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Schwammlandschaften speichern Wasser
News | 21.07.2025
#Biodiversität und Naturschutz #Klima und Energie

Schwammlandschaften speichern Wasser

Bachlauf am Stadtrand. Am Ufer wächst üppiges Grün.
© AdobeStock/mickis_fotowelt
Ein Bach windet sich am Stadtrand in seinem natürlichen Lauf

Der Begriff Schwammstadt ist seit seiner Einführung 2015 mittlerweile in aller Munde. Städte wollen zu Schwammstädten werden, entwickeln Konzepte und setzen diese langsam, aber schrittweise um. Der Klimawandel erfordert indes einen Blick über die Stadtgrenze hinaus in die (Schwamm-)Landschaft. 

Von Arno Walz, bgmr Landschaftsarchitekten

Es braucht einen Perspektivwechsel beziehungsweise eine Perspektiverweiterung: Was passiert an den Rändern der Stadt, wie wirkt Landschaft klimatisch in die Stadt, wofür brauchen Städte intakte Schwammlandschaften? Landschaften an den Rändern der Stadt wirken für die Stadt und in die Stadt. Die Landschaften der Ränder sind Naherholungsräume, erfüllen ein Natur- und Kulturversprechen des Landes im urbanen Kontext, sind ökologischer Ausgleichsraum, produzieren Kaltluft und halten den Starkregen zurück, wenn sie denn Eigenschaften der Schwammlandschaften haben. Die „Zwischenlandschaften“, wie sie von dem Stadtplaner Tom Sieverts beschrieben wurden, sind dies auf jeden Fall nicht. 

Die landwirtschaftlichen Flächen wurden drainiert, Senken und Feuchtwiesen trockengelegt, Bäche begradigt. Entwässerungsgräben sorgen für den schnellen Abfluss. Flurbereinigung im Westen und die Melioration (Maßnahmen zur Verbesserung der Bodenqualität; die Red.) im Osten haben systematisch für die schnelle Ableitung des Regenwassers gesorgt und Landschaft trockengelegt. Die natürliche Wasserbilanz ist in unseren Landschaftsräumen schon lange nicht mehr anzutreffen. Daraus folgt: Der Stadtentwicklung muss bewusst werden, dass sie Interesse an den Landschaften an den Rändern der Städte hat.

Arno Walz, bgmr Landschaftsarchitekten
Die Landschaften der Ränder sind Naherholungsräume, ökologischer Ausgleichsraum, produzieren Kaltluft und halten den Starkregen zurück, wenn sie denn Eigenschaften der Schwammlandschaften haben.
Arno Walz, bgmr Landschaftsarchitkekten
Geschäftsführender Gesellschafter

An den Rändern der Stadt haben wir es mit anderen Akteuren zu tun, die mit der Stadt wenig zu tun haben, von denen aber viel verlangt wird. Wir wollen von der Land- und Forstwirtschaft, von den Wasser- und Landwirtschaftsämtern sowie Wasser- und Bodenverbänden der Nachbarkommunen, dass Konzeptbausteine der Schwammlandschaft umgesetzt werden. Das erfordert neue, bisher wenig geübte Formen der Zusammenarbeit, um mit begrenzten Mitteln Maßnahmen und Projekte umzusetzen und vor allem um in die Fläche zu kommen.

Grafik Schwammlandschaft

Wie gelingt es, Schwammlandschaften zu entwerfen? 

Die Landschaft hat anders als die Stadt, der Hochbau oder Freianlagen keine Architekt*in, Landschaftsarchitekt*in, Planer*in oder Bauherrschaft. Landschaft wird von einer Vielzahl an Akteuren, die mit und in der Landschaft arbeiten und diese nutzen, einfach gemacht und gestaltet. Es bedarf daher vielfältiger und differenzierter Ansätze, um diese Räume Stadt-Land-übergreifend und interkommunal zu gestalten. 

(Abbildung: Perspektiverweiterung: die Landschaften an den Rändern der Städte als gemeinsamer Ausgangspunkt für interkommunale Planungen/Grafik bgmr)

 

Fünf Vorschläge zu Planungsprozess, Instrumentenkasten, Förderung, Entwurf und Umsetzung 

