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Entwaldung im Umweltrat und Genfer Biodiversitätsverhandlungen
EU-News | 17.03.2022
#Biodiversität und Naturschutz

Entwaldung im Umweltrat und Genfer Biodiversitätsverhandlungen

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c. Pixabay

Die Umweltminister*innen tagen heute in Brüssel unter anderem zum Thema Waldschutz und Anti-Entwaldung - begleitet von den Argus-Augen etlicher Umweltverbände. Derweil läuft in Genf die letzte Vorverhandlung zum globalen Biodiversitätsrahmen, bevor dieser voraussichtlich im Mai im chinesischen Kunming auf UN-Ebene angenommen wird.

Anti-Entwaldungsgesetz bisher noch ohne Entscheidung

Der Umweltrat hat am heutigen Donnerstag neben anderen wichtigen Themen wie dem "Fit for 55-Paket" (EU-News 17.03.2022) oder das Batteriengesetz (EU-News 17.03.2022) auch den Entwurf des Anti-Entwaldungsgesetzes auf der Tagesordnung gehabt. Damit soll das Risiko verringert werden, dass Produkte auf dem EU-Markt während ihrer Herstellung zur Zerstörung von Wäldern und zu Menschenrechtsverletzungen geführt haben. Vorerst ging es den Minister*innen aber lediglich um einen Gedankenaustausch. Der Agrarat hatte im Februar darüber dieskutiert. Die Umweltratsdebatte zum Verordnungsentwurf über entwaldungsfreie Produkte wurde öffentlich übertragen (Videomitschnitt). Ein Dokument des französischen Vorsitzes beschrieb die zu erörternden Fachfragen (unter anderem die bisher unklaren Definitionen wie „Waldschädigung“, „nachhaltige Erntevorgänge“, „Entwaldung“).

Zuvor hatten zahlreiche Umweltverbände gefordert, die Vorlage der EU-Kommission nicht abzuschwächen.

Ein beeindruckendes Wandgemälde des mexikanischen Straßenkünstlers Carlos Alberto GH hat der WWF am Montag enthüllt. Das unübersehbare 24 Meter hohe Wandbild wurde von der gemeinnützigen Organisation Street Art for Mankind kuratiert und wird durch die kostenlose App „Behind the Wall®“ zum Leben erweckt. Es bringt laut WWF „die Forderung von 1,2 Millionen Bürger*innen und fast 200 Nichtregierungsorganisationen zum Ausdruck, die sich in der Kampagne #Together4Forests zusammengeschlossen haben und sich für strenge EU-Rechtsvorschriften zur Eindämmung der weltweiten Entwaldung einsetzen“.

Über eine E-Mail-Aktion im Rahmen der Kampagne #Together4Forest hatten vor dem Umweltministertreffen auch mehr als 30.300 Unterstützer*innen aus Deutschland Nachrichten an Bundesumweltministerin Steffi Lemke und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir gesendet. Diese sollen sich in Brüssel für ein wirksames Gesetz zum Stopp der EU verantworteten globalen Waldzerstörung einsetzen. EU-weit waren es laut der #Together4forest-Kampagne sogar über 53.000 Botschaften, die an den Umweltrat geschickt wurden.

Sechs Kletterprofis von Greenpeace Belgien – live begleitet vom Twitterkanal des Europabüros von Greenpeace - bestiegen während der Verhandlungen im Umweltrat das Gebäude und entrollten ein Banner mit einem Zähler, wie viele Hektar Wald in der Zeit, in der der Rat verhandelte, zerstört wurden.  Alle zwei Sekunden würden Waldflächen in Größe eines Fußballfeldes vernichtet.

Die Waldschutzorganisation FERN analysierte in einem Erklärvideo fünf Schlupflöcher im bisherigen Entwurf der Verordnung über entwaldungsfreie Produkte. In mehreren Sprachen werden die Probleme erklärt und die Schlupflöcher erwähnt, die in den nächsten Monaten geschlossen werden müssen, wenn die Verordnung im Europäischen Parlament und im Rat diskutiert wird.

UN-Biodiversitätskonferenz: Vorbereitungen in Genf laufen

Vom 14. bis zum 29. März findet in Genf eine Vorverhandlung zur UN-Konferenz über biologische Vielfalt statt, an der auch die EU teilnimmt. Es geht um nichts weniger als einen globalen rechtlichen Biodiversitätsrahmen für die Zeit nach 2020, dessen Verabschiedung pandemiebedingt mehrfach verschoben wurde. Die Beratungen in Genf sind laut EU-Kommission die letzte offizielle Zusammenkunft der Regierungen vor der wahrscheinlichen Annahme auf dem COP15-Biodiversitätsgipfel im Mai im chinesischen Kunming. Die EU will sich nach eigenen Angaben in den Verhandlungen dafür stark machen, dass der Rahmen mindestens die folgenden Elemente umfasst:

