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EU-LIFE-Projekt konkret: Biodiversität in der Lebensmittelbranche
EU-News | 08.12.2025
#Biodiversität und Naturschutz #EU-Umweltpolitik #Landwirtschaft und Gentechnik

EU-LIFE-Projekt konkret: Biodiversität in der Lebensmittelbranche

Gruppenfoto mit EU-blauer Flagge mit der Aufschrift "Life", außenherum gelbe Sterne
© Global Nature Fund
Team des LIFE Fit for Biodiversity Projekts beim Projektteam-Treffen in Bonn

Lebensmittelanbau und -verkauf beeinflussen die biologische Vielfalt und sind zugleich von ihr abhängig. Das LIFE-Projekt ‚Fit for Biodiversity‘ zeigt, wie Unternehmen der Lebensmittelbranche Verantwortung übernehmen können. Die Finanzierung durch das EU-Förderinstrument für Umwelt- und Naturschutz hilft, Biodiversität in Lieferketten zu integrieren und nachhaltige Standards zu etablieren.

Gastbeitrag von Marion Hammerl, Global Nature Fund

Global Nature Fund (GNF) und Bodensee-Stiftung sind „alte Hasen“, wenn es um Anträge geht bei LIFE, dem einzigen EU-Förderprogramm für Umwelt- und Naturschutz. Auch wenn die Förderquote mit aktuell 60 Prozent für sogenannte Governance-Projekte eine Herausforderung ist, gehört LIFE für uns zu den wichtigsten Finanzierungsinstrumenten. Hier kann eine Nichtregierungsorganisation (NGO) auch Projekte beantragen, die nicht in die nationalen politischen Zielvorgaben passen und die einzig darauf ausgerichtet sind, Lösungen zu erarbeiten und in der Praxis umzusetzen.

Bei unserem aktuellen LIFE-Projekt Fit for Biodiversity (das 6. Projekt für den GNF) geht es um die Lebensmittelbranche und biologische Vielfalt. Mit der Landwirtschaft als Haupt-Rohstofflieferant hat diese Branche große und meist negative Wirkungen auf die Biodiversität und ist andererseits in hohem Maße von Biodiversität und ihren Ökosystemleistungen abhängig, zum Beispiel von Bestäubung, Bodenfruchtbarkeit, Wasser, Mikroklima oder „nature-based Solutions“ für die Anpassung an den Klimawandel.

Portraitfoto von Marion Hammerl, Global Nature Fund
Obwohl es im ureigensten Interesse der Lebensmittelunternehmen sein müsste, ihre Wirtschaftsgrundlagen zu schützen, gibt es nach wie vor nur wenige Unternehmen, die sich mit dem Handlungsfeld Biodiversität befassen. Hier setzt unser LIFE-Projekt an.
Marion Hammerl
Präsidentin Global Nature Fund

Fit for Biodiversity: Die Lebensmittelbranche im Fokus

Obwohl es im ureigensten Interesse der Lebensmittelunternehmen sein müsste, ihre Wirtschaftsgrundlagen zu schützen, gibt es nach wie vor nur wenige Unternehmen, die sich mit dem Handlungsfeld Biodiversität befassen. Hier setzt unser LIFE-Projekt an. Gemeinsam mit Food for Biodiversity (übrigens auch aus einem LIFE-Projekt entstanden), MeoCarbon und der Justus-Liebig-Universität motivieren wir Unternehmen und Standardorganisationen, sich intensiv mit dem Thema zu beschäftigen und Verantwortung zu übernehmen. 

Dazu stellen wir im Rahmen des Projekts vielfältige Hilfestellung bereit: 

Die Mitglieder der Initiative Food for Biodiversity haben ein Basis-Set an Biodiversitätskriterien verabschiedet und sich verpflichtet, die Kriterien in den Lieferketten für 16 Rohstoffe zu berücksichtigen. Außerdem sollen sechs spezifische Basis-Sets erarbeitet werden; Obst und Gemüse ist bereits in Bearbeitung. Die Einigung auf ein Basis-Set ist ein wichtiger Schritt und verbessert sowohl Lebensmittelstandards als auch die Einkaufsvorgaben der Unternehmen.

Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität sind häufig mit Kosten verbunden, die nicht alleine zu Lasten der Landwirt*innen gehen dürfen. Die Bodensee-Stiftung hat über 30 Anreizprogramme von Unternehmen analysiert und ist aktuell dabei, die Erfolgsfaktoren aus den besten Programmen herauszufiltern. Ein Leitfaden sowie 4 Videos sollen Unternehmen motivieren, Landwirt:innen in ihren Lieferketten ebenfalls bei der Umsetzung von Maßnahmen zu unterstützen. 

Unserer Meinung nach muss Offsetting bei Biodiversity Credits ausgeschlossen werden und die angebotenen Projekte müssen einen Bezug zur Lieferkette haben (Insetting). Dann – und wenn die Fehler rund um die CO2 Zertifikate nicht wiederholt werden -, kann dieses Instrument einen wichtigen Beitrag leisten, um die Restaurierung von Ökosystemen zu finanzieren.
Marion Hammerl
Präsidentin Global Nature Fund

Fortbildung ist eine weitere wichtige Komponente im LIFE-Projekt: GNF und Bodensee-Stiftung bieten Training an für Manager in den Unternehmen, die verantwortlich sind für Produktqualität, Lieferkette und Einkauf. Eine weitere Zielgruppe sind Umweltgutachter und Wirtschaftsprüfer, die einerseits Unternehmen beraten und Nachhaltigkeits- oder CSRD-Berichte zertifizieren. Bei beiden Aufgaben sind gute Kenntnisse zur Biodiversität erforderlich.

