GAP im neuen MFR: Weniger Geld, weniger Gemeinwohl

Die EU-Kommission hat am 16. Juli ihren Entwurf für den nächsten siebenjährigen EU-Finanzrahmen 2028–2034 vorgelegt und damit auch weitreichende Reformpläne für die Gemeinsame Agrarpolitik skizziert. Die europäische Landwirtschaft soll in Zukunft mit deutlich weniger EU-Mitteln auskommen, Agrar- und Kohäsionsfonds unter einem gemeinsamen Budgetrahmen verwaltet werden. Ein Überblick über die geplanten Änderungen, mögliche Konsequenzen und die Reaktionen.
Die EU-Agrarpolitik steht vor einer finanziellen Kürzung und strukturellen Neuordnung. Laut Kommissionsentwurf soll das Agrarbudget im Finanzrahmen 2028–2034 mit 300 Mrd. Euro gedeckelt werden – etwa 90 Mrd. Euro weniger als im laufenden Zeitraum. Gleichzeitig würde der bisher eigenständige Agrarhaushalt abgeschafft: Künftig kämen die Gelder für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) und für die Regionalförderung aus einem gemeinsamen Fonds. Das „Ende des traditionellen Zwei-Säulen-Modells” der GAP (Direktzahlungen und ländliche Entwicklung) bedeutet, dass EU-Programme für ländliche Räume künftig mit anderen Förderbereichen verschmelzen. Jeder Mitgliedstaat soll einen umfassenden Partnerschaftsplan erstellen, der alle Reformen und Investitionen für 2028–2034 umfasst – von Landwirtschaft über Kohäsion und ländliche Entwicklung sowie andere MFR-Bereiche. Darin integriert wäre auch die Agrarpolitik. Die Verteilung der Agrargelder würde stärker in die Hand der Hauptstädte wandern: Wer welche GAP-Gelder bekommt, sollen die Mitgliedstaaten künftig selbst bestimmen. Brüssel gibt strategische Ziele vor, will sich aber weniger in Details einmischen.
MFR 2021–2027 (laufend) | Vorschlag MFR 2028–2034 | |
Gesamtvolumen der GAP | ca. €387 Mrd. (31 % des EU-Haushalts) | ca. €300 Mrd. (nur Einkommensstützung, Rest integriert) |
Säulenstruktur | Zwei Fonds/Säulen: EGFL (Direktzahlungen) und ELER (ländliche Entwicklung) | Keine Trennung: Agrarausgaben im neuen Partnerschaftsfonds gebündelt; nur Direktzahlungen separat ausgewiesen |
Direktzahlungen (Säule I) | ca. €291 Mrd. über EGFL (Basisprämien, Eco-Schemes etc.) | €300 Mrd. für Einkommensstützung zweckgebunden (ca. −22 % ggü. aktuell); inkl. Umweltleistungen, Junglandwirte, Risikovorsorge |
Ländliche Entwicklung (Säule II) | ca. €95 Mrd. über ELER (Ko-Finanzierung durch Mitgliedstaaten) | Keine feste Zuteilung: Mittel für ländliche Maßnahmen konkurrieren im gemeinsamen Fonds mit Kohäsions- und Fischereimitteln |
Die Einkommensstützung für Landwirtinnen und Landwirte bleibt Kern der GAP – Direktzahlungen pro Hektar soll es also weiterhin geben. Allerdings plant die Kommission, sehr große Direktbezüge zu beschneiden: Flächenprämien oberhalb einer bestimmten Fläche sollen gekürzt werden. Konkret ist ein obere Grenze für öffentliche Gelder pro Betrieb vorgesehen, und für sehr große Betriebe sollen die Hektar-Prämien degressiv sinken. Zugleich werden Junglandwirte und kleine Höfe als Förder-Schwerpunkte genannt – hier sollen Prämien gezielt aufgestockt werden, um den Generationswechsel in der Landwirtschaft zu erleichtern.
