Meeresschutz in maritimer Raumplanung: „bruchstückhaft“

Gerade die EU-Regionen in äußerster Randlage hinken bei der Umsetzung meeres- und umweltpolitischer Maßnahmen zum Schutz der biologischen Vielfalt und gefährdeter Gemeinschaften hinterher, obwohl sie den Großteil der europäischen Gewässer ausmachen und von den Auswirkungen des Klimawandels und dem Rückgang der biologischen Vielfalt besonders betroffen sind. In den EU-Regionen in äußerster Randlage stimmen die nationalen Pläne nicht mit den Zielen des europäischen Green Deal überein und es fehlt ihnen an der notwendigen Kohärenz und Koordinierung, um die Biodiversitäts- und Klimaziele der EU wirksam zu erreichen, so der WWF. Dort, wo es Pläne gibt – wie auf den Kanarischen Inseln, Madeira und in den französischen Regionen in äußerster Randlage –, sei die Einbindung lokaler Interessensgruppen unzureichend. Dies sei aber dringend erforderlich, um sicherzustellen, dass die Pläne solide entwickelt und öffentlich unterstützt werden. Personal- und Geldmangel sowie das Fehlen solider wissenschaftlicher Daten über die vielfältigen Ökosysteme müssten dringend überwunden werden, ebenso wie das begrenzte öffentliche Bewusstsein für die Bedeutung der Planung an sich, so der WWF.

In der Ostsee hat die Integration eines ökosystembasierten Ansatzes - der die Ökosysteme in einem gesunden, produktiven und widerstandsfähigen Zustand gegen menschliche Einflüsse erhält – in die MSP in den Mitgliedstaaten unterschiedlich gut geklappt. Die für den Meeresschutz ausgewiesenen Gebiete entsprechen insgesamt nicht dem Ziel der EU-Biodiversitätsstrategie (30 Prozent der Fläche). Kein einziger MSP-Plan sieht Flächen für die Wiederherstellung der Natur vor, nur zwei Länder haben sich ansatzweise mit den zeitlichen und räumlichen Unwägbarkeiten in Zeiten des Klimawandels befasst. Falls Flächen für Offshore-Energie ausgewiesen wurden, sind von den meisten Ländern die Auswirkungen der Offshore-Infrastruktur für erneuerbare Energien auf Ökosysteme und die Tierwelt nicht berücksichtigt worden.

Am schlechten Zustand der Ostsee hat sich scheinbar trotz 50-jährigem Bestehen des regionalen HELCOM-Abkommens (Konferenz in Riga Ende April) nichts geändert.

Alle Nordsee-Mitgliedstaaten haben ausreichend Raum für die Entwicklung von Offshore-Windenergieanlagen ausgewiesen, um die EU-Klimaneutralitätsverpflichtungen bis 2030 zu erfüllen, und versuchen, diese Gebiete weiter auszudehnen. Belgien erlaubt allerdings Offshore-Windparks in Gebieten, die unter Biodiversitätsaspekten zu den 10 Prozent streng zu schützenden gehören würden. Und Deutschland plant den Bau von Offshore-Windparks in der Doggerbank, die Natura-2000-Gebiete umfasst. Insgesamt erfüllt kein MSP-Plan derzeit alle Ziele der EU-Biodiversitätsstrategie, unter anderem die Ausweisung von Schutzgebieten auf mindestens 30 Prozent der nationalen Gewässer, oder umfasst die zeitlichen und räumlichen Unwägbarkeiten des Klimawandels. Die mit dem Klimawandel verbundene Erwärmung des Meeresbeckens dürfte sich auf die Fischpopulationen auswirken und die bestehenden Überdüngungseffekte (Eutrophierung) verstärken, einschließlich niedriger Sauerstoffkonzentrationen, die zu toten Zonen führen können.

Die Region des Nordostatlantiks schneidet in der Analyse insgesamt schlecht ab: Es gibt keinen einzigen nationalen maritimen Raumordnungsplan, der eine kumulative Folgenabschätzung (CIA) aller Aktivitäten auf See beinhaltet und damit sicherstellt, dass die kombinierten Auswirkungen der maritimen Sektoren innerhalb der Tragfähigkeit des Ozeans bleiben. Ohne CIA keine wirklich nachhaltige Planung menschlicher Aktivitäten, kritisiert der WWF. Zudem gebe es „einen entscheidenden Mangel an regionaler Zusammenarbeit in Meeresfragen“, obwohl die grenzüberschreitende Zusammenarbeit eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Planung ist, zumal sich der menschliche Druck kumulativ auf grenzüberschreitende Korridore für Meeressäuger und die Wanderung kommerziell wichtiger Fischarten auswirkt. Immerhin: Alle Mitgliedstaaten in dieser Region haben ihre MSP auf Grundlage umfassender wissenschaftlicher Erkenntnisse entwickelt, was entscheidend für die Umsetzung wichtiger EU-Umweltvorschriften wie der Strategie zur Erhaltung der biologischen Vielfalt und REPowerEU sei.

„Die nationalen Meerespläne im EU-Mittelmeerraum sind innerhalb und über die Grenzen hinweg nicht aufeinander abgestimmt, tragen dem Klimawandel nicht Rechnung und sind nicht auf dem richtigen Weg, um die Ziele in den Bereichen erneuerbare Energien und Meeresschutz zu erreichen“, so der WWF. Es gebe weder eine solide grenzübergreifende Zusammenarbeit noch eine ausreichende Einbeziehung der Interessengruppen. Dabei wäre das von entscheidender Bedeutung für eine Region, die in Sektoren wie dem Tourismus und der Fischerei stark von Kleinunternehmen abhängig ist. Immerhin 82 Prozent der EU-Mittelmeerflotte besteht laut WWF aus Kleinfischern. Auf diese Weise würden alle nationalen Bemühungen um einen guten Umweltzustand des Mittelmeers „letztlich erfolglos bleiben“.