Projekte zur Flussrenaturierung müssten leichter durchzuführen sein: Hier fehlten eine Vereinfachung der Verfahren, Maßnahmen zum Aufbau von Kompetenzen sowie die Einbeziehung der Öffentlichkeit und nicht zu vergessen: eine angemessene Finanzierung. Generell müssten die im Artikel 4 angeführten Ziele im Entwurf für die Renaturierungsverordnung schneller erreicht und vollständiger werden als angedacht, da dieser Artikel auch einige Süßwasserökosysteme abdeckt und diese Wiederherstellungsmaßnahmen auch die Maßnahmen zur Vernetzung der Flüsse ergänzen würden.
Transeuropäische Vernetzung wichtig für wandernde Fischarten
Wetlands International Europe hat letzte Woche auf dem 3. Europäischen Flussgipfel das Trans-European Swimways Network ins Leben gerufen. Das Netzwerk soll auf die Bedeutung der Vernetzung von Lebensräumen für die Erhaltung von wandernden Süßwasserfischen aufmerksam machen, denn deren Bestände seien in den letzten 50 Jahren um etwa 93 Prozent zurückgegangen. Süßwasserfische seien in Europa derzeit zahlreichen Bedrohungen und Belastungen ausgesetzt, die ihre Überlebens- und Reproduktionsfähigkeit stark beeinträchtigten, so die Organisation. Laut der europäischen Roten Liste der Süßwasserfische seien 39 Prozent der Süßwasserfischarten in der EU bedroht und weitere 4 Prozent auf der Vorwarnliste. Darüber hinaus befänden sich laut dem Bericht der Europäischen Umweltagentur (EEA) über den Zustand der Natur in der EU etwa 90 Prozent der in Anhang 2 der EU-Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie aufgeführten Fischarten in einem schlechten oder ungünstigen Erhaltungszustand.
Oderkatastrophe offiziell menschgemacht: Eingeleitetes Salz als Ursache
Letzte Woche Freitag haben Bundesumweltministerium (BMUV) und Umweltbundesamt (UBA) die „wahrscheinlichste Ursache für das Fischsterben in der Oder“ veröffentlicht, nämlich „ein sprunghaft gestiegener Salzgehalt, der gemeinsam mit weiteren Faktoren für eine massive Vermehrung einer für Fische giftigen Brackwasseralge geführt hat“. BMUV und UBA beziehen sich dabei auf einen Bericht aus einer deutsche Expertengruppe, die wiederum zahlreiche Wasserproben und Satellitenbilder ausgewertet hatte. Noch unklar sei, wie die Alge Prymnesium parvum, die eigentlich im salzhaltigen Brackwasser in Küstennähe vorkommt und für Wasserorganismen tödliche Stoffe erzeugt, ihren Weg in die Oder gefunden hat und warum der Salzgehalt in der Oder so schnell und stark angestiegen ist. Dies müssten die polnischen Untersuchungsergebnisse zeigen.
Greenpeace berichtete, dass die Organisation bei grenzübergreifenden eigenen Wasserproben die höchsten Salzwerte an einem Rückhaltebecken des Bergbaukonzerns KGHM in Gmina Polkowice gefunden hat, dort liege der Salzgehalt 40-fach über den für Süßwasser empfohlenen Werten. Ebenfalls auffällig seien hohe Salzwerte flussaufwärts am Gliwice-Kanal gewesen.
Der NABU begrüßte das vom BMUV vorgeschlagene Maßnahmenpaket zur Regeneration der Oder und forderte ein sofortiges Aktionsprogramm. NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller mahnte: „Der Vorfall zeigt eindringlich, dass wir unsere Gewässer fit für die Zukunft machen müssen. Gesunde Flussökosysteme haben eine natürliche Widerstandskraft gegen verschiedenste Belastungen. Wir haben unsere Gewässer derartig überformt und geschädigt, dass sie zu einer Bedrohung unserer Wassersicherheit – vor allem für zukünftige Generationen – werden können. Deshalb ist es in unserer Verantwortung, einen naturnahen also resilienten Zustand unserer Flüsse wiederherzustellen. Der Oderausbau müsse verhindert werden, dafür setzt sich auch das „Aktionsbündnis lebendige Oder“ ein, das Ende August Eckpunkte für ein Aktionsprogramm Oder vorgelegt hatte (EU-News 26.08.2022). Eine Klage läuft ebenfalls (Umweltverbände klagen gegen Oderausbau). [jg]
Living Rivers Europe: Briefing Papier
BMUV und UBA: Oder-Fischsterben: Eingeleitetes Salz führte zur Massenvermehrung giftiger Alge
Greenpeace: Fischsterben in der Oder
NABU zum Oder-Expertenbericht: Unsere Flüsse müssen fit für die Zukunft werden
DNR-Pressemitteilung/Aktionsbündnis lebendige Oder: Verbände legen Kernforderungen für ein Aktionsprogramm Oder vor
Wasserrahmenrichtlinie und Sedimente
Die EU-Kommission hat eine Vielzahl technischer Dokumente zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie erstellen lassen. Jüngst veröffentlicht wurde das CIS-Dokument „Integriertes Sedimentmanagement - Leitlinien und bewährte Verfahren im Zusammenhang mit der Wasserrahmenrichtlinie“. Es fasst auf über 200 Seiten die Schlüsselrolle von Sedimenten bei der Erreichung der Ziele der Wasserrahmenrichtlinie zusammen und stellt Leitlinien und bewährte Verfahren für ein integriertes Sedimentmanagement vor. Es wurde von der Arbeitsgruppe ECOSTAT entwickelt, an der auch die Arbeitsgruppen Hochwasser und Chemikalien beteiligt waren.