In den Reformvorschlägen werden auch Folgen für Klima- und Umweltschutz in der Landwirtschaft erwartet. So sollen etwa Tierhaltungsdichten in belasteten Regionen begrenzt werden, um Nitrat- und Ammoniakverschmutzung einzudämmen. Betriebe würden durch Anreize zu einer extensiveren Viehhaltung ermuntert. Zudem sollen die Agrarzahlungen verstärkt an Leistungen geknüpft werden. EU-Gelder fließen demnach nur bei Erreichen messbarer Ziele, beispielsweise im Umwelt- oder Klimaschutz. Allerdings streicht die Kommission in ihrem Entwurf jede verbindliche Quotierung („Ringfencing“), also verpflichtende Mindestmittel für Öko-Maßnahmen oder Vertragsnaturschutz, innerhalb der GAP. Die bisher fest reservierten Mittel für klima- und umweltfreundliche Landwirtschaft – rund ein Drittel der GAP-Gelder – würden entfallen. Nationale Regierungen könnten künftig selbst entscheiden, wie viel vom Agrarbudget sie für Öko-Maßnahmen aufwenden – was deutlich weniger sein könnte als bisher.
Kritik kommt aus allen Lagern
Die Pläne der EU-Kommission für die GAP stoßen auf harsche Kritik – und das aus nahezu allen Lagern. Umweltorganisationen sprechen von einem massiven Rückschritt für Klima und Natur, während Agrarverbände wie der Deutsche Bauernverband (DBV) gar einen „Angriff auf die Landwirtschaft“ sehen.
Tatsächlich dürfte das um fast 23 Prozent gekürzte Agrarbudget viele Betriebe spürbar treffen, da ein großer Teil ihres Einkommens von EU-Zahlungen abhängt. Zwar könnten kleinere und regionale Betriebe vom stärker national ausgerichteten Zuschnitt profitieren, größere Höfe sehen sich durch Kappung und Degression allerdings benachteiligt. DBV und Familienbetriebe Land und Forst e.V. (FaBLF) lehnen die Kappung daher ab, unter anderem weil größere Betriebe häufig wichtige Arbeitgeber in ländlichen Regionen seien. Auch Harald Grethe, Ko-Direktor des Thinktanks Agora Agrar, äußerte sich gegenüber Tagesspiegel Background kritisch zu der geplanten Kappung: „Nur weil ein Betrieb groß ist, heißt das nicht, dass er viel Gewinn macht“. Die europäische Landwirtschaft sei sehr unterschiedlich strukturiert, sodass die Flächengröße kein sinnvolles Kriterium für die Vergabe von Fördermitteln darstelle. Bauernverbände kritisieren zudem den geplanten „Single Fund“ und die nationalen Partnerschaftspläne, die den Mitgliedstaaten erheblich mehr Spielraum bei der Mittelvergabe geben würden – und damit Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt begünstigten. Ähnlich äußert sich die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Mit Blick auf die bevorstehende Renationalisierung warnt sie vor einem Unterbietungswettbewerb. Länder könnten versucht sein, ihre heimische Produktion durch höhere Direktzahlungen oder lockerere Umweltauflagen zu schützen, was zu einem Absenken der ökologischen und sozialen Standards in der gesamten EU führen könnte. Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) ermutigt die EU grundsätzlich zu einer schlankeren GAP, aber: „Öffentliche Gelder müssen an öffentliche Leistungen gekoppelt sein“, betont Vorsitzende Tina Andres. Der BÖLW schlägt ein Stufenmodell („Basis, Basis Plus, Bio“) vor, durch das Betriebe je nach erbrachten Ökosystemleistungen honoriert und ihnen gleichzeitig mehr Freiheit gegeben werden soll.
