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Biodiversität: EU-Position zur COP16 und Forderungen aus Umweltsicht
EU-News | 15.10.2024
#Biodiversität und Naturschutz #EU-Umweltpolitik #Wald

Biodiversität: EU-Position zur COP16 und Forderungen aus Umweltsicht

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© pixabay/photoshopper24

Der Umweltrat hat am Montag die EU-Position für die Verhandlungen zur 16. UN-Konferenz über biologische Vielfalt (CBD COP 16) festgelegt. Der Zivilgesellschaft fehlen feste Finanzzusagen. Der WWF fordert außerdem, die Entwaldung bis 2030 endlich wirksam aufzuhalten und OroVerde mahnt Schutz von Menschenrechten und indigenem Wissen an. Greenpeace hat ein Media-Briefing veröffentlicht und fordert Taten statt Versprechen.

Vom 21. Oktober bis 1. November wird im kolumbianischen Cali über Biodiversität, Finanzierung von Naturschutz und die Umsetzung der bereits vereinbarten Ziele einschließlich Cartagena- und Nagoya-Protokoll debattiert. Der Umweltrat billigte am 14. Oktober Schlussfolgerungen zur 16. UN-Naturschutzkonferenz. Der Rat bekräftigte darin die 2022 im globalen Biodiversitätsrahmen von Kunming und Montreal eingegangenen Verpflichtungen: bis 2030 ein Drittel des Planeten für die Natur zu schützen und die Natur zum Nutzen der Menschen und des Planeten auf einen Pfad der Erholung zu bringen.

Der fortschreitende Verlust der biologischen Vielfalt stelle „eine globale und existenzielle Bedrohung für die Menschheit“ dar, weshalb ein „grundlegender Wandel erforderlich“ sei, um dieser Herausforderung zu begegnen. Deshalb sei es notwendig, den globalen Rahmen für die biologische Vielfalt vollständig und wirksam umzusetzen. Die EU sei entschlossen, die Mobilisierung von Ressourcen voranzutreiben und den multilateralen Mechanismus für den fairen und gerechten Zugang und Vorteilsausgleich aus der Nutzung digitaler Sequenzinformationen über genetische Ressourcen (Nagoya-Protokoll) zum Abschluss zu bringen.

Der ungarische Ratsvorsitzende, Landwirtschaftsminister István Nagy, betonte, dass der Erfolg „von raschem Handeln“ abhänge und Fortschritte „wirksam überwacht“ werden sollten. „Außerdem sollte die biologische Vielfalt in allen Politikbereichen und Sektoren präsent sein: Wir sind auf sie angewiesen, wenn es um Medizin, Energie, saubere Luft und Wasser geht, und sie schützt uns vor Naturkatastrophen“, so Nagy.

Neben dem abzuschließenden Nagoya-Protokoll sind weitere Hauptpunkte der EU-Position:

  • Die EU setzt sich laut Umweltratsschlussfolgerungen „nachdrücklich“ dafür ein, den Verlust der biologischen Vielfalt, die Verschlechterung der Ökosysteme, des Bodens, der Gewässer und der Meere sowie den Klimawandel und die Verschmutzung „wirksam und auf integrierte Weise“ zu bekämpfen. Dies zeige sie mit der kürzlich [reichlich mühsam, EU-News 20.06.2024] in Kraft getretenen EU-Wiederherstellungsverordnung (Nature Restoration Law). 
  • Zur Mobilisierung von Finanzmitteln unterstützt die EU den Finanzierungsmechanismus des Übereinkommens, die Globale Umweltfazilität, die bereits 69 Prozent des Finanzierungsziels für die biologische Vielfalt erreicht habe. Zudem soll aus EU-Sicht zur Mittelerhöhung ein Globaler Rahmenfonds für die biologische Vielfalt eingeführt werden. Dabei sollen „aus allen Quellen“ Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, eine überarbeitete Strategie für die Ressourcenmobilisierung sollte auf der COP16 verabschiedet werden.
  • Digitale Sequenzinformationen über genetische Ressourcen: Dem Rat ist ein multilateraler Mechanismus für den Vorteilsausgleich bei der Nutzung digitaler Sequenzinformationen über genetische Ressourcen wichtig, einschließlich der Einrichtung eines speziellen globalen Fonds auf der COP16. Dieser Mechanismus müsse „Sicherheit und Rechtsklarheit für Anbieter und Nutzer digitaler Sequenzinformationen“ gewährleisten.
  • Gentechnik/Cartagena-Protokoll über die biologische Sicherheit: Das Cartagena-Protokoll, das die sichere Handhabung, Beförderung und Verwendung lebender veränderter Organismen aus Biotechnologie gewährleisten soll, die nachteilige Auswirkungen auf die biologische Vielfalt und Risiken für die menschliche Gesundheit haben könnten, müsse vollständig umgesetzt werden, so der Rat. Es gelte, nationale Rahmenbedingungen für die biologische Sicherheit zu stärken und solide, wissenschaftlich fundierte Risikobewertungs- und -managementverfahren, insbesondere bei Entscheidungen im Zusammenhang mit lebenden gentechnisch veränderten Organismen, einzuführen.

