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UN-Verhandlungen zur Förderung der Umweltdemokratie
EU-News | 04.11.2021
#Wirtschaft

UN-Verhandlungen zur Förderung der Umweltdemokratie

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Justitia

Gastbeitrag von Kathleen Pauleweit und Jonas Rüffer (Unabhängiges Institut für Umweltfragen, UfU)

Am 30. Oktober 2021 wird die Aarhus-Konvention – die Konvention über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten – zwanzig Jahre alt. Wenige Tage zuvor kamen die Vertragsparteien, Unterzeichnerstaaten, internationalen Organisationen, die Zivilgesellschaft und andere Interessengruppen in Genf zusammen, um die Errungenschaften und aktuellen Herausforderungen bei der Förderung von Umweltdemokratie, digitaler Transformation und nachhaltiger Entwicklung zu diskutieren. Die Diskussionen zur Aarhus-Konvention und ihr PRTR-Protokoll – das Kiew-Protokoll über Schadstofffreisetzungs- und –verbringungsregister –  konzentrierten sich darauf, wie nachhaltige Infrastrukturen und Raumplanung gefördert werden.

Das Ziel der Aarhus-Konvention und seines Protokolls ist der Schutz des Rechts jeder Person gegenwärtiger und künftiger Generationen auf ein Leben in einer seiner Gesundheit und seinem Wohlbefinden zuträglichen Umwelt zu leben. Dieses Ziel erweist sich heute angesichts der zahlreichen ökologischen Krisen als noch wichtiger denn je. Trotz beachtlicher Erfolge stehen viele Länder noch vor großen Herausforderungen im Umwelt- und Menschenrechtsschutz. Zahlreiche Regierungen ergriffen angesichts der Coronavirus-Pandemie (COVID-19) Maßnahmen, die die bürgerlichen Freiheiten im Umweltbereich einschränken. Viele Regierungen riefen nationale Notstände aus und verabschiedeten zahlreiche Maßnahmen, die zwar vordergründig die Ausbreitung des Virus einschränken sollten. Häufig gingen damit jedoch auch erhebliche Einschränkungen der Versammlungs- und Bewegungsfreiheit einher. Die COVID-Maßnahmen beschnitten oder haben das Potential, auch das Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Informationen, auf Beteiligung an Entscheidungsverfahren und auf Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten zu beschneiden. Gleichzeitig leistete die Pandemie der Digitalisierung der Umweltverwaltung und der digitalen Beteiligung der Öffentlichkeit enormen Vorschub.

Vom 18. bis 22. Oktober 2021 fanden im Nationalpalast im Schweizer Genf Verhandlungen zwischen Vertragsparteien der Aarhus-Konvention und des PRTR-Protokolls statt, um die aktuellen Entwicklungen zu beraten:

Die Beschlüsse des Aarhus-Konvention Compliance-Ausschusses

Im Rahmen des MoP 7 bestätigten die Aarhus-Vertragsparteien insgesamt 19 Feststellungen und Empfehlungen des Aarhus-Konvention Compliance-Ausschusses (Aarhus-Ausschuss). Auf drei Beschlüsse, die sich auf die Nichteinhaltung der Aarhus-Konvention durch Deutschland (1.) und die Europäische Union (2.) beziehen, sind hervorzuheben. Auch auf einen Beschluss zu Weißrussland (3.) ist einzugehen.

1. Zugang zu Gericht für Umweltverbände in Deutschland
Die Vertragsparteien nahmen die Feststellungen und Empfehlungen des Aarhus-Ausschusses gegen Deutschland an (ACCC/C/2016/137). Das Komitee stellte fest, dass Deutschland gegen das internationale Aarhus-Recht verstößt. Das Anerkennungskriterium der basisdemokratischen Verfasstheit für Umweltvereinigungen ist zu streng. Das Kriterium verwehrt in unzulässiger Weise, dass Umweltverbände Umweltentscheidungen vor deutschen Gerichten prüfen lassen können.

Aus diesem Grund verpflichten die Aarhus-Parteien Deutschland nun, deutsches Recht zu ändern. Ganz konkret ist § 3 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes zu streichen. Durch die Gesetzesänderung werden zukünftig Umweltstiftungen wie WWF Deutschland oder Vereine wie Greenpeace Deutschland klagen können.

UfU wird diesen Anpassungsprozess mit seiner Expertise in den kommenden Monaten begleiten.

2. Zugang zu Gericht in der Europäischen Union
Die Europäische Union ist selbstständige Vertragspartei der Aarhus-Konvention. Auch sie muss Aarhus-Recht einhalten. In gleich zwei öffentlichen Rügeverfahren stellte der Aarhus-Ausschuss fest, dass der europäischen Öffentlichkeit und Umwelt-NGOs kein ausreichender Zugang zu europäischen Gerichten gewährleistet wird.

Die Aarhus-Vertragsparteien nahmen die Feststellungen und Empfehlungen des Aarhus-Ausschusses zum Fall ACCC/C/2008/32 an, nachdem die Europäische Union diese Annahme (engl. „endorsement“) bei der letzten Vertragsstaatenkonferenz in Budva (Montenegro) auf dem MoP 6 im Jahr 2017 blockierte. Die NGOs hofften, dass mit dieser Annahme auch gleichzeitig die Feststellungen und Empfehlungen zum Fall (ACCC/C/2015/128) angenommen werden. Aufgrund der erneuten Blockadehaltung durch die Europäische Union, wurden die Feststellungen und Empfehlungen des Aarhus-Ausschusses diesbezüglich nicht verabschiedet. Die Bestätigung der Feststellungen und Empfehlungen des Aarhus-Komitees wurde erneut auf die nächste Vertragsstaatenkonferenz in rund vier Jahren verschoben. Die NGO-Delegation konnte zumindest darauf hinwirken, dass die Vertragsparteien festhalten, dass diese erneute Sonderbehandlung bzw. Ausnahmeentscheidung für die Europäische Union in keiner Weise eine Praxis im Rahmen des Aarhus-Übereinkommens begründet.

