Grundwasser unter Druck: chemische Verschmutzung und Wasserknappheit nehmen zu

Am 22. März ist Weltwassertag. Die Europäische Umweltagentur hat dafür das Grundwasser in Europa unter die Lupe genommen. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen sagt auf dem Weltwasserforum im Senegal Finanzmittel für Großprojekte zu. Der BUND forderte die Umsetzung der Wasserrahmen- und Nitratrichtlinie. In Deutschland gibt es erste Ergebnisse in Sachen Spurenstoffe. Kür: Grundwasser und Dümmer See.
Fast jedes dritte Grundwasserreservoir in Europa chemisch verunreinigt
„Europas Grundwasser - eine wichtige Ressource unter Druck“ – so ist ein Briefing der Europäischen Umweltagentur (EEA) betitelt, das einen Überblick über den Zustand des Grundwassers in der Europäischen Union geben soll. Die Analyse zeigt, wie kritisch die Versorgung bereits jetzt ist: Etwa ein Viertel der gesamten Grundwasserkörper in der EU befinden sich laut EEA in einem schlechten chemischen Zustand und 9 Prozent in einem schlechten mengenmäßigen Zustand. Berücksichtigt man sowohl den schlechten chemischen als auch den schlechten mengenmäßigen Zustand, könnten etwa 29 Prozent der Grundwasserkörper nicht mehr den Bedarf der Ökosysteme und der Menschen decken. Dabei liefert das Grundwasser in der EU 65 Prozent des Trinkwassers und 25 Prozent des Wassers für die landwirtschaftliche Bewässerung.
Der Hauptgrund für den schlechten chemischen Zustand des Grundwassers in der EU sei die diffuse Verschmutzung durch die Landwirtschaft, vor allem durch Nitrate und Pestizide. Die Gründe für einen schlechten mengenmäßigen Zustand lägen hauptsächlich in der übermäßigen Entnahme von Wasser für Bewässerungszwecke, insbesondere in Südeuropa. Die übermäßige Entnahme von Süßwasser-Grundwasserleitern in den Küstengebieten könne zusätzlich zum Eindringen von Salzwasser aus dem Meer führen, wodurch das Grundwasser jahrzehntelang unbrauchbar werde oder die Kosten für die Aufbereitung stiegen, warnte die EEA. Der Klimawandel dürfte diese Probleme noch verschärfen, da die Nachfrage nach Bewässerung in Europa steige. Es sei dringend notwendig, die Wasserressourcen nachhaltig zu bewirtschaften und die chemische Verschmutzung und den Wasserstress zu bekämpfen, um ausreichend Wasser in guter Qualität für die Umwelt und die Menschen sicherzustellen. Die EEA empfiehlt: weniger Druck durch Landwirtschaft und Entnahme und neue Ansätze wie der Einsatz von Informationstechnologie, bessere Finanzierung sowie die Durchsetzung von Kreislaufwirtschaft bei der Nutzung von Grundwasser.
Weltwasserforum: EU sagt Geld für grenzüberschreitende Großprojekte zu
Bis zum 26. März findet das Neunte Weltwasserforum in Diamniadio/Dakar im Senegal statt. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat für die EU daran teilgenommen. Sie nannte das Forum einen „wichtigen Meilenstein auf dem Weg zur UN-Wasserkonferenz 2023“. Von der Leyen kündigte an, dass das „Team Europe eine neue Vorreiterinitiative zur grenzüberschreitenden Wasserbewirtschaftung in Afrika ins Leben rufen“ und über 400 Millionen Euro zur Verfügung stellen wolle. Das neue Global-Gateway-Investitionspaket der EU sei „der globale Arm des europäischen Green Deal“, bis 2027 sollen bis zu 300 Milliarden Euro in Großprojekte in Afrika und auf der ganzen Welt fließen. Diese Investitionen sollen laut von der Leyen „nachhaltig sein“ und „lokalen Gemeinschaften spürbare Vorteile bringen“, als Beispiel nannte sie das neue Wasserkraftwerk in Rwanguba im Virunga-Nationalpark.
