Bürokratieabbau: Das Trojanische Pferd – modern verpackt

Die zahlreichen Pläne der EU, den Verwaltungsaufwand in der Umweltgesetzgebung zu vereinfachen, stellen Umweltorganisationen vor Herausforderungen – zum Beispiel in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Im sogenannten Omnibus-Verfahren werden dabei mehrere Gesetzesänderungen in einem einzigen Gesetzentwurf zusammengefasst.
Gastbeitrag von Natasha Foote, ARC2020
Der Legende nach rollten die Griechen, um die jahrzehntelange Belagerung der befestigten Stadt Troja endlich zu beenden, ein Geschenk heran, das die Trojaner nicht ablehnen konnten – ein kolossales Holzpferd, das perfekt gefertigt war. Die Trojaner, die glaubten, sie hätten ein göttliches Geschenk erhalten und die Griechen verscheucht, schenkten Raki ein und stießen auf ihr scheinbares Glück an.
In Wahrheit war das Pferd hohl und voller versteckter Soldaten, die nachts die betrunkenen Trojaner überraschten, schließlich die Stadt einnahmen und den Krieg gewannen.
Das Trojanische Pferd ist in unserem politischen Wortschatz bis heute lebendig und steht mittlerweile als Synonym für etwas Glänzendes, das etwas weitaus Unheimlicheres verbirgt. Zum Beispiel etwas, das als Vereinfachung der EU-Politik verkauft wird, begleitet von einer Rhetorik, die so hohl ist wie das Pferd selbst.
Hohle Versprechungen
In den vergangenen Jahren hat die Kommission stets beteuert, dass die Initiativen für die Vereinfachung kein Hintertürchen für Deregulierung seien. Doch diese Behauptung wurde auf dem jüngsten Kopenhagener Wettbewerbsgipfel widerlegt, als Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen es auf den Punkt brachte: „Wir sind uns alle einig, dass wir Vereinfachung brauchen. Wir sind uns alle einig, dass wir Deregulierung brauchen.“ Und zwar auf europäischer als auch auf nationaler Ebene, fuhr von der Leyen fort.
Wir in der Agrar- und Lebensmittelbranche wissen nur zu gut, was das bedeutet. Auf die Proteste der Landwirte zu Beginn des vergangenen Jahres folgte eine Flut von Vereinfachungsbemühungen.
Auch das Europäische Parlament hat im Oktober seinen Standpunkt zu wichtigen Gesetzesänderungen dargelegt, um die derzeitige GAP, die bis 2027 gilt, erneut umzugestalten.

Eine davon ist die sogenannte Omnibus-Vereinfachungsverordnung, die sich auf die Verordnung über die strategischen Pläne der GAP bezieht, während eine andere die Verordnung die gemeinsame Marktorganisation betrifft, deren Ziel es ist, die Position der Landwirte in der Lebensmittelversorgungskette zu stärken.
Hinter der Vereinfachung verbirgt sich jedoch auch eine weitere Lockerung der mit den Agrarzuschüssen verknüpften Umweltauflagen sowie mehr Flexibilität für die Mitgliedstaaten bei der Verwaltung der strategischen Pläne der GAP (Einzelheiten zum ursprünglichen Vorschlag der Kommission finden Sie hier. Die vom Parlament verabschiedeten Vorschläge würden bedeuten, dass der Schutz von Dauergrünland, wertvollem Weideland, Gewässern, Böden und Fruchtfolge geschwächt oder gar abgeschafft würde. Sie müssen noch ausgehandelt und genehmigt werden.
Abbau von Vorschriften zu Lasten der Umwelt
Umweltschutzverbände haben diese Vereinfachungsinitiative kritisiert. Das Europäische Umweltbüro (EEB) bezeichnete sie als „einen Schritt, der zu schweren Umweltschäden führen, das Vertrauen in demokratische Entscheidungsprozesse untergraben und letztlich nicht zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Landwirte beitragen wird, denen sie eigentlich helfen soll“.
Hinzu kommt, dass die Kommission auch die Bio-Gesetzgebung wieder aufrollen wird, um sie „zukunftsfähig“ zu machen, wie EU-Agrarkommissar Christophe Hansen kürzlich angekündigt hat. Dabei gelte es, „die hohen Standards der ökologischen Produktion nicht zu senken“, sagte der Kommissar.