Das UfU wird auch in den kommenden Jahren dafür kämpfen, dass Bürger*innen und Umwelt-NGOs Umweltentscheidungen, wie zum Beispiel europäische Beihilfeentscheidungen, auf EU-Ebene überprüfen lassen können. Eine erneute Änderung der gerade erst novellierten Aarhus-Verordnung ist dafür unumgänglich.

Mehr Informationen zur Aarhus-Konvention und ihrer Umsetzung in der Europäischen Union und Deutschland

3. Schutz von Umweltschützer*innen und NGOs in Weißrussland
Die Verhandlungen wurden von den akuten Menschenrechtsverletzungen in Weißrussland überschattet, die gegenüber Umweltschützer*innen verübt wurden. Zum ersten Mal in der zwanzigjährigen Vertragsgeschichte wurde eine beschwerdeführende NGO, die belarussische NGO „Ecohome“, während eines laufenden öffentlichen Beschwerdeverfahrens aufgelöst. Die Staatengemeinschaft reagierte auf die Verletzungen fundamentaler Rechte von Umweltschützer*innen damit, dass Weißrussland ab dem 1. Februar 2022 seine besonderen Rechte und Privilegien unter der Konvention entzogen werden, sollte Weißrussland „Ecohome“ nicht wieder als öffentlichen Verein anerkennen.

Das UfU verurteilt die Bestrafung, Verfolgung oder Belästigung von Umweltschützer*innen auf das Schärfste! Das UfU unterstützt alle weißrussischen Umwelt-NGOs und Umweltschützer*innen im Rahmen seiner Möglichkeiten.

Weitere Ergebnisse:

  • UN-Sonderberichterstatter*in für Umweltschützer*innen: Aufgrund der sich verschlechternden Menschenrechtslage in Weißrussland und anderen Vertragsstaaten, wo Umweltschützer*innen zunehmend bestraft, verfolgt oder belästigt werden, installierten die Aarhus-Parteien einen sog. English „Rapid Response Mechanism“. Im Zuge dessen wird im Jahr 2022 ein*e UN-Sonderberichterstatter*in für Umweltschützer*innen berufen, um international Menschenrechtsverletzungen sichtbar zu machen.
  • Zwei neue Mitglieder im Aarhus-Ausschuss: Die Aarhus-Parteien folgten nicht nur zahlreichen Feststellungen und Empfehlungen des Aarhus-Ausschusses, sondern sie wählten ebenfalls zwei neue Mitglieder in das quasi-gerichtliche UN-Gremium. Die ehemalige Richterin des Europäischen Gerichtshofs Eleanor Sharpsten und unser langjährige und geschätzte UfU-Kollegen Thomas Schomerus. Mehr Informationen rund um seine NGO-Nominierung sind hier zu finden.
  • Guinea-Bissau erster afrikanischer Vertragsstaat der Aarhus-Konvention: Ein historisch bedeutsames Ereignis auf dem MoP 7 war der Beitritt des westafrikanischen Landes Guinea-Bissau zur Aarhus-Konvention. Damit hat die Vertragsstaatenkonferenz den ersten Staat außerhalb der UNECE-Region in den Kreis der Aarhus-Staaten aufgenommen. Die gemeinsame Hoffnung ist, dass dieser vorbildhafte Schritt weitere Staaten Asiens oder Afrikas animiert, wie beispielsweise die Mongolei oder Usbekistan, der Konvention zur Umweltdemokratie beizutreten.
  • GVO-Novelle fehlt nur noch ein Vertragsstaat zum Inkrafttreten: Albanien hat als 32. Staat die GVO-Novelle ratifiziert. Diese sieht die öffentliche Beteiligung an geplanten Freisetzungen gentechnisch veränderter Organismen (GVOs) vor. Damit fehlt nur noch die Ratifizierung der GVO-Novelle von einer der folgenden Staaten, damit die Vertragsänderung der Aarhus-Konvention völkerrechtlich in Kraft tritt: Armenien, Aserbaidschan, Weißrussland, Kasachstan, Kirgisistan, Nordmazedonien, Tadschikistan, Turkmenistan und Ukraine.
  • Goodbye Jeremy Wates als Aarhus-NGO-Beobachter! Den intergouvernementalen Verhandlungen, die erstmals im hybriden Format stattfanden, wohnten zahlreiche nichtstaatliche Beobachterorganisationen aus dem NGO-Sektor und der Wissenschaft bei. Zukünftig wird unsere Kollegin Summer Kern vom österreichischen Ökobüro eine besondere Rolle im zwischenstaatlichen Prozess einnehmen. Sie löst Jeremy Wates, Generalsekretär des European Environmental Bureau (EEB), als offizielle NGO-Beobachterin ab. Wir sagen Danke Jeremy für deinen langjährigen bedeutenden Beitrag zur Förderung der Umweltdemokratie!

Wo und wann genau die nächste Aarhus- und PRTR-Vertragsstaatenkonferenz (MoP 8 und MoPP 5) in rund vier Jahren stattfinden wird, ist noch unklar. Klar ist aber, dass das UfU auch dort wieder als unabhängiger NGO-Beobachter dabei sein wird!

Mehr Informationen rund um den MoP 7 und MoPP 4 sind hier zu finden.

Weitere Fragen rund um die Vertragsstaatenkonferenzen beantwortet: Kathleen Pauleweit
Pressekontakt: Jonas Rüffer
 

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