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Deutschland soll Transparenz im Rat schaffen
EU-News | 23.06.2020
#EU-Umweltpolitik

Deutschland soll Transparenz im Rat schaffen

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c. CEO | LobbyControl

Die lobbykritischen Nichtregierungsorganisationen Corporate Europe Observatory (CEO) und LobbyControl warnen vor Einflussnahme der Industrie im Rat der EU. Deutschland solle sich während der Ratspräsidentschaft für mehr Transparenz einsetzen.

Eine am Dienstag herausgegebene Studie zeigt, wie die Bundesregierung im Rat der EU in den vergangenen Jahren regelmäßig die Interessen deutscher Konzerne durchgesetzt hat. Sechs Organisationen, die die EU-Politik in ihrem Themenbereich genau verfolgen, beschreiben in neun Fallstudien, wie EU-Vorhaben entgegen dem Gemeinwohl verwässert, blockiert oder stark abgeändert wurden.

  •  Der BUND beschreibt, wie die Bundesregierung Ausnahmen bei den CO2-Reduktionszielen für Autos geschaffen hat, damit die deutsche Autoindustrie weiter 2-Tonnen-SUVs bauen kann.
  • Die Deutsche Umwelthilfe beschreibt, wie das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie alleine mit der Gasindustrie deren zukünftige herausgehobene Bedeutung bei der Energiewende verhandelt hat, obwohl es sich um einen fossilen Energieträger handelt.
  • Das Netzwerk Steuergerechtigkeit beschreibt, wie die Bundesregierung Steuertransparenz in der EU blockiert hat, weil auch deutsche Unternehmen ihre Steuern in Niedrigsteuerländer und Steueroasen verschieben.
  • CEO zeigt, wie Deutschland die Digitalsteuer für Internetgiganten wie Facebook und Google blockiert hat.
  • Die Bürgerbewegung Finanzwende zeigt den Einfluss der Industrie auch bei den Finanzmärkten: So hat Deutschland dafür gesorgt, dass die Gasindustrie als Übergangstechnologie in die so genannte grüne Taxonomie der EU aufgenommen wird, in der festgelegt wird, welche Investitionen als grün und mit den UN-Klimavereinbarungen vereinbar einzustufen sind.
  • CEO zeigt, wie dem Bundeswirtschaftsministerium bei der ePrivacy-Verordnung der Schutz der Verbraucher*innen vor dem Tracking ihrer Daten zunächst kein Anliegen war. Die Verordnung hängt weiterhin im Gremium der EU-Mitgliedstaaten fest und Deutschland könnte sie entscheidend voranbringen.
  • Die Coordination gegen Bayer-Gefahren und der BUND zeigen die Macht der Chemieindustrie in Brüssel, die beträchtlichen Druck auf Brüssel ausüben, dass ihre Produkte möglichst wenig reguliert werden, egal ob es um hormonaktive Substanzen oder die Wiederzulassung von Glyphosat geht.
  • Our Fish zeigt, wie eine mächtige Unternehmensgruppe beträchtliche EU-Subventionen erhält und sogar mit am Tisch sitzt, wenn die EU-Institutionen Fangquoten verhandeln.
  • In der Studie zur Pharmaindustrie beschreibt CEO den Widerstand der Pharmaindustrie gegen die staatliche Kontrolle über Arzneimittel und Impfstoffe während einer Pandemie. Deutschland hat die Möglichkeit trotzdem in das Infektionsschutzgesetz aufgenommen – wird sie das auch auf EU-Ebene tun?

In einer Stellungnahme der Zivilgesellschaft fordern daher mehr als 50 Organisationen, darunter der Umweltdachverband Deutscher Naturschutzring (DNR):

  • Die EU-Ratspräsidentschaft darf Konzerninteressen nicht über das öffentliche Interesse stellen. Es muss Schluss sein mit privilegierten Zugängen großer Konzerne und einseitigen Klüngelrunden mit mächtigen Lobbygruppen.
  • Im Rahmen seiner Ratspräsidentschaft muss Deutschland sich für eine Reform der EU-Gesetzgebungsverfahren einsetzen, insbesondere mit Blick auf mehr Transparenz in der Ratsarbeit. Die Bürger*innen müssen Gesetzesinitiativen von ihrer Entstehung an verfolgen können und über die Position, die ihre Regierung dazu einnimmt, informiert werden.
  • Deutschland muss als gutes Beispiel vorangehen und für vollständige Lobbytransparenz sorgen. Dazu gehören: die Veröffentlichung aller Treffen zwischen Regierungsmitgliedern und Lobbyist*innen, ein „legislativer Fußabdruck“ und ein umfassendes Lobbyregister. Deutschland sollte auf jegliches Sponsoring seiner Ratspräsidentschaft durch Unternehmen verzichten.
  • EU-Bürger*innen sollten das Recht haben, sowohl über Entscheidungen ihrer Regierung in EU-Angelegenheiten informiert zu werden als auch selbst ihre Meinung dazu abzugeben. Die Bürger*innen dürfen nicht länger aus diesem Prozess ausgeschlossen werden.

Bereits in der vergangenen Woche hatten sich in einem von CEO und LobbyControl koordinierten Brief rund 100 Europaabgeordnete an Bundeskanzlerin Angela Merkel gewandt und darin gefordert, dass der deutsche EU-Ratsvorsitz mehr für Transparenz im Rat der EU tun muss.

Noch immer seien Entscheidungsverfahren im Rat nicht nachzuvollziehen. Sowohl die EU-Ombudsperson als auch das EU-Parlament und Nichtregierungsorganisationen fordern seit langem, Transparenz und Rechenschaftspflicht gegenüber der Öffentlichkeit zu schaffen und auszuweiten.
So ist der Rat eigentlich verpflichtet, das sogenannte Vier-Spalten-Dokument, welches während der informellen Trilogverhandlungen zum Einsatz kommt, offenzulegen (EU-News vom 23.03.2018). Doch seither ist nichts passiert.

Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft beginnt am 1. Juli. [aw]

Studie von CEO und LobbyControl: Industrie in der Hauptrolle? 

Stellungnahme von mehr als 50 zivilgesellschaftlichen Organisationen  

Offener Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel   

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