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Noch keine Chefsache: Schutz biologischer Vielfalt
EU-News | 25.05.2022
#Biodiversität und Naturschutz

Noch keine Chefsache: Schutz biologischer Vielfalt

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c. Pixabay

Wackelt das UN-Abkommen über biologische Vielfalt? Die Umsetzung kommt jedenfalls international und in Europa nicht schnell genug voran, kritisieren Nichtregierungsorganisationen. Laut Statistik steht in der EU durchschnittlich immerhin ein Viertel der Fläche unter Schutz, allerdings geht es bei der Renaturierung nicht gut voran. Außerdem: Biomasse und ein bisschen Bodenschutz.

UN-Abkommen über biologische Vielfalt: COP15 doch nicht in China?

Anlässlich des Tages der Artenvielfalt am 20. Mai haben zahlreiche Umweltverbände auf die Krise der biologischen Vielfalt und das sechste Massenaussterben aufmerksam gemacht sowie die stockenden Verhandlungen zum UN-Abkommen für Biodiversität (CBD) kritisiert.

Laut Medienberichten vom letzten Freitag (Artikel Guardian) ist die chinesische Delegation in der CBD-Präsidiumssitzung gerügt worden, weil immer noch nichts Genaues für die 15. Vertragsstaatenkonferenz des UN-Abkommens über biologische Vielfalt (CBD COP15) Ende August feststeht. Wegen erneuter Ausbrüche von Corona und scharfer Lockdowns in China sei eine Durchführung fraglich, weshalb auch nach neuen Veranstaltungsorten gesucht werde. Der Guardian zitiert einen Avaaz-Sprecher, der kritisierte, dass China die „falsche Botschaft“ aussendet, wenn die „ökologische Notlage“ nicht anerkannt und die COP15 immer und immer wieder verschoben werde. Eine der nächsten Gelegenheiten, den Prozess voranzubringen, ist das 4. Treffen der open-ended Working group vom 21.-26. Juni in Nairobi, Kenia (CBD-Termineseite).

Ein breites Wissenschaftsbündnis hat letzte Woche in einer „Berliner Erklärung” Deutschland dazu aufgerufen, der besonderen Verantwortung der G7-Präsidentschaft bei der Bekämpfung der Zwillingskrise von Klima und Artensterben gerecht zu werden. Der derzeit für Ende August geplante Weltnaturgipfel (CBD COP15) biete „die historische Gelegenheit einer dringend notwendigen Trendumkehr zugunsten von mehr Klima- und Biodiversitätsschutz”. Das Positionspapier enthalte konkrete Handlungsempfehlungen mit naturbasierten Lösungen als einem wesentlichen Schlüssel zum Erfolg.

Auch der WWF mahnte zu mehr internationaler Kraftanstrengung. Die 2010 im japanischen Aichi vereinbarten internationalen Naturschutzziele hätten bis 2020 erfüllt werden müssen, seien aber durchweg verfehlt worden. Laut Weltbiodiversitätsrat (IPBES) könne eine Umkehr des Biodiversitätsverlustes bis 2030 erreicht werden, wenn es einen schnellen und gesamtgesellschaftlichen Wandel, vor allem die Transformation unserer Wirtschafts- und Finanzsysteme hin zu einer nachhaltigen Produktions- und Konsumweise umfasse. WWF-Naturschutzvorstand Christoph Heinrich urteilte: „Bei der Umsetzung der Konvention für die Biologische Vielfalt hat die Welt bisher vollkommen versagt.“ Das Artensterben gefährde weiter Gesundheit, Wohlstand, Sicherheit – „ja unsere gesamte Lebensgrundlage“. Die Staatengemeinschaft müsse im August im chinesischen Kunming bei der mehrfach verschobenen CBD-Weltnaturkonferenz einen globalen Rahmen schaffen, um das Artensterben bis 2030 zu stoppen.

#RestoreNature: Europas Schutzgebiete wachsen, aber Renaturierung stockt

Auf EU-Ebene ist das Naturwiederherstellungsgesetz wiederholt verschoben worden, obwohl auch in Europa das Artensterben rasant voranschreitet. Dabei könnte das EU Restauration Law die „Chance des Jahrzehnts für Biodiversität und Klimaschutz“ sein, schrieb Laura Hildt vom Europäischen Umweltbüro EEB schon im letzten Dezember (Gastartikel). Da hofften Umweltverbände noch auf eine Veröffentlichung im März 2022. Nun soll das lang erwartete EU-Renaturierungsgesetz am 22. Juni kommen (EU-News 28.04.2022). Umweltverbände rufen auf, sich der Kampagne #RestoreNature anzuschließen, in der Natur verbrachte Kilometer zu dokumentieren und damit die Forderung, zerstörte Ökosysteme EU-weit wiederherzustellen, zu verbinden.