Greenpeace: „Flickenteppich, der den Status quo zementiert”
Scharfe Kritik kommt auch von Umwelt- und Naturschutzorganisationen, sie reagieren enttäuscht bis alarmiert auf den EU-Haushaltsentwurf. Sie fürchten pauschale Flächenprämien könnten wieder Vorrang vor Gemeinwohlleistungen erhalten und Umweltprogramme in der Landwirtschaft ins Hintertreffen geraten, vor allem weil die bisherige Ringfencing-Garantie wegfallen sollen. „In der künftigen Agrarpolitik soll es keine verpflichtenden Mindestbudgets für Umweltleistungen mehr geben. Das ist ein massiver Rückschritt gegenüber dem Status quo”, kritisiert Olaf Bandt, Vorsitzender des BUND. Auch der Deutsche Naturschutzring (DNR) kritisiert die Richtung der GAP-Reform scharf. „Wer Europas Zukunft sichern will, muss Klima- und Naturschutz als Standortfaktor ernst nehmen“, betont DNR-Geschäftsführer Florian Schöne. Der Vorschlag bleibe weit hinter dem Anspruch öffentliches Geld für öffentliche Leistungen zurück und schwäche bestehende Umweltauflagen. „Die pauschalen Direktzahlungen müssen endlich durch eine leistungsorientierte Honorierung ersetzt werden“. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) spricht deshalb von „klimaschädlichen Subventionen“: „Pauschale Zahlungen ohne Zweckbindung sind ein gewaltiger Rückschritt“, so Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. Greenpeace bewertet die Pläne ähnlich kritisch: Zwar seien Vorgaben zur Begrenzung der Massentierhaltung und die stärkere Förderung kleiner Betriebe positiv, doch insgesamt blieben es „Trippelschritte in die richtige Richtung“. „Landwirte brauchen einen gemeinsamen Ansatz, um widerstandsfähiger und nachhaltiger zu werden – kein Flickenteppich, der den Status quo zementiert”, warnt Marco Contiero von Greenpeace EU. Harald Grethe vom Thinktank Agora Agrar zeigt sich gegenüber Tagesspiegel Background optimistischer, er sieht in den neuen nationalen Partnerschaftsplänen ein mögliches Instrument für mehr Klima- und Umweltleistungen. Entscheidend sei aber die Höhe der verpflichtenden Anteile: „Es ist wichtig, dass der Mindestsatz für Gemeinwohlleistungen ambitioniert ausfällt, sonst bleibt der größte Teil des Budgets bei einfachen Flächenprämien.”
BUND: „Das ist kein Budget für die Zukunft, sondern eines von gestern“
„Das ist kein Budget für die Zukunft, sondern eines von gestern“, fasst Bandt vom BUND die Pläne zusammen. Anouk Puymartin (BirdLife) erklärte gegenüber Reuters. „Wir stehen vor einer sich verschärfenden Natur- und Klimakrise, doch der vorgeschlagene EU-Haushalt bietet keinen klaren Pfad, um diese anzugehen. Schlimmer noch: Die Biodiversität verliert ihren Platz im EU-Budget – es gibt weder dedizierte Mittel noch klare Priorität dafür.“ Dass selbst das erfolgreiche Umweltprogramm LIFE ersatzlos gestrichen werden soll, ist für NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger ein bezeichnendes Signal für fehlenden politischen Willen. „Der gemeinsame Kampf für den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen und den Klimaschutz ist hinter Wettbewerbsfähigkeit, Verteidigung und Bürokratieabbau nahezu unsichtbar.“ Gesunde Böden, ein stabiler Wasserhaushalt und intakte Biodiversität seien die Grundlage für Ernährungssicherheit und wirtschaftliche Stabilität, betont Krüger. Wenn die Kommission ihr Reformziel Anreize für Nachhaltigkeit zu schaffen ernst meinen würde, müsse sie 80 Prozent des Agrarbudgets in Wasser-, Boden- und Artenschutzmaßnahmen lenken, so die DUH.
Deutsche und europäische Umweltverbände fordern angesichts der vielfältigen Kritik die Regierungen der Mitgliedstaaten und das Europaparlament auf, in den nun beginnenden Verhandlungen deutlich nachzubessern. Mehr Geld für Klima- und Naturschutzprogramme, verbindliche Öko-Mindeststandards in der GAP und ein Ende umweltschädlicher Subventionen stehen ganz oben auf der Liste, damit die Agrarpolitik im nächsten Jahrzehnt zu einer echten Transformation beiträgt statt alten Problemen neues Geld hinterherzuwerfen. [ks]
BÖLW: Ermutigt EU-Kommission zu „schlanker GAP“
BUND: Neuer EU-Haushalt ist „Nullnummer“ für Naturschutz
DBV: Rukwied: EU verabschiedet sich vom Kern des europäischen Gedankens
DNR: Umweltdachverband kritisiert fehlende strategische Ausrichtung
DUH: Kritik an pauschalen Agrarsubventionen – „Klimaschutz bleibt auf der Strecke“
EU-Kommission: Factsheet Agriculture in the new MFF (16.07.2025)
EU-Kommission: Press release – Proposal for the MFF 2028–2034
Familienbetriebe Land und Forst e.V.: Lehnen GAP-Reform-Vorschlag entschieden ab
Greenpeace: EU Commission strips farming plan of money for climate and nature
NABU: Kritik am GAP-Vorschlag – „Nicht zukunftsfähig“
Reuters: Reactions to the European Commission’s new EU budget proposal
Tagesspiegel Background: Die Verhandlungen um die GAP-Reform werden langwierig und hart (zahlungspflichtig)