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EU-Emissionshandel: Brüssel erwägt Verschärfungen
EU-News | 01.07.2021
#Klima und Energie

EU-Emissionshandel: Brüssel erwägt Verschärfungen

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c. Ralf Vetterle | Pixabay

Ein Leak zur Überarbeitung des Europäischen Emissionshandelssystems (EU-ETS) ruft ein geteiltes Echo hervor. Der WWF kritisiert, dass die Erlöse aus dem Zertifikatehandel bislang zumeist nicht in Klimaschutzmaßnahmen geflossen sind.

ETS-Leak: Zertifikate verknappen, Schiffs- und Straßenverkehr einbeziehen

Die EU-Kommission plant Verschärfungen des ETS, um die Emissionen der knapp 12.000 Industrieanlagen und des Energiesektors schneller zu senken, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg News am Sonntag. Mittlerweile liegt das durchgesickerte Dokument auch Euractiv und Klimaschutzorganisationen vor.

Der Vorschlag würde die sogenannte Marktstabilitätsreserve (MSR) stärken. Wenn das ETS mehr als 1,096 Milliarden überschüssige Zertifikate enthält, würde die Reserve bis 2030 jährlich 24 Prozent dieser Zertifikate absorbieren. Wenn zwischen 833 Millionen und 1,096 Milliarden überschüssiger Zertifikate im Umlauf seien, würde die Reserve „genug Genehmigungen absorbieren“, um die Zahl auf unter 833 Millionen zu senken.

Eine weitere wichtige Kenngröße ist der lineare Reduktionsfaktor. Dieser legt die Obergrenze für Treibhausgasemissionen fest, die jährlich reduziert werden. Bis 2020 lag er bei 1,74 Prozent pro Jahr, seit 2021 beträgt er 2,2 Prozent pro Jahr. Zwar ist vom „erhöhten linearen Reduktionsfaktor“ die Rede, eine konkrete Prozentangabe fehlt allerdings noch.

Das geleakte Dokument bestätige darüber hinaus Pläne, das ETS auf die Schifffahrt ab 2023 auszuweiten und ein neues, separates ETS für den Straßenverkehr und den Gebäudesektor (Heizen und Kühlen) zu schaffen.

EU-Staaten sollen alle Einnahmen für klimarelevante Zwecke verwenden, einschließlich der Unterstützung von Haushalten mit geringem Einkommen für eine nachhaltige Renovierung, heißt es im Dokument der Kommission weiter.

Die Kommission kommentiert laut Bloomberg durchgesickerte Gesetzentwürfe grundsätzlich nicht. Der Text kann vor der Verabschiedung weiteren Änderungen unterliegen. Bloomberg wies außerdem darauf hin, dass sowohl die EU-Mitgliedstaaten als auch das EU-Parlament die endgültigen Reformen im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren aushandeln müssen. Dieser Prozess könne bis zu zwei Jahre andauern.

Das Climate Action Network (CAN) Europe bemängelte, dass die Industrie auch in Zukunft kostenlose Zertifikate erhalten soll. Das Verursacherprinzip müsse stattdessen in allen Sektoren vollständig gelten. „Wenn wir die Emissionen senken wollen, müssen wir die kostenlosen Zertifikate abschaffen und einen höheren Preis für die Verschmutzung festsetzen“, forderte Klaus Röhrig, Koordinator für Klima- und Energiepolitik bei CAN Europe.

WWF: ETS-Erlöse sollen Mensch und Klima zugutekommen

Einem neuen Bericht des WWF Europa zufolge nahmen die EU-Mitgliedstaaten im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems von 2013 bis 2019 insgesamt 49 Milliarden Euro ein. Allerdings wurden weitere 54 Milliarden Euro durch die kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten „verschenkt“.

Hinzu komme, dass von den 49 Milliarden Euro Einnahmen 13,3 Milliarden Euro nicht für Klimaschutzmaßnahmen ausgegeben wurden. Und ein Teil der Ausgaben, den die EU-Länder für Klimaschutzmaßnahmen deklarierten, floss anscheinend in kontraproduktive Aktivitäten wie Heizölkessel, gasbetriebene Konvektoren und Subventionen für energieintensive Unternehmen. Der WWF schlussfolgert, dass „das Klima um mindestens 67 Milliarden Euro möglicher öffentlicher EU-Ausgaben von 2013 bis 2019 betrogen wurde“.

Der WWF legt in seinem Bericht zehn Empfehlungen vor, wie das EU-ETS fit für die 2030-Klimaziele gemacht werden kann. So sollen ab 2023 keine kostenlosen CO2-Zertifikate mehr gehandelt werden. Das ETS müsse auf den Luft- und Schiffsverkehr ausgeweitet werden, jedoch nicht auf den Straßenverkehr und den Gebäudesektor. Die Einnahmen aus dem ETS müssten vollständig in Klimaschutzmaßnahmen fließen.

CMW: Millionen CO2-Zertifikate vom Markt putzen

Angesichts des angekündigten Kohleausstiegs in Europa, der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie und des derzeit stattfindenden, sehr schnellen Rückgangs der Kohleverstromung besteht laut der Klimaschutzorganisation Carbon Market Watch (CMW) die Gefahr, dass das Überangebot an Verschmutzungsrechten im ETS rasant zunimmt.

Daher empfiehlt CMW mit Blick auf die Novellierung der ETS-Richtlinie eine einmalige Kürzung der Obergrenze des ETS um 450 Millionen Zertifikate sowie die Erhöhung des linearen Reduktionsfaktors auf 3,1 Prozent, beginnend im Jahr 2023. Außerdem müsse die MSR-Aufnahmequote auf 36 Prozent erhöht werden. Alle Zertifikate, die seit mehr als drei Jahren in der MSR gehalten werden, müssten überdies gelöscht werden.

Euractiv with Reuters: EU drafts plan to toughen carbon market 

Euractiv: LEAKED: The EU’s carbon market reform proposal 

CAN Europe: Commission eyes strengthening EU carbon market, but leaves industry largely off the hook 

WWF EU: Flawed EU carbon market losing EUR billions for climate action – report 

CMW: How can the EU Emissions Trading System support a union-wide coal phase-out 

Hintergrund: DNR-Factsheet zum EU-ETS

Redakteurin: Ann Wehmeyer

Juni-Ausgabe des DNR-Newsletters: Fit for 55 - das EU-Klimagesetz

Die EU wird voraussichtlich am 14. Juli ihr Klimagesetz präsentieren. Diesem Thema widmet sich der Schwerpunkt im aktuellen Newsletter. Ist Deutschland „Fit for 55“? Das hinterfragen unsere Autor*innen in Beiträgen über Kohleausstieg und Emissionshandel (Juliette de Grandpré, WWF Deutschland) sowie über einen klimaneutralen Gebäudesektor (Alexandra Langenheld und Georg Thomaßen, Agora Energiewende). Im Interview verweist der deutsche EU-Abgeordnete Michael Bloss (Grüne/EFA) auf die entscheidende Rolle Deutschlands bei den EU-Verhandlungen für das Klimagesetz und mahnt an, dass blumige Worte allein nicht mehr helfen. Auch der DNR und die Klima-Allianz Deutschland fordern eine konstruktive Beteiligung der Bundesrepublik. 

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Klima-Pledge: Online-Kampagne zur Bundestagswahl 2021

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