Als wir begonnen haben, uns mit dem Handlungsfeld Business & Biodiversity zu beschäftigen, gab es nur wenige Instrumente, um Unternehmen anzuleiten. Das hat sich geändert. Heute gibt es eine Vielzahl von Methoden und Instrumenten und Unternehmen können leicht den Überblick verlieren. Die Justus-Liebig-Universität koordiniert ein Arbeitspaket mit dem Ziel, Unternehmen die Anwendung von Instrumenten zur Risikoanalyse, Management oder Monitoring von Biodiversität zu erleichtern.

Ähnlich unübersichtlich entwickeln sich die sogenannten Biodiversity Credits. Es ist die Aufgabe von MeoCarbon, den Unternehmen eine Übersicht zu geben und Hinweise darauf, welche Systeme seriös sind und insbesondere auch Insetting Projekte für die Lebensmittelbranche anbieten. Unserer Meinung nach muss Offsetting bei Biodiversity Credits ausgeschlossen werden und die angebotenen Projekte müssen einen Bezug zur Lieferkette haben (Insetting). Dann – und wenn die Fehler rund um die CO₂ Zertifikate nicht wiederholt werden -, kann dieses Instrument einen wichtigen Beitrag leisten, um die Restaurierung von Ökosystemen zu finanzieren. 

Blick auf eine Gruppe Interessierte in einem Feld mit vielen blühenden Pflanzen
Von der Theorie in die betriebliche Praxis: Schulungen zur Biodiversität für Mitarbeitende aus Lebensmittelunternehmen sind ein wichtiger Bestand des LIFE-Vorhabens Fit for Biodiversity

Europaweit wirken

Food for Biodiversity entwickelt sich gut und unsere Kenntnisse und Erfahrungen wollen wir an Organisationen weitergeben, die ähnliche Initiativen in anderen Ländern aufbauen möchten. Das Ziel im Rahmen des LIFE-Projekts ist es, mindestens fünf Organisationen bei der Einrichtung einer ähnlichen Initiative zu unterstützen. 

Das Projekt läuft vier Jahre und wir haben noch zweieinhalb Jahre Zeit, unsere Ziele zu erreichen, die wir übrigens im Antrag genau beschreiben mussten. Warum haben wir unser Projekt beim LIFE-Programm beantragt, den hohen Arbeitsaufwand in Kauf gekommen und eine große Anzahl an Anträgen, die bei jeder Ausschreibung eingereicht werden?

LIFE Programm muss weiterbestehen

Um einen LIFE-Antrag zu schreiben, braucht es mehrere Monate – gleichgültig, ob es sich um ein Projekt auf nationaler oder europäischer Ebene handelt. Wichtig ist, dass es um einen Lösungsansatz geht für ein Problem mit Relevanz in der Europäischen Union und dass möglichst alle an Bord sind, die es braucht, um Lösungen umzusetzen. Das LIFE-Antragsformular hilft, die Überlegungen zu strukturieren und fordert gute Argumente aus verschiedenen Blickwinkeln – den Interessensvertretern, der EU-Politik, Vorarbeiten auf die man aufbauen kann, Vernetzung mit anderen Initiativen ….

Sich an einem LIFE-Antrag zu orientieren ist eine gute Hilfestellung, auch wenn man den Antrag letztlich nicht einreicht. Er trägt dazu bei, dass Projekte besser werden. 

Seit 2023 ist die Abwicklung und Betreuung im Programm leider unpersönlicher geworden. Das Monitoringteam als Ansprechpartner hat wesentlich weniger Zeit zur Verfügung und die neue digitale LIFE-Projektabwicklung vergrößert den Abstand zwischen Fördergeber und Projektkoordinator.  Dies ist der Vorgabe geschuldet, die EU-Förderprojekte kostengünstiger abzuwickeln … nicht immer gut für die Qualität der umgesetzten Projekte.

Und wie alle sieben Jahre ist wieder ein Streit in Brüssel entbrannt um die Weiterführung von LIFE nach 2027. Um eine Fortführung zu sichern, setzt sich der Deutsche Naturschutzring (DNR) dafür ein, dass die EU-Haushaltsplanung für 2028–2034 die Umwelt- und Klimaschutzziele weiterhin konsequent finanziert. Der DNR appelliert an die Bundesregierung, sich in den Verhandlungen konstruktiv einzubringen und die strategische Handlungsfähigkeit Europas zu sichern und die Ziele des Green Deals zu erreichen. Wir unterstützen den DNR dabei und hoffen, dass Umweltorganisationen auch nach 2028 LIFE-Anträge stellen können.

Über die Autorin:

Marion Hammerl ist seit 2002 Präsidentin des Global Nature Fund. Sie war langjährige Geschäftsführerin der Bodensee-Stiftung.

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