Agrarsubventionen nur noch gegen Mehrwert für Klima-, Arten- und Tierschutz

Als Reaktion auf die Bauernproteste hat die Bundesregierung im September 2020 die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) eingesetzt. Deren Auftrag ist es, Empfehlungen und Vorschläge für eine nachhaltige, also ökologisch und ökonomisch tragfähige sowie sozial verträgliche Landwirtschaft in Deutschland zu erarbeiten. Eine nicht gerade leichte Aufgabe, die erfolgreich abgeschlossen wurde. Sind solche Kommissionen ein Modell für die Zukunft?
Vor gut einem Jahr begannen die 31 Vertreter*innen aus Landwirtschaft, Wissenschaft, Industrie, Verbraucher*innen-, Umwelt- und Tierschutz mit der Arbeit. Gemeinsam stellten sie sich der Frage: Wie wollen wir die Zukunft der Landwirtschaft in Deutschland gestalten?
Die vergangenen Jahre und Jahrzehnte der deutschen Agrarpolitik waren gezeichnet von einem gewissen Stillstand sowie von immer größeren Herausforderungen. Sowohl an die Landwirtinnen und Landwirte als auch bedingt durch die Krisen von Klima und Biodiversität, die immer dringender Lösungen erforderten. Nach zehn Monaten intensiver Zusammenarbeit haben die Kommissionsmitglieder im Juli dieses Jahres einen einstimmig beschlossenen Abschlussbericht vorgelegt. Alle Beteiligten sind sich einig: Die Transformation der Landwirtschaft ist unumgänglich und muss umgehend beginnen. Die externen Kosten, die die Landwirtschaft heute für Klima, Umwelt, Natur und Tierwohl verursacht liegen bei jährlich mindestens 90 Milliarden Euro.
Die Empfehlungen der Zukunftskommission sind so weitreichend wie die Landwirtschaft selbst: Die Kommission ist sich einig, dass die pauschalen Direktzahlungen der ersten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nicht mehr zeitgemäß sind und daher ein Umbau der GAP erfolgen muss. Stattdessen müssen die Direktzahlzungen im Laufe der kommenden zwei Förderperioden in zielgerichtete, leistungsgebundene Zahlungen umgewandelt werden, die einen Mehrwert für den Schutz von Klima, Biodiversität und natürlicher Ressourcen sowie den Tierschutz bringen.
Auch zum Bereich Tierhaltung hat sich die Zukunftskommission geäußert. Zum einen gilt es nun die Ergebnisse des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung (Borchert-Kommission) umzusetzen [siehe Artikel von Patrick Müller]. Darüber hinaus ist aber auch eine Reduzierung der Tierbestände dringend notwendig, etwa durch die Einführung einer flächengebundenen Tierhaltung. Eine solche Maßnahme ist wichtig für die Bekämpfung des Klimawandels, denn die Tierhaltung ist für einen Großteil der landwirtschaftlichen Emissionen verantwortlich. So müssen auch der Konsum sowie die Produktion tierischer Produkte zurückgehen. Zudem leiden die Böden und Gewässer an den Stickstoffüberschüssen, die durch die intensive Tierhaltung verursacht werden. Sollte die Düngeverordnung nicht greifen, deren Wirksamkeit die EU-Kommission derzeit in einem Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland prüft, werden laut Zukunftskommission Landwirtschaft andere Instrumente wie eine Stickstoffüberschussabgabe dringend notwendig.
Darüber hinaus empfiehlt die ZKL die Einführung EU-weit verbindlicher Kennzeichnungen, etwa für Tierwohl, einen konsequenten Ausbau des Ökolandbaus, eine Regulierung der neuen Gentechnik unter Wahrung des Vorsorgeprinzips, eine Trendumkehr beim Verlust der Artenvielfalt, die Reduzierung des Pestizideinsatzes, sowie weitere Maßnahmen im Klimabereich die der Einhaltung des 1,5 Grad-Ziels dienen. Die Kommission hat sich ebenfalls den Betriebsstrukturen, den sozialen Aspekten der Landwirtschaft sowie der Arbeitskräftesituation gewidmet.