Immerhin – so meldete es die Europäische Statistikbehörde Eurostat anlässlich des Natura-2000-Tages am 21. Mai – verfüge die EU über „das weltweit größte koordinierte Netz von Schutzgebieten“. Es bestehe aus rund 27.000 Land- und Meeresgebieten, die im Rahmen der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie und der Vogelschutz-Richtlinie geschützt sind. Darüber hinaus haben die EU-Mitgliedstaaten große Teile ihres Hoheitsgebiets im Rahmen nationaler Schutzprogramme geschützt, mit Stand 2021 waren das rund 1,1 Millionen Quadratkilometer der Landfläche. Dies entspreche mehr als einem Viertel (26 Prozent) der gesamten EU-Landfläche, allerdings regional stark verteilt. Der höchste Anteil an geschützter Landfläche, nämlich 52 Prozent, bestehe in Luxemburg, der niedrigste in Finnland mit 13 Prozent. Bulgarien und Slowenien haben 41 Prozent ihrer Fläche unter Schutz gestellt. Die Umweltzerstörung sei „eine existenzielle Bedrohung für Europa und die Welt“, so Eurostat.

Biomasse-Entscheidung als „historischer Durchbruch“: Verbrennen von Wäldern nicht erneuerbar

Die in der letzten Woche im Umweltausschuss des EU-Parlaments getroffene Entscheidung (EU-News 18.05.2022) über eine neue Definition für primäre holzartige Biomasse im Rahmen der Richtlinie über erneuerbare Energien (RED), mit der „das Abbrennen von Wäldern“ nicht mehr als erneuerbar gefördert werden soll, hat die Waldschutzorganisation FERN als „historischen Durchbruch“ bezeichnet. Die Abstimmung muss allerdings noch vom Plenum bestätigt werden, was voraussichtlich im September stattfindet. Primäre holzartige Biomasse - im Wesentlichen unverarbeitetes Holz – soll demnach nicht mehr auf die Ziele der Mitgliedstaaten für erneuerbare Energien angerechnet werden oder für RED-Anreize in Frage kommen. Abgesehen von einigen Ausnahmen bedeute dies laut FERN, dass es keine direkten öffentlichen Finanzhilfen mehr gibt, dass die Kohlendioxidemissionen aus der Verbrennung von Holz nicht mehr als Null angerechnet werden und dass die aus primärer holziger Biomasse erzeugte Energie keinen Zugang mehr zu neuen „grünen“ Finanzierungen im Rahmen der EU-Taxonomie hat. FERN fordert, dass die „Ausnahmen“ wie Holzentnahmen als Brandverhütungsmaßnahme oder zur Krankheitsvorsorge nicht als Vorwand genutzt werden dürfen, Abholzungen selbst von Primärwäldern durchzuführen wie in Polen und British Columbia bereits geschehen.

Bodenschutz - Gartenerde ohne Torf als EU-Strategie?

Beim Landwirtschaftsrat am 24. Mai hat die deutsche Regierung einen Vorschlag zum Boden- und Moorschutz eingebracht, in dem die EU-Kommission „eingeladen“ wird, eine EU-Strategie zur Verringerung von Torf in Gartenerde vorzulegen. Die slowakische Delegation unterrichtete den Rat außerdem über den Workshop mit dem Titel "Dialog
über die Zukunft des Bodenschutzes in der EU und sein Potenzial als Beitrag zur Erreichung der Ziele des Grünen Pakts für Europa", der am 27. April in Brüssel stattfand. Der Dialog habe deutlich gemacht, dass ein ehrgeizigerer und harmonisierter Ansatz für den Bodenschutz und seine Einbeziehung in andere Politikbereiche und Strategien sowie ein europäischer Rechtsrahmen notwendig seien. [jg]

Museum für Naturkunde: Berliner Erklärung: Für die Zukunft der Menschheit

WWF: „Die Welt hat bisher vollkommen versagt“

Eurostat: Protected areas: over a quarter of EU land

FERN: Historic vote on no longer burning trees for energy needs to be defended

Ergebnisse Landwirtschaftsrat (engl.) und Vorausschau (frz.)

Gratulation: Preise für DNR-Mitgliedsverbände!

Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher gewinnt Natura-2000-Preis. Letzte Woche hat der EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius die Gewinner der Natura-2000-Auszeichnung 2022 bekanntgegeben. Zu den Gewinnern gehört auch eine Smartphone-App für Hobby-Höhlenforscher die unter Leitung des Verbands der deutschen Höhlen- und Karstforscher aus Deutschland entwickelt wurde, mit grenzüberschreitender Beteiligung aus der Österreich, Luxemburg und der Schweiz. Weiterlesen

WWF bekommt Lotto-Mittel für Flussschutz. Die „Traumtaler“ der Deutschen Postcode Lotterie im Wert von über 1,5 Millionen Euro gehen an ein WWF-Projekt zur Renaturierung von Flüssen. Durch die Beseitigung von Querbauwerken sollen Flusslebensräume wieder miteinander vernetzt werden. Weiterlesen

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