EU-Parlament bestätigt schwaches 2040-Klimaziel und ETS2-Verschiebung

Das EU-Parlament hat am 13. November für eine Reduzierung der CO₂-Emissionen der EU um 90 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 und für die Verschiebung des zweiten Teil des EU-Emissionshandels (ETS2) gestimmt. Fünf Prozentpunkte des Gesamtziels können durch den Kauf von Emissionszertifikaten im Ausland ausgeglichen werden. Umweltverbände reagierten enttäuscht.
Die Mehrheit der Abgeordneten im EU-Parlament setzt bei der Änderung des EU-Klimagesetzes auf Flexibilität für Mitgliedstaaten. Ab 2036 könnten fünf Prozentpunkte der Emissionsreduktionen von minus 90 Prozent bis 2040 über internationale CO₂-Zertifikate erzielt werden. Das EU-Emissionshandelssystem für Verkehr und Gebäude (ETS2) soll auf 2028 verschoben werden. Alle zwei Jahre soll es einen Fortschrittsbericht geben, alle fünf Jahre wird die Möglichkeit einer Überprüfung des 2040-Ziels eröffnet. Das Parlament nennt das „grüner Wandel Hand in Hand mit Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der EU“.
Der Deutsche Naturschutzring (DNR) begrüßt zwar grundsätzlich die Marke von 90 Prozent, da parallel in Belém auf der UN-Klimakonferenz um jedes Zehntelgrad vermiedener Erderhitzung gerungen werde. Das 90-Prozent-Ziel sei allerdings „kein politischer Kompromiss, sondern ein wissenschaftlich gebotener Meilenstein“, so DNR-Präsident Kai Niebert. Positiv sei auch, dass das Parlament bei den Qualitätskriterien für internationale Zertifikate nachgeschärft habe. Damit werde klarer geregelt, dass nur echte, überprüfbare Emissionsminderungen angerechnet werden dürfen. Ablehnend äußerte sich der Umweltdachverband allerdings zur Verschiebung des ETS2: Ambitionierte Ziele blieben „wirkungslos, wenn die Instrumente geschwächt werden, die sie umsetzen sollen. Wer den ETS 2 verschiebt, nimmt der europäischen Klimapolitik eine wichtige Perspektive. Sollte sich im Trilog der Europäische Rat durchsetzen, dass im ETS 1 bereits jetzt weitere Zertifikate zugelassen werden, wäre die europäische Klima-Architektur massiv gefährdet“, kritisiert Niebert.
Ähnlich sieht das Greenpeace Europe. Das vom Parlament abgestimmte Klimaziel 2040 reiche nicht aus, wie man den am selben Tag veröffentlichten Daten des Climate Action Trackers entnehmen könne. Die Welt scheuere immer noch auf eine Erwärmung um 2,6 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu – „ein Ausmaß, das katastrophale Schäden verursachen wird“.
Die Liberalen, die Mitte-Links-Parteien und die Grünen hätten sich mit einigen Mitte-Rechts-Parteien auf einen Kompromiss geeinigt, der fast identisch mit dem des EU-Umweltrats vom 4. November sei. Die EU-Klimakampagnenleiterin von Greenpeace, Eva Corral, kritisierte: „Dieses Klimaziel ist nur auf dem Papier eine 90-prozentige Reduzierung der Kohlenstoffbelastung und enthält so viele Schlupflöcher und Vorbehalte, dass es wahrscheinlich weit hinter den Erwartungen zurückbleiben wird.“ Die Politik habe sich mehr um Ausnahmeregelungen für ihre nationalen Industrien gekümmert als um echte gemeinsame Maßnahmen zur Bekämpfung der existenziellen Bedrohung durch die Klimakrise wie Überschwemmungen, Dürren, Brände und Stürme, so Greenpeace.
„Wie kann die EU hoffen, andere Länder zu ernsthaften Klimaschutzmaßnahmen zu bewegen, wenn sie selbst zu wenig unternimmt?“, fragt Corral angesichts der parallel stattfindenden UN-Klimakonferenz in Belém. Der Wissenschaftliche Beirat der EU zum Klimawandel habe eine Emissionsreduktion von 90 bis 95 Prozent bis 2040 gefordert und betont, dass dieses Ziel für die Reduzierung der Klimabelastung im Inland gelten müsse und nicht für Reduzierungen, die an andere Länder ausgelagert werden. Die Klimakrise koste bereits jetzt jedes Jahr Millionen Menschenleben.
Die Abstimmung des EU-Parlaments ist ein weiterer Schritt für die Trilogverhandlungen der EU-Institutionen für eine endgültige Entscheidung. Der Umweltrat am 16. Dezember kann final entscheiden, falls bis dahin ein Kompromiss ausgehandelt ist. [jg]
EU-Parlament: EU-Klimaziel 2040: Abgeordnete wollen 90 % Emissionsreduktion im EU-Klimagesetz
DNR: EU-Klimaziel 2040 im EU-Parlament: Ein Schritt vorwärts – aber hinkend kommt man nicht ins Ziel
Greenpeace EU: EU Parliament backs governments’ botched climate target


