PFAS: Gesundheitsgefahr in Trinkwasser, Böden und Nahrung

Die sogenannten „Ewigkeitschemikalien“ sind inzwischen überall. Der BUND hat per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) in Trinkwasserproben nachgewiesen. Eine auf Pestizide bezogene Studie zeigt, dass Pestizide mit PFAS-Struktur maßgeblich zur zunehmenden Belastung der Umwelt mit Trifluoressigsäure (TFA) beitragen. Blutproben von EU-Führungskräften sind PFAS-belastet. Nicht zuletzt gilt chemische Verschmutzung als Ursache für die europaweite Gesundheitskrise unter Männern.
Die tausende Stoffe umfassende Gruppe der PFAS-Chemikalien kann viel. PFAS sind wasser- und fettabweisend und vor allem sind sie sehr stabil. Sie kommen in vielen Produkten des täglichen Gebrauchs wie etwa Lebensmittelverpackungen, Outdoor-Bekleidung oder Antihaft-Kochgeschirr zum Einsatz. Gelangen sie in Gewässer und die Natur, sind sie faktisch nicht abbaubar, weshalb sie auch als „Ewigkeitschemikalien“ bezeichnet werden. Bisher ist lediglich die Produktion und Verwendung von weniger als 20 der über 10.000 PFAS-Einzelsubstanzen reguliert. Die Verwendung von PFAS in Feuerlöschschäumen ist ab Oktober 2030 beschränkt. Angesichts der Gesundheitsgefahren sind sie aber bisher nicht ausreichend reguliert, ein Verbotsvorschlag kursiert, Proteste dagegen allerdings auch.
PFAS im Trinkwasser
Der BUND, der bereits im August 2025 eine Untersuchung zur PFAS-Belastung von Lebensmitteln veröffentlicht hatte, hat nun in 42 von 46 Trinkwasserstichproben in Deutschland PFAS nachgewiesen. Auch Trinkwasser im Regierungsviertel in Berlin sei belastet. Im Januar 2026 und 2028 treten neue PFAS-Grenzwerte für Trinkwasser in Deutschland in Kraft, allerdings stelle die PFAS-Belastung Wasserbetriebe inzwischen vor „erhebliche technische und wirtschaftliche Herausforderungen“. Am häufigsten und in den höchsten Konzentrationen seien bisher nichtregulierte PFAS gefunden worden, welche teils als „Ersatzstoffe“ für die weniger als 20 regulierten PFAS eingesetzt werden: Trifluoracetat (TFA), Perfluorbutansäure (PFBA) und Perfluorpropansäure (PFPrA). Letztere Substanz laufe bisher „gänzlich unter dem Radar der Behörden und ist auch in keinen zukünftigen Messprogrammen vorgesehen“. Die Organisation fordert deshalb eine umfassende PFAS-Beschränkung und die konsequente Anwendung des Verursacherprinzips auch auf europäischer Ebene. Die täglich aufgenommene PFAS-Menge liege bereits über dem gesundheitlich kritischen Wert und eine Beeinträchtigung des Immunsystems durch die Chemikalien könne nicht ausgeschlossen werden, warnt der BUND.
Deutschland mit Hotspots und Dauerbelastung
Eine länderbezogene Auflistung von PFAS in Europa zeigt, dass Deutschland von der PFAS-Verschmutzung stark betroffen ist, mit dokumentierten Hotspots in Düsseldorf, Rastatt und Spangdahlen/Bitburg sowie einer weit verbreiteten Hintergrundbelastung in nahezu allen Böden und Lebensmitteln, fasst die Organisation WECF in einer Medieninformation zusammen. Im Durchschnitt liegen landwirtschaftliche Böden bei 0,33 Mikrogramm pro Kilogramm [µg/kg] PFAS-4, 2018 wurden zudem 68 Tonnen TFA (Trifluoressigsäure) in der Atmosphäre über Deutschland gemessen. In Wein stieg die TFA-Menge seit 1988 stark an. Laut Umweltbundesamt sind 69 Prozent der Fische mit PFAS belastet. Besonders alarmierend: Der Verzehr von nur 16 g Elb-Fisch reicht aus, um die von der EFSA festgelegte wöchentliche Aufnahmemenge für PFAS-4 zu überschreiten. Eine Studie des Umweltbundesamts zeigte bereits 2020 erhöhte PFAS-Werte im Blut von Kindern in Deutschland.
Greenpeace hatte Mitte Oktober nachgewiesen, dass ganz normal auf Märkten eingekaufte Speisefische, Muscheln und Krabben aus Nord- und Ostsee zum Teil stark mit schädlichen PFAS belastet sind. Proben von Scholle, Hering, Steinbutt und Krabben hätten Konzentrationen über den Empfehlungen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) für eine wöchentliche Aufnahmemenge für Erwachsene enthalten. Eine Mahlzeit von 150 Gramm der untersuchten Stichproben könnten für einen erwachsenen Menschen für die maximal tolerierbare Wochen-Dosis reichen, bei Kindern reiche bereits ein Bruchteil davon.
