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Verhandlungen über das Klimapaket „Fit for 55“ gehen in die nächste Runde
EU-News | 17.03.2022
#EU-Umweltpolitik #Klima und Energie

Verhandlungen über das Klimapaket „Fit for 55“ gehen in die nächste Runde

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c. Pixabay

Rat und Parlament beraten derzeit über Teile des Klimapakets „Fit for 55“. Marktstabilitätsreserve soll bis 2030 verlängert werden. Einvernehmen über das CO₂-Grenzausgleichssystem (CBAM). Umweltverbände sehen in CBAM-Verhandlungen verpasste Chancen für mehr Klimaschutz.

Umweltrat debattiert über das Fit for 55-Paket

Die deutsche Bundesumweltminsterin Steffi Lemke gab bei der morgendlichen Pressebegrüßung [Arrival and doorstep DE (Lemke)] im Vorfeld des Umweltrats einen ersten Überblick über die deutsche Position zu verschiedenen Themen des Umweltrats. Sie sprach sich für verschärfte Klimaziele und das Aus von Neuzulassungen für Verbrennungsmotoren bis 2035 aus. Sven Giegold, früher EU-Abgeordneter, jetzt Staatssekretär erläuterte Näheres zur Klimadebatte [Doorstep DE (Giegold)] . Er betonte die deutliche Unterstützung Deutschlands für den umstrittenen Emissionshandel für Verkehr und Gebäude und die Skepsis der Bundesregierung im Hinblick auf den vorgeschlagenen Klimasozialfonds. Siehe auch Pressemeldung des Umweltministeriums. 

Der Deutsche Naturschutzring (DNR) hatte vor der Sitzung der Umweltminister:innen auf das entsprechende Positionspapier mit Kernforderungen zum EU-Klimapaket von zehn Umweltverbänden verwiesen. Der europäische Green Deal mit dem „Fit for 55”-Paket müsse auch angesichts des Ukrainekriegs die Antwort sein, mit der sich die EU in kürzester Zeit aus der Abhängigkeit von fossilen Energien befreie. „Darum muss die europäische Energiewende auf Basis von Effizienz, Sonne und Wind jetzt schnell und entschieden vorangetrieben werden”, so DNR-Präsident Kai Niebert. In ihrem Papier fordern die Verbände außerdem ein Aus für den Verbrennungsmotor bis 2030, ein schnelleres Ende der kostenlosen Vergabe von Verschmutzungszertifikaten an die Industrie und mehr sozialen Ausgleich über den neuen Klimasozialfonds. Weiterhin müssten die Ziele für erneuerbare Energien und die Energieeffizienz angehoben und verbindlicher gemacht werden. Als wichtige EU-Klimasofortmaßnahme fordern die Verbände die Löschung überschüssiger Zertifikate im Emissionshandel.

Dass die Bundesregierung sich vor dem Rat der Umweltminister*innen nicht zu einem klaren Ja für den neuen Klimasozialfonds bekennen konnte, kritisierten die Umweltorganisationen scharf: „Der europäische Green Deal kann nur gelingen, wenn es einen sozialen Ausgleich zwischen den stärkeren und schwächeren europäischen Volkswirtschaften gibt. Der Klimasozialfonds ist die große Chance für die EU, das Versprechen von europäischer Solidarität einzulösen und Klimaschutz mit sozialer Gerechtigkeit zusammenzudenken. Gerade ein sozialdemokratischer Bundeskanzler Olaf Scholz muss sich jetzt ehrlich machen und die europäische Solidarität hochhalten, auch wenn Deutschland im neuen Fonds zum Nettozahler würde“, forderte Niebert.