BUND: Deutschland setzt europäische Gesetze nicht ausreichend um
Der BUND hat anlässlich des Weltwassertages kritisiert, dass europäische Regelungen zum Schutz von Gewässern und Grundwasserkörpern in Deutschland nicht konsequent genug umgesetzt würden. Die Bundesrepublik gefährde die Versorgung mit dieser wichtigen Ressource. Der BUND forderte deshalb unter anderem deutlich mehr Raum für frei fließende Flüsse und eine konsequente Umsetzung verbindlicher europäischer Regelungen wie die Wasserrahmenrichtlinie sowie den Schutz der Wasserressourcen vor Schad- und Nährstoffbelastungen. Außerdem müsse dringend umgedacht werden bei bestehenden Nutzungen und der Begrenzung von Übernutzung von wasserabhängigen Lebensräumen, deren guter Erhaltungszustand gesichert werden müsse.
Zum Weltwassertag betonte Euronatur, dass Grundwasser durch seine Reinigungsfunktion und den ständigen Austausch mit den Fließgewässern die „Leber” unserer Flüsse sei. Der Schutz des Grundwassers und seiner einzigartigen Biodiversität bewahre deshalb auch die Flüsse, so der Verband. Einige der wertvollsten Grundwassergebiete in Europa befänden sich auf dem Balkan. Die Flüsse zwischen Slowenien und Griechenland seien eine gewaltige Trinkwasserquelle für die lokalen Gemeinden. Allerdings würden diese Lebensadern von mehr als 3.500 Staudammprojekten bedroht.
Spurenstoffe, Gewässertyp und Lebendiger See des Jahres
Parallel haben das Bundesumweltministerium (BMUV) und das Umweltbundesamt (UBA) erste Ergebnisse der Runden Tische zur sogenannten Spurenstoffstrategie präsentiert. Dabei geht es um den Schutz der natürlichen Gewässer vor Spurenstoffen wie Arzneimittel, Pflanzenschutzmittel, Biozide und andere Chemikalien, die schon in geringen Konzentrationen negative Auswirkungen haben können. Die im Rahmen der Runden Tische von Herstellern entwickelte Maßnahmen zur Verringerung der Einträge spezifischer Chemikalien in die Gewässer sind allerdings freiwillig.
Das Umweltbundesamt hat außerdem das Grundwasser zum Gewässertyp des Jahres 2022 gekürt. In Deutschland würden rund 70 Prozent des Trinkwassers aus Grund- und Quellwasser gewonnen. Ökosysteme, vor allem die Wälder, seien auf eine ausreichende Menge an Grundwasser angewiesen. Verunreinigungen, zum Beispiel durch Nitrat oder Pflanzenschutzmittel, Klimawandel und Wasserentnahmen gefährdeten die Qualität und Menge dieses lebenswichtigen Gutes, warnt das UBA, deshalb müsse Deutschlands wichtigster Trinkwasserspender und Garant für Ökosysteme „dauerhaft geschützt werden“.
Globalnature wiederum kürte den Dümmer See zum „lebendigen See des Jahres 2022“. Der zweitgrößte Binnensee Niedersachsens sei zwar nirgends tiefer als 1,40 Meter, beeindrucke aber mit „einzigartiger Naturvielfalt“. Und vielfältig seien auch die Bemühungen der Menschen an seinen Ufern, das blaue Juwel zu bewahren. [jg]
EEA-Pressemitteilung: World Water Day: attention on Europe’s groundwater und EEA-Briefing: Europe’s groundwater — a key resource under pressure
Speech by President von der Leyen at the opening ceremony of the 9th World Water Forum
Weltwassertag 2022: Jeder Tropfen zählt – BUND fordert konsequenten Schutz des Grundwassers
Euronatur: Weltwassertag 2022: Grundwasser: „die Leber“ unserer Flüsse
BMUV/UBA: Neue Maßnahmen zum Schutz der natürlichen Gewässer vor Spurenstoffen
UBA: Grundwasser ist Gewässertyp des Jahres 2022
Globalnature: Flacher See mit großer Vielfalt: Dümmer ist „Lebendiger See des Jahres 2022"