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Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität
News | 09.06.2021
#Klima und Energie #EU-Umweltpolitik

Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität

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c. pixabay

Der Handlungsdruck im Gebäudesektor ist gewaltig – und die Politik hat jahrelang weggeschaut. Trotz der Corona-Pandemie hat der Sektor 2020 als einziger sein Klimaziel nicht erfüllt. Hinzu kommt das neue, ehrgeizige 2030-Klimaziel von 65 Prozent Treibhausgasminderung. Die Agora Energiewende präsentiert 10 Eckpunkte, wie bezahlbarer Wohnraum und Klimaneutralität 2045 zusammen zu erreichen sind.

Das Ziel der Klimaneutralität 2045 verlangt einen tiefgreifenden Infrastruktur- und Technologiewandel. Gleichzeitig erschwert es die angespannte Lage in vielen städtischen Mietmärkten, den Klimaschutz ambitioniert voranzutreiben. Die von der Bundesregierung zu Beginn der Legislatur angekündigte Gebäudekommission ist nicht zustande gekommen – ein schweres politisches Versagen. Klar ist: Es braucht zügig einen Fahrplan für eine soziale Wärmewende in Richtung Klimaneutralität; einen Deal, auf den sich Wirtschaft, Mieter*innen, Staat und Zivilgesellschaft verständigen können. Die Generationengerechtigkeit verlangt außerdem, dass schon heute deutliche Reduktionen erzielt werden und die Verantwortung nicht auf die kommenden Generationen abgewälzt wird.

„Klimaschutz muss endlich als gesamtgesellschaftliche Aufgabe begriffen werden. Je länger wir warten, desto größer das Risiko sozialer Verwerfungen und höherer Kosten.“
Alexandra Langenheld, Georg Thomaßen
Agora_Grafik

Klimaschutz muss endlich als gesamtgesellschaftliche Aufgabe begriffen werden. Je länger wir warten, desto größer das Risiko sozialer Verwerfungen und höherer Kosten. Wie könnte also ein bedachter Konsens aussehen, der Kosten und Nutzen über alle betroffenen Gruppen ausgeglichen verteilt? Damit in der nächsten Legislaturperiode endlich Bewegung in den Gebäudesektor kommt, legen wir mit unseren 10 Eckpunkten für einen Gebäudekonsens ein konkretes Maßnahmenpaket vor, um sicherzustellen, dass sowohl bezahlbarer, energetisch sanierter Wohnraum für alle Einkommensgruppen bereitgestellt als auch spätestens 2045 Klimaneutralität erreicht wird.

Vier Maßnahmenpakete für eine erfolgreiche Dekarbonisierung des Gebäudesektors

  1. Der Rahmen wird auf Klimaneutralität ausgerichtet. Zum einen müssen Zertifikatehandel und Gebäudestandards das gesteigerte Ambitionsniveau reflektieren und schon heute darauf abzielen, dass jede Investition in die Wärmeversorgung von Gebäuden, das heißt jeder Heizungstausch, mit dem Ziel Klimaneutralität zusammenpasst. Auf der anderen Seite bedeutet eine konsequente Ausrichtung auch, dass ungewollte Nebeneffekte wie soziale Härten antizipiert werden und ihnen entgegengewirkt wird. Denn Klimaneutralität spätestens 2045 kann nur mit der gesamten Gesellschaft erreicht werden. Werden bestimmte Akteur*innen überlastet, drohen Konflikte, die das gesamte Ziel gefährden können.

  2. Die Kosten werden gerecht und sozialverträglich verteilt. Dies beinhaltet, dass alle Akteur*innen, die ein Interesse am Klimaschutz in Gebäuden haben, ihren Teil an den Kosten tragen. Neben den Bewohner*innen und den Besitzer*innen der Gebäude betrifft dies auch den Staat, der das gesamtgesellschaftliche Interesse am Klimaschutz vertritt. Praktisch bedeutet es, dass der Staat die Lücke zwischen betriebswirtschaftlicher und volkswirtschaftlicher Wirtschaftlichkeit schließt, indem er die Differenz als Förderung bereitstellt. Darüber hinaus bedeutet eine gerechte Kostenverteilung, dass durch Warmmieten die CO2-Bepreisung bei dem Akteur ansetzt, der den größten Einfluss auf den CO2-Ausstoß eines Gebäudes hat, nämlich dem Vermieter oder der Vermieterin.
  3. Infrastruktur wird intelligent geplant und entwickelt. Da im Zielbild eines klimaneutralen Gebäudesektors sowohl dezentrale Einzelheizungen als auch zentralisierte Wärmenetze vorkommen, muss lokal sichergestellt werden, dass der sinnvollsten Technologie zum Durchbruch verholfen wird. Dies kann eine kommunale Wärmeplanung leisten, die Vorranggebiete für netzgebundene Wärme ausweist und gleichzeitig die Knappheit von Ressourcen wie Biomasse und Wasserstoff im Blick hat. Da Fernwärme vor der doppelten Herausforderung steht, die Netze bei gleichzeitiger Transformation ausbauen zu müssen, wird sie zielgerichtet gefördert. Wasserstoffbasierte Heizkonzepte hingegen müssen erst beweisen, dass sie eine kostengünstige Option für eine klimaneutrale Wärmeversorgung darstellen. Hier müssen vor allem Lock-ins (enge Kundenbindung an Produkte/Dienstleistungen oder einen Anbieter; die Red.) vermieden werden, die Haushalte langfristig auf eine teure Technologie drängen.
  4. Kosten werden gesenkt und Kapazitäten erhöht. Um die komplette Transformation des Gebäudesektors umsetzen zu können, muss eine zweigleisige Strategie gefahren werden: Auf der einen Seite wird die Ausbildung neuer Fachkräfte gefördert und ausgeweitet, damit der Mangel an Handwerker*innen schnellstmöglich überwunden werden kann. Auf der anderen Seite wird durch die Förderung serieller Sanierungskonzepte und die Beschaffung standardisierbarer Komponenten im großen Maßstab ein neuer Massenmarkt für Sanierungen geschaffen, der durch Skaleneffekte die Effizienz steigert und die Kosten senkt.

Auf diese Weise wird die Herausforderung, die die Dekarbonisierung des Gebäudesektors darstellt, ganzheitlich angegangen. Das Maßnahmenpaket ermöglicht sowohl die Erreichung der Klimaziele als auch eine sozialverträgliche Transformation. Weiterhin bietet es Chancen für die Entwicklung neuer Schlüsselindustrien wie im Bereich der seriellen Sanierung oder der grünen Wärmeerzeugung, die in Zeiten des Klimawandels einen Beitrag dazu leisten können, den Wohlstand am Wirtschaftsstandort Deutschland dauerhaft zu sichern.

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Die Autorin

Alexandra Langenheld arbeitet als Projektleiterin zu den Themen Energieeffizienz, Wärme und Gebäude bei der Agora Energiewende.

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Der Autor

Georg Thomaßen arbeitet als Referent zu den Themen Wärme und Gebäude, und Energiesystemmodellierung bei der Agora Energiewende.

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