  • Ehrgeizige, messbare und zeitgebundene Ziele, Meilensteine und Vorgaben, um die Ökosysteme der Welt bis 2050 wiederherzustellen, resilient zu machen und angemessen zu schützen;
  • Zielvorgaben, um die direkten und indirekten Ursachen für den Verlust an biologischer Vielfalt anzugehen und einen nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen sicherzustellen, darunter das 30x30-Ziel, um bis 2030 mindestens 30 Prozent der Landflächen und Ozeane weltweit zu schützen;
  • Operative Bestimmungen zur Mobilisierung von Finanzmitteln und anderen Durchführungsmitteln (die EU will ihre internationalen Biodiversitätsfinanzmittel insbesondere für die am stärksten gefährdeten Länder verdoppeln);
  • Deutlich stärkere Umsetzungs-, Überwachungs- und Überprüfungsverfahren, einschließlich Transparenz hinsichtlich der geplanten Umsetzung, eine Analyse und Bestandsaufnahme der globalen Lücken und gegebenenfalls beschleunigte Anstrengungen;
  • Wirksame Umsetzung des Ziels Nr. 3 der Konvention über die biologische Vielfalt hinsichtlich des Zugangs zu und einer fairen und gerechten Aufteilung der Vorteile aus der Nutzung genetischer Ressourcen, das gleichzeitig gewährleistet, dass das Potenzial von Wissenschaft, Forschung und Innovation weiterhin voll ausgeschöpft und so auch die Umsetzung der anderen Ziele gefördert wird, und
  • Gewährleistung der Achtung der Rechte indigener Völker sowie uneingeschränkte und wirksame Einbindung indigener Völker und Interessenträger.

Die EU-Kommission will auf den „guten Ergebnissen der Umweltversammlung der Vereinten Nationen in Nairobi letzte Woche“ aufbauen, darunter die vereinbarte Definition für naturbasierte Lösungen, die von wesentlicher Bedeutung für die Natur, den Menschen und das Klima seien.

Der NABU begleitet in seinem Blog „Naturschätze retten“ die Verhandlungen in Genf, die zu einem „Paris Agreement für die Biodiversität“ führen sollten. Dem Verband geht es vor allem um die Durchsetzung ambitionierter, messbarer und vor allem verbindlicher Ziele zum Schutz der biologischen Vielfalt. Auch „starke Umsetzungsmechanismen“ in Sachen Berichterstattung, Monitoring, Überprüfung und Nachschärfung seien nötig, nicht zu vergessen die ausreichende Finanzierung. „Ob wir ein Paris-Agreement für die Biodiversität und die entsprechende Trendumkehr bei Artensterben und dem Verlust von Lebensräumen bekommen, wird auch davon abhängen, wie viel die reichen Länder bereit sind dafür zu zahlen“, kommentiert NABU-Biodiversitätsschutzexpertin Magdalene Trapp.

Wissenschaftler*innen des Leibniz-Forschungsnetzwerks Biodiversität und anderer Institutionen haben eine Bestandsaufnahme zum Erhalt der Natur als Lebensgrundlage des Menschen vorgelegt. Die am 15. März veröffentlichten „10 Must-Knows aus der Biodiversitätsforschung“ sollen im Vorfeld der Weltbiodiversitätskonferenz der Vereinten Nationen im chinesischen Kunming zum Dialog einladen, formulieren aber gleichzeitig konkrete Empfehlungen für Politik und Gesellschaft. „Wenn wir so weitermachen wie bisher, ruinieren wir die Grundlagen unseres Lebens auf diesem Planeten“, erklärte Kirsten Thonicke vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Sprecherin des Leibniz-Forschungsnetzwerks Biodiversität. „Wichtig ist dabei, nicht auf individuelle Phänomene zu starren, etwa auf eine einzelne vom Aussterben bedrohte Art, sondern auf die Zusammenhänge. Am Ende geht es um unsere Luft zum Atmen, unser Wasser zum Trinken. Wir wollen Mut machen, die Herausforderungen anzupacken. Je länger wir zögern, desto schwieriger und teurer wird es – hier gibt es eindeutige Parallelen zur Klimathematik.“ [jg]

Umweltrat: Überblicksseite über Tagesordnung und zugehörige Pressemitteilungen

WWF: New Brussels street art highlights EU-driven forest destruction

WWF: Über 30.300 Stimmen für den Waldschutz

WWF (15.03.): Environment ministers’ chance to boost action on climate and deforestation

FERN: 5 loopholes in the EU deforestation regulation

COP15 – globale Biodiversitätsverhandlungen: EU führend in den Bemühungen um ein neues Abkommen zum Schutz von Mensch und Planet

NABU-Blog: Verhandlungen in Genf: Wir brauchen ein Paris Agreement für die Biodiversität

Leibniz-Gemeinschaft: Bestandsaufnahme zum Erhalt der Natur

EU-Wiederherstellungsgesetz und Pestizid-Gesetzesvorschlag später

Aus Brüsseler Quelle ist zu vernehmen, dass die beiden eigentlich für 23. März geplanten Kommissionsvorschläge zur Renaturierung und zur nachhaltigen Verwendung von Pestiziden in der Landwirtschaft auf bisher unbestimmte Zeit verschoben werden. Wir halten Sie auf dem Laufenden...

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