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Mutig investieren, statt kaputtsparen
News | 04.03.2024
# sozial-ökologische Transformation #Wirtschaft

Mutig investieren, statt kaputtsparen

Finanzieller Unterbau
© Unsplash/Towfiqu barbhuiya
Eine gelingende Transformation braucht genug Geld im Topf.

Die Einhaltung der Schuldenbremse ist deutsche Staatsräson – so will es das Grundgesetz. Ein ausgeglichener Haushalt ist oberstes Gebot, ignoriert jedoch die Tatsache, dass weiterhin hohe Investitionen für klimaneutrales Wirtschaften notwendig sind. Zudem bleibt ohne ausreichende Finanzierung die gesellschaftliche Transformation auf der Strecke. Dabei sind Investitionen in Aus- und Weiterbildung notwendig, um Fachkräfte für neue und veränderte Anforderungsprofile zu schulen, und auch in die Daseinsvorsorge, um die Funktionsfähigkeit des Staates und das demokratische Versprechen zu garantieren.

In den vergangenen drei Jahren hatte der deutsche Staat hohe Sonderausgaben, um die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie und des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine abzufedern. Die seit 2011 bestehende Schuldenbremse wurde zeitweise ausgesetzt und verschiedene Sondervermögen beschlossen. Unter anderem wurden 60 Milliarden Euro, die ursprünglich als Corona-Hilfen geplant waren, für den neu aufgesetzten Klima- und Transformationsfonds (KTF) umgewidmet.

Diese Mittelverschiebung hat das Bundesverfassungsgericht am 15. November 2023 gekippt. Die 60 Milliarden Euro dürfen nicht für die Zwecke des KTF ausgegeben werden. Der KTF ist insgesamt mit rund 211 Milliarden Euro ausgestattet und fördert unter anderem Energieeffizienz von Gebäuden – wie es das Gebäudeenergiegesetz (GEG) vorsieht, Investitionen in den Hochlauf klimafreundlicher Technologien wie die Halbleiterproduktion oder Wasserstoffwirtschaft und gleicht das Aussetzen der EEG-Umlage aus.

Vera Gohla
Die Energiekrise wird die Transformation der deutschen Wirtschaft hin zur Klimaneutralität beschleunigen.
Vera Gohla, Friedrich-Ebert-Stiftung
Referentin für Wirtschafts- und Strukturpolitik

Auch die Energiekrise 2022 hat die Wirtschaft schwer getroffen und es droht eine längere Phase der Stagnation. Es ist eine Krise fossiler Energieträger, und sie wird die Transformation der deutschen Wirtschaft hin zur Klimaneutralität beschleunigen. Das ist gut für den Klimaschutz, aber nicht unbedingt gut für die Wirtschaft.

Es ist dringend geboten, eine schnelle Lösung zu finden, um die nun „fehlenden“ 60 Milliarden Euro weiterhin veranschlagen zu können. Ein Weg wäre, die Schuldenbremse abzuschaffen oder zu reformieren – dies würde eine verfassungsändernde Mehrheit im Parlament voraussetzen.  Dieser Weg wird aktuell öffentlich diskutiert, scheint aber höchst unwahrscheinlich. Es lohnt sich deshalb für eine Lösung auf die Einnahmeseite des Haushalts zu blicken: In der Studie „Zeitenwende: Wie wir unsere Wirtschaft und das Klima retten“ für die Friedrich-Ebert-Stiftung macht Professor Tom Krebs von der Universität Mannheim Vorschläge, wie man die Einnahmenseite des Bundeshaushalts stärken und so trotz Schuldenbremse dringende Investitionen in die Transformation zur klimaneutralen Wirtschaft tätigen könnte.

Reform der Erbschaftssteuer könnte helfen

Drei Möglichkeiten bieten sich an: eine Erhöhung der Investitionstätigkeit öffentlicher Unternehmen, die Neuberechnung des Produktionspotenzials und eine Reform der Erbschaftssteuer. Kredite von öffentlichen Unternehmen gehen nicht zu Lasten der durch die Schuldenbremse festgelegte Nettokreditaufnahme von maximal 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Über einen Erwerb von öffentlichen Unternehmen, gerade im Bereich von Zukunftstechnologien wie etwa der Wasserstoffwirtschaft, könnten Investitionen über Unternehmenskredite finanziert werden. Daneben zeigt die Studie, dass die aktuelle Berechnung des Produktionspotenzials der deutschen Wirtschaft gerade unterschätzt wird, da die krisenbedingten Produktionsverluste als dauerhaft bewertet werden. Würde man die Produktionspotenziale neu berechnen, könnte man die Grenze für die Nettokreditaufnahme kurzfristig von 17 auf 45 Milliarden Euro hochsetzen. Eine weitere langfristige Möglichkeit, die Einnahmen, insbesondere für die Haushalte der Länder, zu steigern, wäre eine Reform der Erbschaftssteuer, die steuerliche Ausnahmeregelungen bei Unternehmensübertragungen stärker in den Blick nimmt. In der aktuellen Regierungskonstellation scheint diese Möglichkeit allerdings ebenso unwahrscheinlich wie eine Abschaffung der Schuldenbremse.

Die FES-Studie unterstreicht, dass erhöhter Handlungsbedarf besteht – und zwar unabhängig  von den Herausforderungen, die sich durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ergeben. Die Untersuchung zeigt, dass neben den nun „fehlenden“ 60 Milliarden Euro aus dem KTF weitere Investitionsbedarfe von insgesamt 80 Milliarden Euro im Bereich der klimaneutralen Transformation und Daseinsvorsorge bestehen. Diese Investitionen sind zwingend notwendig, will die Bundesrepublik auch in Zukunft eine starke und wettbewerbsfähige Wirtschaft haben. Sie zu ermöglichen, auch ohne die nun gestrichenen Gelder, ist Aufgabe der Bundesregierung. „Sie muss sich aus dem marktliberalen Gedankenkorsett befreien, wenn sie die Klimaziele erreichen und gleichzeitig die Wirtschaft stärken möchte“, schreibt Tom Krebs. „Es braucht eine mutige Investitionsagenda und eine Abkehr von der aktuellen Sparpolitik der Bundesregierung, wenn wir unsere Wirtschaft und das Klima retten wollen.“

Die Autorin

Vera Gohla ist Referentin für Wirtschafts- und Strukturpolitik bei der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Der Beitrag ist in kürzerer Form auf dem Themenportal „Die Welt gerecht gestalten“ der Friedrich-Ebert-Stiftung erschienen.

 

 

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