Klimaschutz bedeutet Sicherheitspolitik – und umgekehrt

Umweltschutz und Frieden sind eng miteinander verwoben. Mit dem Klimawandel manifestiert sich dieser Zusammenhang in einem neuen Zeitalter des Risikos, das nicht nur die globale Sicherheitslandschaft verändert, sondern auch, was es bedeutet, Frieden zu schaffen.
Von Florian Krampe, SIPRI
Die internationale Politik ist derzeit von mehreren akuten Krisen geprägt, die den globalen wie nationalen Sicherheitsdiskurs dominieren. Zum einen erleben wir eine sich verschärfende Sicherheitskrise, gekennzeichnet durch den Rückgang zwischenstaatlicher Kooperation, den Anstieg innerstaatlicher Konflikte, das Aufweichen internationaler Rüstungskontrollregime sowie zunehmende Opfer und Vertreibungen. Diese Krise wird besonders deutlich im russischen Angriff auf die Ukraine. Gleichzeitig verschärft sich die Umweltkrise durch Klimawandel, Umweltzerstörung und Artenverlust.
Die beiden Krisen sind eng verknüpft: Krieg zerstört Umwelt, Umweltzerstörung untergräbt Frieden und erhöht Konfliktrisiken. Diese Verknüpfung markiert ein neues Zeitalter des Risikos und stellt eine zentrale politische Herausforderung dar. Was bedeutet der Klimawandel für internationale Sicherheit? Welche Rolle spielt er im Vergleich zu anderen Risikofaktoren – etwa soziale, wirtschaftliche, politische – bei der Verschärfung von Konflikten? Welche politischen Maßnahmen wurden ergriffen oder sind notwendig, um klimabezogene Risiken zu anzugehen?
Die Klimakrise verschärft humanitäre Krisen und Konflikte
In einer global vernetzten Welt, in der multiple Krisen ineinandergreifen, verschmelzen Klimaschutz und Sicherheitspolitik zunehmend. Dies zeigt sich auch institutionell, etwa durch die 2021 erfolgte Verlegung der Zuständigkeit für UN-Klimakonferenzen vom Umwelt- ins Außenministerium. Deutschland stuft Klimaveränderung seit Jahren als Sicherheitsrisiko ein und machte sie unter anderem zum Kernthema im UN-Sicherheitsrat 2019/20, gemeinsam mit anderen Ländern.
Ein Grund für diese sicherheitspolitische Perspektive sind die Auswirkungen des Klimawandels auf die Verschärfung humanitärer Krisen und bewaffneter Konflikte weltweit. Klimabezogene Sicherheitsrisiken sind heute in zahlreichen UN-Resolutionen vermerkt und Schwerpunkte der Präventions- und Friedenspolitik.
Zweitens haben sowohl Klimawandel als auch politische Gegenmaßnahmen geopolitische Auswirkungen. So setzt etwa die Münchner Sicherheitskonferenz das Thema Klimawandel bereits seit mehreren Jahren auf die Agenda. Der notwendige Übergang zu fossilfreien Wirtschaftssystemen verlangt Rohstoffe wie Kobalt, das etwa in der Demokratischen Republik Kongo gefördert wird – einem Land mit instabiler Sicherheitslage, Armut und informeller Ausbeutung natürlicher Ressourcen.
Drittens hat der Klimawandel sicherheitsrelevante Implikationen für das Militär. Die US-Streitkräfte sehen in ihm seit Jahren eine Bedrohung für ihre Infrastruktur, etwa durch den Meeresspiegelanstieg. Auch NATO und EU erkennen die strategische Bedeutung des Klimawandels. Die Sorge, dies könne zu einer Militarisierung der Klimapolitik führen, scheint bislang unbegründet. Vielmehr rückt die menschliche Sicherheit stärker in den Fokus.

Das Verständnis klimabedingter Sicherheitsrisiken hat sich weiterentwickelt und wird in zahlreichen wissenschaftlichen Studien analysiert. Der 6. IPCC-Bericht zeigt, dass der Klimawandel soziale und politische Instabilität verschärfen kann. Er untergräbt Lebensgrundlagen, etwa in Regionen, die stark auf natürliche Ressourcen wie Land und Wasser angewiesen sind. Wenn Staaten unzureichend auf Dürren oder Fluten reagieren, steigen gesellschaftliche Spannungen – ein Nährboden für bestehende oder neue Konflikte.
Krisenbewältigung nur global und gemeinsam - und mit fairer Finanzierung
Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, braucht es integrierte Ansätze, die CO₂-Reduktion mit der Einbindung klimabezogener Risiken in Entwicklungs- und Friedenspolitik kombinieren. Zahlreiche internationale und regionale Organisationen, darunter UN, EU, Afrikanische Union und OSZE, berücksichtigen diese Risiken inzwischen in ihren Strategien.
Ein gelungenes Beispiel ist der UN-Climate Security Mechanism, der den systematischen Umgang zur Bewältigung solcher Risiken und Strategien zur Prävention unterstützt. Doch neue Forschung zeigt, dass ein einfaches Hinzufügen von Klimaanpassung in Friedensstrategien nicht genügt. Um eine klimaresiliente Entwicklungs- und Sicherheitspolitik zu gestalten, sind differenzierte politische Lösungen erforderlich.
Zentrale Fragen bleiben offen: etwa zur Reduzierung von Emissionen, zur fairen Finanzierung der Transformation und zu sozialer Gerechtigkeit – global wie national. Besonders die Staaten des Globalen Südens, die wenig zur Klimakrise beigetragen haben, aber stark davon betroffen sind, werden bislang unzureichend eingebunden. Das ungelöste Problem des Loss and Damage, also klimawandelbedingter Verluste und Schäden, erfordert dringend Antworten. Eine entscheidende Frage ist, wie notwendige Anpassungsmaßnahmen in diesen Staaten finanziert werden – auch im Hinblick auf die internationale Sicherheitspolitik. Denn für viele dieser Länder gehört Loss and Damage zu den klimabedingten Sicherheitsrisiken.
Je länger Industrieländer den Abschied von fossilen, ressourcenintensiven Wirtschaftsformen hinauszögern, desto schneller wird der Übergang vonstattengehen müssen und desto teurer wird er. Mit jedem Tag Verzögerung steigen die langfristigen Sicherheitsrisiken. Ein nachhaltiger Umbau kann nicht nur Sicherheit fördern, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll sein. Denn Klimasicherheitspolitik ist Friedenspolitik – wenn sie gezielt Gerechtigkeit und menschliche Sicherheit stärkt.
Der Autor
Dr. Florian Krampe ist Politikwissenschaftler und Senior Researcher am Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI). Er leitet dort das Climate Change and Risk Programme (Programm für Klimawandel und Risiken).
Dieser Text ist eine redaktionell bearbeitete und gekürzte Fassung von Florian Krampes Artikel unter der Creative Commons Lizenz CC BY-NC-ND 3.0 DE.
Die Langfassung finden Sie hier.