Reparaturkultur: Deutschland hat Nachholbedarf

Im internationalen Vergleich hinkt Deutschland beim Ressourcensparen durch Reparieren hinterher. Das ergab eine Studie des Nürnberg Instituts für Marktentscheidungen (NIM). Die Autoren ermittelten, wie Verbraucher*innen in sieben Ländern über Reparaturen denken.
Seit Ende Juni 2025 gilt die neue EU-Ökodesign-Verordnung. Sie verpflichtet Hersteller zu mehr Langlebigkeit und besserer Reparierbarkeit ihrer Produkte. Ziel ist es, Elektroschrott zu verringern und Verbraucher*innen beim nachhaltigen Konsum zu unterstützen. Eine internationale Studie des Nürnberg Instituts für Marktentscheidungen (NIM) zeigt jedoch: Deutschland liegt in Sachen Reparaturkultur deutlich zurück. Dabei wünschen sich 78 Prozent der deutschen Konsument*innen, dass Elektrogeräte künftig leichter instandgesetzt werden können. Außer in Deutschland wurde die Befragung in Österreich, Frankreich, Italien, Polen, Großbritannien und den USA durchgeführt.
Die EU-Verordnung setzt auf mehr Umwelt- und Klimaschutz durch langlebigere Produkte. Verbraucher*innen sollen künftig schon beim Kauf durch das Label über Lebensdauer und Reparierbarkeit informiert werden. Damit das Label Wirkung entfaltet, ist entscheidend, dass Konsument*innen aktiv nach reparaturfreundlichen Geräten fragen.
Die NIM-Studie macht aber deutlich: In Deutschland ist die Reparaturpraxis schwach ausgeprägt. Nur 41 Prozent der Verbraucher*innen ließen im vergangenen Jahr ein Elektrogerät reparieren – der niedrigste Wert unter den sieben untersuchten Ländern. In Italien waren es dagegen 61 Prozent.
Gründe gegen Reparaturen
Hauptgrund für unterlassene Reparaturen sind die hohen Kosten – in allen Ländern. Verbraucher*innen akzeptieren durchschnittlich nur Reparaturpreise von maximal 20 Prozent des Neupreises. An zweiter Stelle steht der empfundene Aufwand: Während in Italien nur 10 Prozent der Befragten diesen als zu hoch empfinden, sind es in Deutschland 30 Prozent. Der Wunsch nach einem neueren Modell oder Bedenken zur Reparaturqualität spielen dagegen eine eher geringe Rolle.
Das Potenzial für die Entscheidung, reparieren zu lassen, ist groß: 78 Prozent der Deutschen fordern besser reparierbare Geräte, fast ebenso viele (77 Prozent) wünschen sich staatliche Unterstützung. Viele sehen Hersteller und Händler in der Pflicht, etwa durch eine bessere Ersatzteilversorgung, längere Gewährleistungsfristen oder eine Reparaturpflicht. Ein Drittel der befürwortenden Personen hält auch das neue EU-Label für hilfreich, möchte sich aber nicht allein auf das Verbraucherverhalten verlassen.
Welche Rolle spielt die Reparierbarkeit beim Smartphone-Kauf?
Beim Kauf eines Smartphones stehen für die meisten Verbraucher*innen nach wie vor Faktoren wie Akkulaufzeit, Preis und Speicherkapazität im Vordergrund. Die Reparierbarkeit eines Geräts spielt dagegen bislang nur eine untergeordnete Rolle. Das mag sich ändern, weil seit Juni 2025 bei Neukauf ein Reparierbarkeitsindex am Gerät zu finden ist. Auch andere Hinweise auf eine längere Nutzungsdauer – wie eine erweiterte Garantie oder regelmäßige Software-Updates – werden nur von wenigen als entscheidend betrachtet.
Ein internationaler Vergleich zeigt jedoch: Dort, wo Reparierbarkeit beim Kauf stärker berücksichtigt wird, lassen sich auch höhere Reparaturquoten beobachten. Besonders auffällig ist auch hier Italien: 60 Prozent der Befragten gaben an, dass ihnen die Reparierbarkeit beim Smartphone-Kauf wichtig war – der Spitzenwert unter allen Ländern. Gleichzeitig ließen dort in den vergangenen zwölf Monaten 26 Prozent ihr Gerät mindestens einmal reparieren. Am anderen Ende der Skala liegen Deutschland und Österreich: In beiden Ländern wird beim Kauf am seltensten auf Reparierbarkeit geachtet, und entsprechend selten werden Smartphones instandgesetzt

Die meisten Verbraucher*innen sind sich allerdings einig: Wäre die Reparierbarkeit beim Kauf leichter erkennbar, etwa durch ein eindeutiges Label, würde sie auch eine größere Rolle spielen. Das gilt selbst für jene, die sich beim letzten Smartphone-Kauf kaum oder gar nicht mit diesem Aspekt befasst haben. Am stärksten verbreitet ist diese Einschätzung erneut in Italien, am schwächsten in Deutschland.
Die NIM-Studie zeigt, wie wichtig die Kosten für Reparatur und gut erklärte Informationen über Reparierbarkeit der Geräte für die Entscheidungsfindung von Verbraucher*innen sind. Deswegen fordert der Runde Tisch Reparatur
- Ein wirksames Reparaturgesetz mit breitem Anwendungsbereich
- Faire Ersatzteilpreise
- Die Förderung einer Reparaturkultur
- Herstellerfinanzierte Reparaturförderung
- Zugang zu Altgeräten und gebrauchten Ersatzteilen
- Nachwuchssicherung im Reparatursektor
Die Reparaturkultur hat in Deutschland Entwicklungspotenzial. Der Runde Tisch Reparatur setzt sich dafür ein, dieses Potenzial zu heben, sowohl auf der Angebotsseite als auch auf der Nachfrageseite. Wenn Dinge kaputt gehen oder nicht mehr „rund laufen“, sollte der erste Gedanke sein: Wie bekomme ich das wieder flott? Oder: Wer hilft mir, das zu reparieren? Das ist mit Reparaturkultur gemeint. Notwendig sind Informationen darüber, wo Reparatur stattfindet oder Hilfe zur Selbsthilfe möglich ist. Gleichzeitig braucht es Anreize wie Reparatur-Boni, Werkstattnetzwerke und Bildungsangebote, die Reparieren wieder zu einem selbstverständlichen Teil des Alltags machen.
Die Autorin
Dörte Heimann ist Geschäftsführerin des Runden Tischs Reparatur - in Elternzeitvertretung von Katrin Meyer.
Der Artikel ist in leicht veränderter Form als Blog-Beitrag hier erschienen.
Das DNR-Mitglied Runder Tisch Reparatur setzt sich seit zehn Jahren gemeinsam mit seinen Partnern auf nationaler und europäischer Ebene für ein universelles Recht auf Reparatur ein.