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„Wir brauchen wieder ein Bewusstsein dafür, dass Wasser nicht unbegrenzt verfügbar ist“
News | 21.07.2025
#Klima und Energie

„Wir brauchen wieder ein Bewusstsein dafür, dass Wasser nicht unbegrenzt verfügbar ist“

Wasserhahn, aus dem Wasser in Glas fließt
© AdobeStock
Trinkwasser aus der Leitung hat höchste Qualität und schmeckt gut

Jeden Tag verbraucht ein Mensch in Deutschland durchschnittlich 126 Liter Trinkwasser – für Körperpflege, Kochen, Trinken, Wäschewaschen oder die Toilettenspülung. Rechnet man die Menge hinzu, die etwa für die Lebensmittelproduktion genutzt wird, sind es sogar mehr als 7.000 Liter. Damit angesichts der Klimakrise auch künftig das frische Nass aus dem Hahn fließt, empfiehlt Durmuş Ünlü einen sorgsamen Umgang mit der knappen Ressource.

Interview mit Durmuş Ünlü, Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft (AöW)

Wasser ist ein Menschenrecht. Das hat die UNO-Vollversammlung vor 15 Jahren anerkannt. Was bedeutet das für die Wasserwirtschaft hierzulande?

Das bedeutet, dass Unternehmen der Wasserver- und -entsorgung eine besondere Verpflichtung haben gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, aber auch insgesamt gegenüber der Allgemeinheit, also auch gegenüber Gewerbetreibenden und der Industrie. Gegenüber allen, die von den Leistungen der öffentlichen Wasserwirtschaft abhängig sind. Und es bedeutet eine Verantwortung gegenüber unseren Gewässern, und damit auch gegenüber der Umwelt und Natur. Das heißt, nicht nur im Hinblick auf die nächsten Jahre zu handeln, sondern generationsübergreifend, damit unsere Wasserressourcen und was alles dazu gehört – also ein intakter Wasserhaushalt –, erhalten werden. Das Menschenrecht auf Wasser darf man nicht zu eng auslegen als eine reine technische Versorgung mit Wasser und dem Zugang zu Sanitäranlagen, es hat eine übergreifende Bedeutung.

Sie haben das Stichwort generationenübergreifend genannt. Die AöW sagt, der demografische Wandel hat Einfluss auf die nachhaltige Nutzung von Wasser. Inwiefern hängen Demografie und Wasser zusammen?

Einerseits haben wir die Entwicklung, dass in Städten die Bevölkerung wächst und im ländlichen Bereich abnimmt. Zum anderen werden die Menschen älter und das wirkt sich auf die Qualität unserer Gewässer aus. Sie benutzen mehr Medikamente und dadurch gelangen Spurenstoffe in den Wasserkreislauf. Ein verantwortungsbewusstes Umgehen damit bedeutet nicht, Medikamente zu verbieten oder vorzuenthalten, sondern einen anderen Ansatz zu finden, das Problem zu lösen. Bisher ging es darum, in den Kläranlagen die Schadstoffe zu beseitigen. Das war eine End-of-Pipe-Lösung (also eine nachträglich hinzugefügte Umweltschutzmaßnahme; die Red.). Aber selbst wenn die Abwasserentsorger (oder Kläranlagen) alle Anstrengungen unternehmen, können nicht alle Spurenstoffe entfernt werden – dies ist auch mit enormen Kosten für Investitionen und Betrieb verbunden. Das heißt, diese Stoffe reichern sich in unserer Umwelt, in unseren Gewässern an, und deshalb müssen wir an der Quelle ansetzen, also bei den Herstellern. Sie müssen geeignete Anreize bekommen, damit sie auf gewässerfreundlichere Produkte umstellen beziehungsweise diese günstiger anbieten können. Aber auch die Verbraucher*innen sind besser darüber zu informieren, was sie gerade einnehmen und was das für Auswirkungen hat. Und natürlich auch, wie sie die Medikamente entsorgen, also nicht in die Toilette kippen, sondern am besten über die Apotheke oder über den Hausmüll. 

Welche Aufgaben für eine faire und sichere Wasserversorgung sind angesichts der Klimakrise am dringlichsten zu erledigen? 

Am dringlichsten ist, dass wir auch in der Politik eine klare Prioritätensetzung für wasserwirtschaftliche Belange zugesprochen bekommen. In der aktuellen Bundesregierung habe ich schon den Eindruck, dass Wasser eine Rolle spielt, auch der Klimawandel, aber die Prioritätensetzung fehlt. Und die ist der richtige Schritt für den Rechtsrahmen, den wir brauchen, um unsere Gewässer zu schützen. Aus wasserwirtschaftlicher Sicht heißt das in erster Linie Klimawandelanpassung. Es geht darum, das Wasser, das man hat, in der Fläche zu halten, in der Stadt zu halten, um es divers zu nutzen, etwa für die Bewässerung der Grünflächen oder überhaupt für die Natur in der Stadt. Es ist wichtig, dass Wasser auch in der Landschaft erhalten bleibt, damit es für Grundwasserspeicherung genutzt werden kann, aber auch für die Bäume in der Stadt, die Schatten spenden. Dadurch kühlt sich die Stadt insgesamt ab. Wichtig ist auch, wie kann man Regenwasser halten, wofür kann man es nutzen? An Hitzetagen braucht es eine bedarfsgerechte Infrastruktur, zum Beispiel öffentliche Trinkwasserbrunnen, aber auch geeignete Sanitäranlagen. Das Letztere wird eine zukünftige Herausforderung sein, hat aber weniger mit Klimawandelanpassung zu tun.