PFAS-Pestizide bedrohen Gesundheit und Umwelt
Der Einsatz von PFAS-Pestiziden hinterlässt Ewigkeitsgifte in unserer Nahrungskette, in Böden, Gewässern und Lebensmitteln, zeigt eine Anfang November vorgestellte Studie, die der agrarpolitische Sprecher der Grünen im EU-Parlament, Martin Häusling, in Auftrag gegeben hat. Der PFAS-Pestizideinsatz trage „maßgeblich zur zunehmenden Belastung der Umwelt mit Trifluoressigsäure (TFA)“, ein hochmobiles, extrem langlebiges und toxisches Abbauprodukt. Messdaten und Modellierungen des Umweltbundesamts belegten, dass in landwirtschaftlich genutzten Regionen PFAS-Pestizide die Hauptquelle für die TFA-Belastung des Grundwassers seien – deutlich vor fluorierten Gasen aus der Kältetechnik oder industriellen Einträgen. Die gefundenen Konzentrationen lägen bis zu hundertfach über bekannten Hintergrundwerten anderer PFAS oder Pestizide.
Auch EU-Führungskräfte betroffen: PFAS in Blutproben nachgewiesen
Eine im Oktober veröffentlichte Untersuchung zeigt, dass niemand vor langlebigen Schadstoffen sicher ist. Initiiert vom dänischen Ministerium für Umwelt und Geschlechtergerechtigkeit und durchgeführt vom Europäischen Umweltbüro (EEB) und ChemSec, demonstriert die Studie bei allen getesteten Politiker*innen Nachweise von PFAS. Und zwar teils in Konzentrationen, die gesundheitliche Risiken nicht ausschließen. Alle 24 getesteten EU-Führungskräfte aus 19 Ländern, darunter die EU-Umweltkommissarin Jessika Roswall und der deutsche Umweltminister Carsten Schneider, haben PFAS im Blut. Bei der Hälfte lagen die Werte über dem europäischen Gesundheitsreferenzwert (6,9 Nanogramm pro Milliliter [ng/ml] für die Summe von PFOA, PFNA, PFHxS und PFOS). Die höchsten Konzentrationen lagen bei 17,19 ng/ml PFOS – ein Stoff, der in Europa seit 2008 reguliert ist.
Chemische Verschmutzung als Ursache für Gesundheitskrise bei Männern
Die Health and Environment Alliance (HEAL) warnt, dass die tägliche Exposition gegenüber schädlichen Chemikalien – aus Kunststoffen, Pestiziden und Umweltverschmutzung – eine Gesundheitskrise bei Männern in ganz Europa verschärft. Die Studie Chemical pollution and men’s health: a hidden crisis in Europe zeigt, dass Umweltverschmutzung nicht nur für die am stärksten gefährdeten Personen wie Kinder, ältere Menschen und Schwangere gefährlich ist, sondern auch für Männer. Phthalate, Bisphenole und Mikroplastik seien in fast jedem Menschen zu finden, wobei einige Expositionswerte die gesundheitsbezogenen Sicherheitsgrenzwerte überschreiten. Forscher hätten sogar Mikroplastik im menschlichen Blut und im Hodengewebe nachgewiesen. Deutschland zähle zu den am stärksten von Hodenkrebs betroffenen Ländern Europas mit einer Inzidenz von 10,3 pro 100.000 – der sechsthöchsten in der EU – und einer Prostatakrebsrate von 154,1 pro 100.000, womit es im Mittelfeld der EU-Länder liegt. In den letzten 30 Jahren sind außerdem die gesundheitlichen Auswirkungen der männlichen Unfruchtbarkeit um 55 Prozent gestiegen, was einen Anstieg der Anzahl gesunder Lebensjahre widerspiegelt, die Männer aufgrund der physischen, emotionalen und sozialen Auswirkungen dieser Erkrankung verlieren.
Aktiv werden: Giftfreies Europa jetzt!
“We Move Europe” ruft in einer Petition dazu auf, sich für ein giftfreies Europa bis 2030 einzusetzen und gegen menschengemachte, giftige Chemikalien in der Umwelt vorzugehen. Die Überarbeitungen der EU-Chemikalien Verordnung REACH müssen fortgesetzt und die Ziele der EU-Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit eingelöst werden. Auch die schrittweise Abschaffung von PFAS und eine Überarbeitung der EU-Produktpolitik werden gefordert, damit die schädlichsten Chemikalien in Konsumgütern und für gewerbliche Zwecke aus dem Verkehr gezogen werden. [jg]
BUND: Trinkwassertests von BUND-Aktiven: In 42 von 46 Stichproben wurden PFAS nachgewiesen
Häusling: PFAS-Pestizide: Bedrohung für Gesundheit und Umwelt - Ewigkeitsgifte in unserer Nahrungskette
EEB: EU leaders contaminated with PFAS “forever chemicals”
HEAL: Chemical pollution driving men’s health crisis – stronger EU action needed
Allianz für kritische Chemikalien sucht Mitstreiter*innen
Die EU-Kommission will gemäß ihrem Aktionsplan für Chemikalien die Unabhängigkeit bei der Versorgung mit wichtigen Chemikalien stärken und hat Ende Oktober eine Allianz für kritische Chemikalien gegründet. Die neue Industrieallianz steht allen in der chemischen Industrie tätigen Organisationen offen, darunter Unternehmen, Verbände, Investoren, Forschungseinrichtungen und Zivilgesellschaft. Interessierte Organisationen können sich online bewerben, indem sie die Erklärung der Allianz unterzeichnen und sich damit verpflichten, aktiv zu deren Zielen beizutragen.
Pressemitteilung EU-Kommission


