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Neue Studien zur Agrarpolitik: Betrug, Mängel und Alternativen
EU-News | 07.07.2022
#Landwirtschaft und Gentechnik

Neue Studien zur Agrarpolitik: Betrug, Mängel und Alternativen

Hand mit Geld
© AdobeStock/VAKSMANV

Betrugsfälle bei der Gemeinsamen Agrarpolitik. Das "Greening" wurde teuer erkauft und brachte kaum Verbesserungen für die Umwelt. Verbesserungsvorschläge für den Biodiversitätsschutz von über 300 Wissenschaftler*innen. Der Nutzen von Big Data im Landbau und Kohlenstoff-Speicherung in Böden. Diese Woche gab es zahlreiche neue Erkenntnisse zur Landwirtschaft.

Rechnungshof: GAP-Betrug an der Wurzel anpacken

Am 4. Juli veröffentlichte der Europäische Rechnungshof (ECA) einen Sonderbericht zu Betrug in der europäischen Agrarförderung. Darin betonen die Prüfer*innen, dass die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) besonders anfällig für Betrug sei. Schon im Titel des Berichts wird der Handlungsbedarf betont: es sei „an der Zeit, das Problem an der Wurzel anzugehen“. Der Bericht soll EU-Kommission und den Mitgliedstaaten dabei helfen, Betrugsrisiken zu identifizieren und deren Bekämpfung auszubauen.

Die Agrarsubventionen sind der größte Einzelposten des EU-Haushalts. Der Rechnungshof untersuchte die Ausgaben des Zeitraums 2007–2013 sowie 2014–2020. Laut Bericht habe die Kommission auf einige Fälle von Betrug reagiert. Allerdings seien stärkere Anstrengungen nötig, um bewusste Täuschung, Verschleierung und das Ausnutzen von Schwachstellen der GAP-Förderung besser einzudämmen. Insbesondere hinsichtlich des Risikos der „illegalen Landnahme“, beim Monitoring der Anti-Betrugsmaßnahmen der Mitgliedstaaten und bei der Anwendung neuer Technologien sei die Kommission bislang nicht ausreichend aktiv gewesen. Die größten Betrugsrisiken beträfen die Vertuschung von Verstößen gegen Förderbedingungen, die Komplexität von Regelungen und rechtswidrige Formen der Landnahme. Je komplexer die Regelungen, umso anfälliger seien sie für Betrug. Das Spektrum der betrügerischen Praktiken, die „illegale Landnahme“ umfassen, reiche von vorgetäuschten landwirtschaftlichen Maßnahmen, illegaler Aneignung von Flächen, über Nutzung von Insiderwissen, Manipulation von Verfahren und Einflussnahme bis zu Urkundenfälschung und Zwang. So gebe es Fälle, bei denen Agrarflächen teilweise illegal erworben werden, um die Agrarzahlungen zu kassieren, ohne dass darauf überhaupt Landwirtschaft betrieben wird. Ein besonders hohes Risiko zum Betrug bestehe auch bei Investitionen zur Entwicklung des ländlichen Raums. Der Rechnungshof empfiehlt der Kommission, ihre Bewertungsmaßstäbe zu überprüfen, wirksame Maßnahmen zur Betrugsbekämpfung einzuleiten und neue Technologien für die Überwachung der Zahlungen einzusetzen.

UBA: „Greening“ gar nicht so grün

Eine aktuelle Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA) kommt zu dem Schluss, dass das sogenannte „Greening“ im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik kaum Verbesserungen für die Umwelt brachte. Laut Bericht wurden die geringen ökologischen Fortschritte hingegen unverhältnismäßig teuer erkauft; unter Einsatz erheblicher öffentlicher Mittel. Denn jedes Jahr zahlt die europäische Union 1,5 Milliarden Euro für die Greening-Maßnahmen an die Landwirtschaft. Die Kosten für die Betriebe betrugen allerdings nur 190 Millionen Euro: lediglich ein Achtel der ausgezahlten Mittel. Für die Studie wurden Daten der Agrarstrukturerhebung, des Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems der Bundesländer Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sowie der Bodennutzungshaupterhebung verwendet.