Meinen Sie bei den Sanitäranlagen die Brauchwassernutzung? 

Auch dafür muss man offen sein, natürlich soweit es umsetzbar ist. Vor allem ist es eine Herausforderung, dass man auch in der Stadt verfügbare öffentliche Toiletten hat, um zum Beispiel auch zu gewährleisten, dass der Zugang für Obdachlose gesichert ist.

Wir hatten ja jetzt gerade einige Hitzetage in der Großstadt. Wenn es nicht mehr regnet, was ist dann zu tun?

Also in dem Augenblick, wo es gar nicht mehr regnet und die andauernde Hitze da ist – und das ist eigentlich unser Problem – kann man nicht viel machen, außer sich in den Schatten begeben und viel trinken. Die Wasserwirtschaft ist mehr gefragt bei der Überlegung, was kann man vorbeugend und vorausschauend machen? Und da spielt die Schwammstadt eine Rolle: Wie kann man das Wasser in der Stadt halten, wofür nutzt man es und wofür nicht? Zum Beispiel belastet die Befüllung eines Swimmingpools an einem Hitzetag die Infrastruktur zusätzlich. Vorsorgliche Herangehensweise wäre, den Pool schon vor der Hitzeperiode zu füllen. Das vorausschauende Handeln gilt eben auch für die Menschen. Also an Hitzetagen muss man einen Rasen nicht noch zusätzlich bewässern, der erholt sich relativ schnell. Mit entsprechenden Speichermöglichkeiten, etwa Regenwasserzisternen, lässt sich das gut händeln. Ich sehe noch keinen Grund zur Panik. Aber es ist dringend erforderlich, vorausschauend zu agieren.

Durmuş Ünlü
Ich empfehle, nicht verkrampft Wasser zu sparen. Die Verbraucher sollten sich aber Gedanken darüber machen: Wie kann ich mit Wasser sorgsamer umgehen?
Durmuş Ünlü, AöW
Geschäftsführer

Was können Privathaushalte darüber hinaus tun, um Wasser zu sparen? 

Das Erste, was ich empfehle, ist, nicht verkrampft Wasser zu sparen, denn die Infrastruktur, die wir haben, braucht eine bestimmte kontinuierliche Nutzung. Die Verbraucher sollten sich aber Gedanken darüber machen: Wie kann ich mit Wasser sorgsamer umgehen? Das bezieht sich zum einen auf die Qualität: Was nutze ich im Haushalt an Chemikalien, die dann am Ende irgendwo in der Kläranlage landen. Wo findet übermäßiger Wasserverbrauch statt und wo kann ich darauf verzichten? Will ich zum Beispiel an Hitzetagen Trinkwasser in der gewohnten Temperatur haben, kann ich – bis die angenehme Kühle kommt – das laufende Wasser in einen Eimer abfüllen und es entweder für die Bewässerung der Pflanzen oder für die Toilette bei der nächsten Spülung benutzen. Wir brauchen wieder ein Bewusstsein dafür, dass Wasser nicht unbegrenzt verfügbar ist.

Dabei galt Wasser mal als eine unendliche Ressource. Eine nachhaltige Wasserwirtschaft ist auch eine Frage des Geldes. Wer muss was wie finanzieren? 

Also im Grundsatz gilt: Wer eine bestimmte Leistung von der Wasserwirtschaft erhält, der zahlt auch dafür. Aber bei der Klimawandelanpassung ist das halt schwierig, denn das geht über die Dienstleistung hinaus und dann ist die Frage: Wer bezahlt das? Im Grunde profitiert die Allgemeinheit, also alle in unserer Gesellschaft, nicht nur die Bürgerinnen und Bürger, sondern auch Industrie, Handel, Gewerbe... Das müsste dann entsprechend auch durch Bundes- oder Landesmittel mitfinanziert werden, also durch eine Kofinanzierung durch Bund und Länder. Deshalb haben wir auch angeregt, so eine Gemeinschaftsaufgabe im Grundgesetz einzuführen. Dann hätte man zumindest verankert, dass Bund und Länder für die Klimaanpassung mitverantwortlich sind und für das, was man über Preise, Gebühren oder Beiträge nicht finanzieren kann beziehungsweise was darüber unzumutbar wäre. Dafür wären dann Bund und Länder zuständig und sowohl die Finanzierung als auch die Verantwortung für diese wichtige Aufgabe wären eindeutig geregelt.

Trinkwasser kann aus der Flasche kommen oder aus der Leitung fließen. Welche Quelle bevorzugen Sie? 

Leitung. Eindeutig! Und ich würde jeden bitten, mal zu überlegen, was mache ich eigentlich, wenn ich täglich abgepacktes Wasser trinke? Wasser aus der Leitung ist Trinkwasser und es ist kein Verzicht, sondern hat einen klaren Mehrwert: Es hat gute Qualität, spart Geld, spart CO₂, spart Nerven und Zeit für den Transport. 

[Interview: Marion Busch]

Der Interviewpartner 

Dr. Durmuş Ünlü ist Geschäftsführer der Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft (AöW) und Koordinator der AG Wasser im Forum Umwelt und Entwicklung.

Die AöW hat mehrere Publikationen zum Thema veröffentlicht: 

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