Forderungen von Umweltorganisationen: „deutliche Aufstockung der Finanzen“, „Führungsrolle von Frauen und Indigenen“ 

Der WWF formulierte derweil seine Erwartungen zum Schutz der Wälder. Bis 2030 sollte der Negativtrend in Sachen Biodiversität und beim Verlust der Wälder umgekehrt sein, doch nur knapp fünf Jahre vor Ablauf dieser Frist sei die Lage düster. Schaue man sich die Erklärungen zur Lage der Wälder (Forest Declaration Assessment) kritisch an, gingen allein 2023 weltweit 6,37 Millionen Hektar Wald dauerhaft verloren. Der neue Living Planet Report des WWF zeige, dass einige der kritischsten Wälder unseres Planeten, wie der Amazonas, am Rande des Kipppunkts stehen, was weltweit schwerwiegende Folgen hätte. Der WWF erwartet deshalb „eine deutliche Aufstockung der Finanzmittel und Investitionen für die Wälder, eine stärkere Rechenschaftspflicht bei der Verfolgung, Überwachung und Berichterstattung von Zusagen sowie die Festlegung ehrgeiziger nationaler Ziele und die rasche Umsetzung bestehender Verpflichtungen“.

Auch die Tropenwaldstiftung OroVerde kritisierte auf „scharf-links“, es gebe „eine massive Lücke zwischen politischer Anerkennung der Biodiversitätskrise und konkreten Maßnahmen auf nationaler Ebene“, so Martina Schaub, Vorständin der Tropenwaldstiftung OroVerde aus Bonn. Eine tiefgreifende sozial-ökologische Transformation mit gemeinsamen Anstrengungen zur Krisenbewältigung sei nötig. Dabei müssten Aktive, die sich für Menschenrechte und Umweltschutz einsetzen, besser vor Gewalt und Einschüchterung geschützt werden. Darum fordert OroVerde von den Entscheider*innen auf der COP 16 in Cali: 

  1. Der Kunming Global Biodiversity Framework (GBF) muss in verbindliche Strategien und Aktionspläne übertragen werden. 
  2. Frauen, indigene Völker und lokale Gemeinschaften (IPLC) müssen mit ihrem Wissen gehört und am Biodiversitätsschutz beteiligt werden. 
  3. Die Finanzierung des Biodiversitätsschutzes muss durch konkrete Mechanismen und geteilte Verantwortung zugesichert werden. Auch innovative Finanzinstrumente, wie Risikoversicherungen oder Bonuszahlungen, für biodiversitätsfreundliche Landnutzung spielten dabei eine wichtige Rolle. 
  4. Menschen, die sich für Biodiversitätsschutz einsetzen, brauchen Schutz.

„Im Einklang mit der Natur? Die EU riskiert, ihre Biodiversitätsziele (erneut) zu verfehlen“ - so ist das siebenseitige Media Briefing von Greenpeace betitelt. Die Organisation hat ausgewählte Verpflichtungen, die die EU im Rahmen des globalen Rahmens für die biologische Vielfalt eingegangen ist, unter die Lupe genommen - mit wenig überzeugenden Resulten. Die Kritik liest sich in Kürze so:

  • Engagement wird an Taten gemessen, nicht an Versprechen;
  • Europa verfehlt die Ziele für Schutzgebiete;
  • Europa macht nur begrenzte Fortschritte bei der Wiederherstellung der Natur;
  • Europa muss viel mehr für die Finanzierung tun;
  • die industrielle Landwirtschaft ist nach wie vor eine der Hauptursachen für den Verlust der biologischen Vielfalt in der EU;
  • ehrgeizige und schnelle Umsetzung ist entscheidend;
  • Klima- und Umweltkrisen sind miteinander verbunden und müssen gemeinsam gelöst werden.

Die COP 16 unter dem Motto „Frieden mit der Natur“ ist das erste Gipfeltreffen nach der Verabschiedung des globalen Biodiversitätsrahmens von Kunming-Montreal auf der COP15 im Dezember 2022 in Montreal, Kanada (EU-News 14.10.2021, News/Gastbeitrag 13.04.2022, EU-News 20.12.2022). Von den Vertragsparteien des Übereinkommens wird erwartet, dass sie die Anpassung ihrer nationalen Strategien und Aktionspläne für die biologische Vielfalt (NBSAPs) an das Rahmenwerk nachweisen. Allerdings: Laut einer gemeinsamen Untersuchung von Carbon Brief und dem Guardian dürften mehr als 85 Prozent der Länder die UN-Frist zur Einreichung neuer Ankündigungen für Naturschutzmaßnahmen vor der COP 16 verpassen. Und nur fünf der 17 „megadiversen Länder“ - die zusammen 70 Prozent der weltweiten biologischen Vielfalt beherbergen - hätten neue Zusagen zur Bekämpfung des Naturverlusts gemacht. [jg]

 

Schlussfolgerungen zur CBD COP 16 insgesamt sowie zur elften CBD-Tagung zum Cartagena-Protokoll über die biologische Sicherheit (COP-MOP 11) und zur fünften CBD-Tagung über das Nagoya-Protokoll über Zugang und Vorteilsausgleich (COP-MOP 5): hier 

EU-Umweltrat: Ergebnisse

Rat der EU - PM: EU reaffirms global pledge to protect a third of the planet by 2030

WWF: Expectations for Forests at CBD COP16 and UNFCCC COP29

OroVerde:CBD-COP 16 - Tropenwaldstiftung fordert im Kampf gegen die Biodiversitätskrise Führungsrolle von Frauen und Indigenen.

Konvention über die biologische Vielfalt/
Convention on Biological Diversity (CBD) zum Weiterlesen

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