Das „Greening“ wurde für die Förderperiode von 2014-2022 eingeführt, um die negativen Umweltwirkungen der Landwirtschaft zu reduzieren. Die Studie zeigt, dass geringfügige Verbesserungen erreicht wurden: Der jahrelange Rückgang von ökologisch wertvollen Flächen wurde gebremst und Brachflächen nahmen wieder etwas zu. Außerdem habe die Dauergrünlandfläche nach einer drastischen Abnahme von 0,5 Millionen. Hektar seit 1999, zwischen 2014 und 2019 wieder um ca. 130.000 Hektar zugenommen. Jedoch habe sich die Vielfalt der Ackerkulturen nicht geändert und auch das Umweltrisiko durch Pestizide habe nur minimal abgenommen. Zudem wurden Maßnahmen, die einen besonders großen ökologischen Nutzen hätten, wie Brachen und Blühstreifen, nicht ausreichend umgesetzt.  

Verbesserungsvorschläge aus der Wissenschaft

Mit der Einhaltung von sechs Grundsätzen ließe sich die Gemeinsame Agrarpolitik deutlich verbessern. Zu diesem Ergebnis kommen über 300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 23 EU-Ländern, die ihre Empfehlungen im Rahmen von Konsultationen im Auftrag der Europäischen Kommission gaben. In einer Studie, die aus diesen Konsultationen hervorging, skizzieren die Wissenschaftler*innen Prinzipien, bei deren Einhaltung der Rückgang der biologischen Vielfalt in der Agrarlandschaft aufzuhalten sei: Schutz extensiven Grünlands, Belohnung von Multifunktionalität, Verbesserung der Raumplanung, koordinierte Umsetzung von Maßnahmen, ergebnisorientierte Ansätze und verbesserten Wissensaustausch. Begleitet werden sollten die Grundsätze von mehrjährigen Vereinbarungen und progressiven Zahlungssystemen. Gerade die geplanten Öko-Regelungen sollten besser für den Biodiversitätsschutz genutzt werden. Auch sei eine verbesserte Einbeziehung der Wissenschaft nötig, um die Agrarpolitik evidenzbasiert auf den Schutz der Artenvielfalt auszurichten.

Rechnungshof: Daten besser nutzen

Um bei der Entscheidungsfindung in der Agrarpolitik wissensbasiert handeln zu können, sollte auch das Potenzial von Big Data besser ausgeschöpft werden. Zu diesem Ergebnis kommt ein weiterer Bericht des Europäischen Rechnungshofs. Obwohl der EU-Kommission umfassende Datensätze zu Gestaltung, dem Monitoring und der Bewertung der GAP vorliegen, würden wichtige Informationen fehlen. Der Rechnungshof stellte außerdem fest, dass vorhandene Daten nicht optimal genutzt werden und weiterhin Hindernisse bestehen, die verfügbaren Daten für die effektive Politikgestaltung zu nutzen. In dem Bericht gab der ECA verschiedene Empfehlungen, wie die Daten aus der Landwirtschaft besser verarbeitet werden könnten.   

EU-Parlament: Kohlenstoff-Speicherung im Boden

Welchen Beitrag kann die Landwirtschaft bei der Festlegung von Kohlenstoff in landwirtschaftlich genutzten Böden liefern? Diese Frage untersucht eine Studie im Auftrag des Agrarausschusses des EU-Parlaments. Darin wird davon ausgegangen, dass die Reduktion landwirtschaftlicher Treibhausgasemissionen nicht ausreicht, um Klimaneutralität des Sektors zu erreichen. Stattdessen sei auch die Bindung von Kohlenstoff in Böden für die Zielerreichung notwendig. Neben den Mengen an in Böden gespeicherten Kohlenstoffs untersucht die Studie landwirtschaftliche Praktiken, die zur Minderung der Treibhausgase, Kohlenstoff-Festlegung und zum Humusaufbau beitragen. Darunter: Begrünung und Zwischenfruchtanbau, verminderte Bodenbearbeitung, Mischkulturen, Ausbringen von Kompost, Pflanzenkohle und Präzisionslandwirtschaft. Auch kohlenstoffspeichernde Landbausysteme wie Ökolandbau, regenerative Landwirtschaft, Agroforst und Paludikulturen werden betrachtet. [bp]

Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofs zu Betrug im Bereich der GAP

Analyse des Umweltbundesamtes zum Greening

Empfehlungen aus der Wissenschaft: GAP besser für den Biodiversitätsschutz nutzen

Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofs zu Big Data in der Agrarpolitik

Studie zu Kohlenstoffspeicherung in der Landwirtschaft

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