  • Mit regionalen Stadt-Umland-Konzepten werden regionale Zukunftsaufgaben, interkommunale Handlungsbedarfe und Maßnahmen identifiziert. Gemeinsam haben sich die Städte Niederkassel, Köln und Troisdorf mit dem Projekt Metro-Klima-Lab der Frage gestellt, wie ein 47 Quadratkilometer großer Landschaftsraum modellhaft mit übertragbaren Ansätzen klimafit weiterentwickelt werden kann. Das Handlungskonzept und die darin vorgeschlagenen Maßnahmen wird zeigen auf, wie die regionale Eigenvorsorge in Bezug auf den Klimawandel und die Klimaanpassung aus der Perspektive der Landschaft heraus systematisch und gekoppelt mit den Zielen einer nachhaltigen Entwicklung gestärkt werden kann.
  • Für die Schwammstadt wurden in den letzten Jahren Leitfäden, Konzepte und Toolboxen erarbeitet. Für die Schwammlandschaften steht diese Toolbox noch aus. Das Regelwerk Merkblatt DWA-M 550 „Dezentrale Maßnahmen zur Hochwasserminderung“ aus dem Jahr 2015 zeigt etliche Maßnahmen auch für die Landschaft auf, ist aber nicht mit den Planverfahren der Stadtentwicklung und Landschaftsplanung verknüpft. Eine Toolbox Schwammlandschaften mit direktem Bezug zu den Instrumenten der Stadt- und Landschaftsplanung wäre hilfreich.
  • Es braucht Schwammlandschaftskonzepte, um Maßnahmen zu verorten, die Wechselbeziehungen herauszuarbeiten, hohe Wirksamkeiten zu identifizieren, die Akteure in der Landschaft mitzunehmen und Umsetzungskonzepte zu entwickeln. Die Stadt Münster, die 2014 durch einen Starkregen erheblich betroffen war, hat für das Kinderbachtal am nordwestlichen Stadtrand ein integriertes Freiraumentwicklungskonzept erarbeiten lassen. Eine der zentralen Botschaften dieses Konzepts ist: Wasser in der Landschaft zu halten!
  • Auch bei den Förderstrategien der Stadtentwicklung gibt es noch Luft nach oben für Schwammlandschaften. Die Städtebauförderung bezieht sich auf Stadtquartiere mit einem besonderen Handlungsbedarf. Das Fördergebiet wird abgegrenzt, Maßnahmen dürfen allerdings nur in dieser Kulisse gefördert werden. Wenn Starkregen von den Rändern der Landschaft in diese Gebiete strömt, wird es mit der Ursachenbekämpfung schwierig. Mit dem eingestellten Städtebauförderprogramm „Zukunft Stadtgrün“ konnte Wiesbaden die von Überflutungen betroffene Innenstadt um die Wassereinzugsgebiete der landschaftlichen Täler im Oberlauf einbeziehen und so Maßnahmen der Schwammlandschaft planen.
  • Der Gewässerumbau erfordert schnell aufwendige Planverfahren mit Planfeststellung und Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). Hier ist der Gesetzgeber gefordert, Planverfahren zu vereinfachen. Nach einer Vorprüfung von Gewässerumbaumaßnahmen, die nachweislich überwiegend positive Effekte auf Natur und Landschaft haben, sollte, wenn nicht andere Gründe dagegensprechen, auf Planfeststellung und UVP verzichtet werden. Eine Planfeststellung light wird für die Entwicklung von Schwammlandschaften vorgeschlagen. 

Es ist Zeit, mutig zu handeln

Das Schwammlandschaftsprinzip zielt nicht nur auf die Überflutungs- und Überschwemmungsvorsorge ab, sondern bezieht auch die Hitze- und Dürrevorsorge, CO₂-Speicherung, Biodiversität und Stützung der Kleingewässer und Feuchtgebiete ein. Wie immer geht es bei der Entwicklung von Schwammlandschaften um Strategien der Multicodierung, also der Mehrfachnutzung von (urbanen) Freiräumen. Denn bei den vielfältigen Ansprüchen an die knappen Ressourcen Fläche, Boden und Wasser müssen wir mehr überlagern und verknüpfen. Damit das Schwammlandschaftsprinzip in die Fläche kommt, müssen wir radikaler werden.

Der Autor

Arno Walz ist Stadtplaner und einer der geschäftsführenden Gesellschafter von bgmr Landschaftsarchitekten GmbH. Seine Arbeitsschwerpunkte sind konzeptionelle und strategische Planungen im Bereich der Stadt- und Freiraumentwicklung und in der Entwicklung von Konzepten für Städte, Landschaftsräume und Stadtquartiere – mit einem Fokus auf Klimaanpassung und Regenwassermanagement.

Der Beitrag ist eine gekürzte Fassung des Artikels, der in Ausgabe 1/2025 der Verbandszeitschrift des Bunds Deutscher Landschaftsarchitekt*innen erschienen ist.

 

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