Zukunftsbild der Jugend: Fairer Lohn und faire Preise
Des Weiteren haben die beiden in der ZKL vertretenen Jugendverbände eine Vision aufgezeigt, wie die Landwirtschaft der Zukunft in Deutschland aussehen sollte und hinter die sich die gesamte Kommission stellt: eine Landwirtschaft mit fairen Einkommen für die Landwirtinnen und Landwirte und fairen Erzeugerpreisen unter Beibehaltung der vielfältigen betrieblichen Strukturen. Die Landwirtschaft trägt maßgeblich zu Umwelt-, Natur-, Klima- und Tierschutz bei. Dazu gehört unter anderem die klimafreundliche Transformation von Betrieben, der Ausbau von Agroforststrukturen, ein Stopp der Flächenversiegelung, die Wiedervernässung von Mooren. Zudem braucht die deutsche Landwirtschaft faire Marktbedingungen und einen Fokus auf regionale Kreisläufe. Auch Ausbildung und Berufseinstieg in die Landwirtschaft sowie Existenzgründung und Hofübernahme werden ermöglicht und unterstützt. Die deutsche Landwirtschaft ist in einer globalen Verantwortung und hat keine negativen sozialen oder ökologische Folgen in Drittländern.
DNR-Präsident und Kommissionsmitglied Kai Niebert betonte, dass es der Zukunftskommission gelungen sei, nicht die Positionen, sondern die Sache ins Zentrum zu stellen: „Das war das Geheimrezept für unseren Erfolg: Das gemeinsame Interesse daran, den Klimawandel zu bremsen, den Verlust der Artenvielfalt zu stoppen und dabei eine vielfältige und zukunftsfähige Landwirtschaft zu ermöglichen. Wir haben nicht alle Probleme gelöst, aber wir haben Wege aufgezeigt, wie diese Probleme gelöst werden können.“
Es ist bemerkenswert, dass sich solch eine vielfältige Anzahl von Akteuren in vielen auch in der Vergangenheit kontrovers diskutierten Punkten einigen konnte. Dazu sind Offenheit, Bereitschaft zur Zusammenarbeit und vor allem Bereitschaft zu Kompromissen notwendig.
Bedeutet dies, dass solche Kommissionen das Politikmodell der Zukunft sind? Die Erfahrungen der Zukunftskommission zeigen, dass derartige Expertengruppen durchaus dazu dienen können, einen Interessensausgleich zu finden und somit eine Basis für die künftige politische Arbeit zu bilden.
Zu diesem Zeitpunkt den Erfolg der Zukunftskommission zu bewerten wäre verfrüht. Der Prozess an sich und die Zusammenarbeit der Kommissionsmitglieder kann jedoch definitiv als Erfolg gewertet werden.
Der wahre Erfolg kann erst gemessen werden, wenn die Ergebnisse des ZKL-Abschlussberichts Eingang in die Politik finden. Denn damit ist die Arbeit keineswegs beendet – ganz im Gegenteil. Der Abschlussbericht der Kommission erfüllt keinen Selbstzweck, sondern wird nur wertvoll, wenn er von der Politik aufgegriffen, konkretisiert und weiterentwickelt wird.
Es ist jetzt entscheidend, dass die künftige Bundesregierung die ausgehandelten Kompromisse in konkrete Maßnahmen, Zielsetzungen und politisches Handeln umsetzt.

Die Autorin
Lavinia Roveran ist Koordinatorin für Naturschutz und Agrarpolitik beim DNR. Ihre Schwerpunkte sind Landwirtschaft & Tierschutz, Naturschutz, Gewässerschutz.
ZKL-Abschlussbericht
Am 6. Juli dieses Jahres überreichte die Zukunftskommission Landwirtschaft Bundeskanzlerin Angela Merkel den Abschlussbericht „Zukunft Landwirtschaft. Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft“