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Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzorganisationen
News | 17.11.2025
#Biodiversität und Naturschutz #Politik und Gesellschaft

Demokratie statt Deregulierung

Ein defektes Schild in einem Landschaftsschutzgebiet
© Wolfgang Mädlow
Der Landschaftsschutz in Brandenburg wird auf den Kopf gestellt

Mit einer Gesetzesänderung wurden diesen Sommer in Brandenburg Naturschutzstandards und Bürgerbeteiligung abgebaut. Landschaftsschutzgebiete wurden gegen die Mehrheit der Bevölkerung für Bauprojekte freigegeben und die Rechte der Naturschutzverbände reduziert. Der Vorsitzende des NABU Brandenburg Björn Ellner warnt vor negativen Folgen – etwa Fehlentscheidungen von Behörden und volkswirtschaftlichen Risiken.

Brandenburg galt bis vor Kurzem als einer der Vorreiter im Naturschutz. Dazu trugen neben vielen Schutzgebieten auch die im Vergleich zum Bundesnaturschutzgesetz an mehreren Stellen weiterführenden landesrechtlichen Regelungen bei. Insbesondere Landschaftsschutzgebiete haben mit rund 34 Prozent einen beachtlichen Anteil an der Fläche in Brandenburg.

Mit der neuen SPD- und BSW-geführten Landesregierung hat sich dies nun geändert. Unter dem Deckmantel des Bürokratieabbaus wurden die Naturschutzstandards mit der Änderung des Brandenburgischen Naturschutzausführungsgesetzes im zurückliegenden Sommer geschliffen. So wurde der Schutzstatus von Landschaftsschutzgebieten deutlich herabgesetzt, indem nun diverse Bauvorhaben ermöglicht wurden. Damit können Landschaftsschutzgebiete in Zukunft ihre Funktion zur Erhaltung der freien Landschaft nicht mehr erfüllen. Pikant ist, dass dies gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung passierte. Die Märkische Allgemeine Zeitung hat in einer Blitzumfrage, an der sich 912 Personen beteiligten, herausgefunden, dass fast drei Viertel der Befragten die Erleichterung von Bauvorhaben in Landschaftsschutzgebieten ablehnt.

Beteiligung unerwünscht?

Darüber hinaus schwächt die Gesetzesnovelle auch die Rechte der Zivilgesellschaft und damit die Demokratie. Zum Beispiel wurden die Beteiligungsrechte der anerkannten Naturschutzverbände, in denen sich in Brandenburg tausende Bürgerinnen und Bürger ehrenamtlich engagieren, drastisch eingeschränkt. Mit der fadenscheinigen Begründung, dass die Beteiligung der anerkannten Naturschutzverbände Planungs- und Genehmigungsverfahren verzögern oder gar blockieren würden, wurde diese auf das Mindestmaß, das das Bundesrecht vorsieht, zusammengestrichen. Dabei belief sich die Beteiligungsfrist im Regelfall ohnehin nur auf vier Wochen. Bei Baugenehmigungsverfahren, die in Brandenburg häufig sechs bis neun Monate dauern, ist das offensichtlich ein vorgeschobenes Argument. In dringenden Fällen wurden die Beteiligungsfristen schon bisher deutlich verkürzt, sodass von Verzögerungen keine Rede sein kann. Eine vermeintliche Blockade von Planungs- und Genehmigungsverfahren war bisher durch die Beteiligung der anerkannten Naturschutzverbände ebenfalls  nicht möglich, da die zuständigen Behörden nicht an das Votum der Verbände gebunden sind und auch ohne Stellungnahme der Verbände entscheiden können.

Portrait Björn Ellner
Es ist die Kenntnis der ehrenamtlich aktiven Naturschützerinnen und Naturschützer, die dafür sorgt, dass rechtssichere Entscheidungen durch die Behörden getroffen werden. Die Verbändebeteiligung ist also erforderlich.
Björn Ellner, NABU Brandenburg
Landesvorsitzender

Außerdem wird nun in Brandenburg von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, selbst in Verfahren, in denen eine Verbändebeteiligung vorgesehen ist, auf diese zu verzichten, wenn die Behörden nur geringe Auswirkungen auf Natur und Landschaft erwarten. Was vielleicht erst einmal nachvollziehbar klingt, birgt in der Praxis die Gefahr, dass Vorhaben ohne Berücksichtigung von geschützten Arten oder Biotopen durchgewinkt werden. Die Datenlage über das Vorkommen von geschützten Arten und Biotopen ist bei den Behörden schlecht. Die Daten sind unvollständig und zum Teil stark veraltet. In der Praxis fehlt den zuständigen Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern die Zeit, sich die Situation vor Ort anzusehen. Die Folge ist, dass alle Informationen, die nicht vom Schreibtisch aus abrufbar sind, keine Berücksichtigung finden. Vorkommen geschützter Arten und Biotope sind in vielen Fällen dynamisch, sodass mehrere Jahre alte Kartierungen, sofern diese überhaupt existieren, nicht weiterhelfen. Letztendlich ist es die Kenntnis der ehrenamtlich aktiven Naturschützerinnen und Naturschützer, die dafür sorgt, dass rechtssichere Entscheidungen durch die Behörden getroffen werden. Die Verbändebeteiligung ist also erforderlich, damit die Behörden sich überhaupt erst einmal ein umfassendes Bild über die Auswirkungen auf Natur und Landschaft verschaffen können. 

Falsche Entscheidungen vorprogrammiert

Gehen die Behörden davon aus, dass ein Vorhaben nur geringe Auswirkungen auf Natur und Landschaft habe und es wird ein Fledermausquartier dabei unwissentlich zerstört, ist dies eine fatale Fehlentscheidung. Damit nimmt der Landtag in Kauf, dass das Risiko rechtswidriger Entscheidungen steigt und das Artensterben in Brandenburg verstärkt wird. Sollte es in so einem Fall zu einer Klage kommen, drohen Schadensersatzansprüche, die letztendlich von den Steuerzahlenden zu tragen sind. Die Verantwortung über die Entscheidung, ob nur geringe Auswirkungen auf Natur und Landschaft zu erwarten sind, liegt nun bei den Behörden. Bis dato gab es eine klare gesetzliche Vorgabe, in welchen Verfahren die anerkannten Naturschutzverbände zu beteiligen sind. Damit müssen nun die Behörden einen Prüfschritt mehr absolvieren, sodass sogar Bürokratie auf- statt abgebaut wurde.

Mit dieser Gesetzesänderung wurden die Interessen vieler Bürgerinnen und Bürger und das ehrenamtliche Engagement tausender Naturschützerinnen und Naturschützer in Brandenburg missachtet und das Risiko behördlicher Fehlentscheidungen erhöht. Dass auch der Frust in der Bevölkerung über das Gefühl, unser Rechtsstaat funktioniere nicht mehr, zu Politikverdrossenheit führt und demokratiegefährdend ist, ist der aktuellen Landesregierung offensichtlich egal.

Der Autor

Björn Ellner ist seit 2022 Landesvorsitzender des NABU Brandenburg. Er studierte Forstwirtschaft sowie Regionalentwicklung und Naturschutz und arbeitete für die Forstverwaltungen in Thüringen und Bayern sowie für die untere Naturschutzbehörde im Landkreis Märkisch-Oderland.

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