Inzwischen hat die Kommission einen weiteren Omnibus-Vorschlag angekündigt, wonach „unnötige regulatorische Belastungen zu reduzieren und gleichzeitig hohe Standards aufrechtzuerhalten“ zu sind, diesmal mit Blick auf die Sicherheit von Lebens- und Futtermitteln. Dieser Vorschlag soll bis Ende dieses Jahres vorliegen.
Protest im Omnibus
Der Vorstoß, unter dem Deckmantel der Vereinfachung politische Maßnahmen auszuhöhlen, stößt auf heftige Kritik seitens der Zivilgesellschaft und der Bürger*innen in der gesamten EU. Sie fordern die politischen Entscheidungsträger dazu auf, mehr und nicht weniger Schutzmaßnahmen für die gefährdeten Ökosysteme Europas zu ergreifen.
Als Zeichen des Protests fuhr am 1. Oktober ein echter Omnibus durch die Straßen von Brüssel – als Teil der Kampagne #HandsOffNature. Die Initiator*innen wehren sich gegen das, was sie als „stille Demontage” von Vorschriften unter dem „falschen Versprechen der Vereinfachung” bezeichnen. Sie haben eine Petition mit knapp 190.000 Unterschriften an EU-Umweltkommissarin Jessika Roswall übergeben.
Unterdessen hat Corporate Europe Observatory Deregulation Watch ins Leben gerufen. Damit will die Organisation die Zivilgesellschaft dabei unterstützen, neue Entwicklungen in der Deregulierungsagenda zu beobachten, die Risiken zu bewerten und sich für einen starken Schutz der sozialen, ökologischen und Menschenrechte einzusetzen.
Wie geht es weiter?
Viele dieser Vorschläge sind noch nicht in Stein gemeißelt. Sie müssen noch vom Rat geprüft werden und es muss ein Kompromiss zwischen allen Beteiligten gefunden werden. Aber die Zustimmung des Parlaments deutet darauf hin, dass dieses Trojanische Pferd, auch wenn es eher aus Pappe als von einem Tischlermeister gefertigt war, bereits durch die Tore von Brüssel gerollt ist.
Jetzt kommt es darauf an, ob Gesetzgeber und Bürger*innen erkennen, was aus seinem Inneren herausquillt: neben Vereinfachungen auch die systematische Demontage von Vorschriften, die Landwirte, Bürger und Ökosysteme eigentlich schützen sollen.
Die Autorin
Natasha Foote ist freiberufliche Journalistin, Podcasterin und Moderatorin mit Schwerpunkt auf der Agrar- und Ernährungspolitik der EU. Zuvor arbeitete sie für das EU-Medium EURACTIV und verbrachte mehrere Jahre auf Bauernhöfen in Europa.
Übersetzt mit Hilfe von DeepL. Der ungekürzte Artikel erschien auf Englisch hier.
Gut zu wissen
Was verbirgt sich hinter dem Omnibus?
Mit dem Begriff Omnibus verbinden die meisten Menschen ein Fahrzeug, das sie im öffentlichen Personennahverkehr befördert.
In der Gesetzgebung der EU steht der Begriff auch für ein Verfahren, bei dem mehrere Vorschläge oder Gesetzesänderungen in einem einzigen Gesetzentwurf zusammengefasst werden. Damit soll die Gesetzgebung effizienter gestaltet werden.
Der Begriff ist abgeleitet vom lateinischen omnibus, das bedeutet: für alle. Stellen Sie sich vor: In einen Entwurf (den Omnibus) mit Änderungsanträgen werden weitere Punkte (Passagiere) hinzugefügt. Dadurch lassen sich die unterschiedlichen Sachverhalte miteinander verbinden und gleichzeitig verhandeln. Fertig ist das Omnibusverfahren.
Durch die Bündelung in einem Paket können Vorschläge oder Änderungen leichter verabschiedet werden. Kritiker*innen befürchten jedoch, dass wichtige Themen nicht ausreichend diskutiert und Umweltaspekte außer Acht gelassen werden.