Umweltausschuss will Marktstabilitätsreserve bis 2030 verlängern

Am Dienstag fand im Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit im EU-Parlament (ENVI) eine erste Teilabstimmung über das „Fit for 55“-Paket statt. Mit 65 Ja-Stimmen, 20 Gegenstimmen und einer Enthaltung wurde der überarbeitete Bericht zur Marktstabilitätsreserve (MSR) für das EU-Emissionshandelssystem (ETS) angenommen. Die Abgeordneten nannten die MSR einen Schlüssel, um zu verhindern, dass der CO2-Preis im ETS sinkt. Dies könnte wiederum dazu führen, dass die Industrie weniger Anreize hätte, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren, und somit den erhöhten Ambitionen im EU-Klimagesetz zuwiderlaufen. Deshalb soll aus Sicht des ENVI die bisher befristete Anpassung in der MSR bis Ende 2030 verlängert werden, so dass der Prozentsatz der Gesamtzahl der Zertifikate in der Reserve nach 2023 nicht wieder unter 24 Prozent fällt und die Mindestanzahl der Zertifikate in der Reserve nicht unter 200 Millionen sinkt. Eine derartige Überarbeitung liefere „ein starkes Preissignal für eine kosteneffiziente Verringerung der Treibhausgasemissionen” und könne verhindern, dass es zu einem schädlichen Anstieg des Überschusses an Emissionszertifikaten kommt. Die Abgeordneten fordern die Kommission außerdem auf, die Funktionsweise der Reserve zu überwachen und sie für den Fall künftiger unvorhersehbarer externer Schocks einsatzfähig zu halten.

Die MRS ist ein Instrument zur Behebung des Ungleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage nach Zertifikaten auf dem Markt. Der Bericht steht auf der Tagesordnung der Plenarsitzung vom 4. bis 7. April.

CBAM: Einvernehmen über das CO₂-Grenzausgleichssystem

Bereits am Dienstag hat der EU-Rat der Wirtschafts- und Finanzminister:innen Einvernehmen über das CO2-Grenzausgleichssystem (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) erzielt. CBAM gilt als Schlüsselelement des „Fit for 55“-Pakets. Das Grenzausgleichssystem soll die Verlagerung von CO2-Emissionen vermeiden, perspektivisch die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten im Emissionshandel ablösen und europäische Partnerländer dazu bringen, eine eigene CO2-Bepreisungspolitik zu Bekämpfung des Klimawandels zu entwickeln. Der Rat hat sich, im Unterschied zur Kommission, für eine stärkere Zentralisierung der Verwaltung des CBAM entschieden. So schlägt der Rat beispielsweise vor, ein Register der CBAM-Anmelder auf EU-Ebene einzuführen. Außerdem sieht der Rat einen Mindestschwellenwert  vor, mit dem Sendungen mit einem Wert von weniger als 150 Euro von den Verpflichtungen des CBAM ausgenommen werden.

Germanwatch und 12 weitere Verbände äußerten sich enttäuscht über die Ergebnisse des Treffens des EU-Wirtschafts und -Finanzrats. In einem gemeinsamen Statement forderten sie ein schnelleres Ende der Zuteilung von kostenlosen Zertifikaten bei der Einführung des CBAM. Die EU-Finanzminister:innen hätten die Chance verpasst, CBAM ambitioniert und gerecht zu gestalten. Rat, Parlament und Kommission sollten in den anstehenden Trilog-Verhandlungen den Grenzausgleich so nachbessern, dass er die Industrietransformation sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU beschleunigt und dabei nicht zu Lasten der ärmsten Staaten gehe, äußerten sich die NGOs. [lw]

Umweltrat: Überblick über Tagesordnung und Ergebnisse

Europäisches Parlament:  ETS: Environment MEPs want to extend the Market Stability Reserve to 2030

Europäischer Rat:  Rat erzielt Einvernehmen über das CO₂-Grenzausgleichssystem

Germanwatch: Verpasste Chance für beschleunigte Industrietransformation und mehr internationale Zusammenarbeit bei Klimaschutz

Statement: Joint NGO statement on CBAM for ECOFIN meeting_March 2022.pdf

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