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Grundschleppnetze, Unterwasserlärm und meerespolitischer Ausblick
EU-News | 22.12.2021
#Wasser und Meere #Emissionen #Rohstoffe und Ressourcen

Grundschleppnetze, Unterwasserlärm und meerespolitischer Ausblick

20.12.2021, Brüssel: Petitionsübergabe von Seas at Risk, Our Fish, Oceana, WDC, We Move Europe und Environmental Justice Foundation
© Dave Walsh (Our Fish)
20.12.2021, Brüssel: Petitionsübergabe gegen Grundschleppnetzfischerei und zerstörerische Fischereipraktiken. Eine Aktion von Seas At Risk, Oceana, WCD, European Justice Foundation, We move Europe und Our Fish.

Hunderttausende wollen ein Verbot der Grundschleppnetzfischerei in der EU, beginnend in Meeresschutzgebieten. Unterwasserlärm ist eine zusätzliche Gefahr von Tiefseebergbau, sagt OceanCare. Und 2022 steht einiges auf der Meeres-Agenda, sowohl europäisch als auch international. In Deutschland soll die Windkraft ausgebaut werden.

Mehr als die Hälfte aller Meeresböden werden umgepflügt - Protest per Petition

Mehr als 150.000 Unterschriften gegen Grundschleppnetzfischerei hat die Meeresschutzorganisation Seas At Risk mit weiteren Organisationen am Montag dem EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius überreicht. Außerdem hatten die Umweltaktiven ein riesiges farbenfrohes Pop-Up-Buch über die Auswirkungen der Grundschleppnetzfischerei auf unsere Meeresumwelt dabei. Die von so vielen Menschen getragene Petition fordert, dass die EU zerstörerische Fischereipraktiken abschafft, beginnend mit einem sofortigen Verbot der Grundschleppnetzfischerei in allen Meeresschutzgebieten.

Steve Trent von der Umweltrechtsorganisation Environmental Justice Foundation sagte: „Die Grundschleppnetzfischerei zerstört nicht nur die Ökosysteme der Meere, gefährdet die Tierwelt und bedroht die Lebensgrundlage der Küstenbewohner, sondern beschleunigt auch den Zusammenbruch des Klimas. Durch diese Praxis wird der Meeresboden aufgewühlt, wodurch lebenswichtige Kohlenstoffspeicher freigesetzt werden, die über Jahrhunderte hinweg sicher verschlossen waren. Es ist zutiefst enttäuschend, dass die EU, die bei der Verbesserung der Nachhaltigkeit in der Fischerei eine Vorreiterrolle spielt, die Grundschleppnetzfischerei in Schutzgebieten immer noch zulässt. Das muss jetzt ein Ende haben.”

Die EU-Kommission soll aus Sicht der Unterzeichner*innen ein Verbot der Grundschleppnetzfischerei in den bevorstehenden EU-Aktionsplan zur Erhaltung der Fischereiressourcen und zum Schutz der Meeresökosysteme (Ocean Action Plan) aufnehmen, der im nächsten Frühjahr verabschiedet werden soll. Die Grundschleppnetzfischerei, die umwelt- und klimaschädlichste Fischereimethode, sei in Europa weit verbreitet, beeinträchtige mehr als die Hälfte der Meeresböden und finde sogar in Meeresschutzgebieten statt.

Unterwasserlärm als versteckte Zusatzgefahr im Tiefseebergbau

Wenn der Tiefseebergbau ohne weitere Forschung und Regulierung genehmigt würde, könnte dies über Jahrzehnte hinweg für mindestens 150 Meeresarten viel zu hohe Lärmpegel bedeuten. Die Meeresschutzorganisation OceanCare hat sich speziell mit der Lärmbelästigung unter Wasser befasst und kürzlich eine Publikation zum Thema veröffentlicht: "Deep-Sea Mining: A noisy affair". Der Bericht befasst sich mit den Lärmemissionen, die von der Exploration und den zu erwartenden Ausbeutungsaktivitäten in der Tiefsee ausgehen, und mit der Bedrohung, die sie für das Meeresleben darstellen. Unterwasserlärm entstehe in allen Phasen des Tiefseebergbaus, und zwar sowohl durch temporäre als auch durch nahezu konstante Quellen. Lärm breite sich unter Wasser sehr schnell und effizient aus, fast mit der fünffachen Geschwindigkeit des Schalls in der Luft, so Ocean Care. Unter bestimmten Bedingungen könnten niedrige Frequenzen über Tausende von Meereskilometern hinweg gehört werden. In einer Tiefe von etwa 800 bis 1.000 Metern in gemäßigten Zonen könne sich der Schall über den SOFAR-Kanal (Sound Fixing and Ranging) fast ungestört ausbreiten - ähnlich wie Licht über ein Glasfaserkabel. Umgerechnet in Dezibel in der Luft seien viele Lärmquellen des Tiefseebergbaus  wie Sonar, Schiffe, Bagger oder Bohrungen schätzungsweise mehrere hundert Mal lauter als ein Weltraumraketenstart. Und dabei habe sich die vom Menschen verursachte Lärmbelastung - kommerzielle Schifffahrt, die Öl- und Gasexploration, die Aktivitäten der Marine und die Bautätigkeit - seit den 1960er Jahren in einigen Regionen ohnehin schon jedes Jahrzehnt verdoppelt. Die Organiation, die Mitglied bei Seas At Risk ist, fordert die konsequente Orientierung am Vorsorgeprinzip, wissenschaftliche Forschungen sowie ein Tiefseebergbaumoratorium.

Meerespolitischer Ausblick auf 2022

Neben dem oben erwähnten EU-Aktionsplan zur Erhaltung der Fischereiressourcen und zum Schutz der Meeresökosysteme soll es auf europäischer Ebene auch ein neues EU-Wiederherstellungsgesetz geben (voraussichtlich veröffentlich am 23. März 2022), das auch die Meeresumwelt betrifft. Auch neue Vorhaben zur Meeresbeobachtung werden kommen (Ocean Observation Plan). Parallel dazu wird die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MS-RL) bewertet und einem Fitness-Check unterzogen. Hier hatte es in diesem Jahr öffentliche Konsultationen und Workshops gegeben sowie letzten Freitag die Konferenz "Future of Ours Seas". Die fertige Evaluation zur MS-RL will die EU-Kommission im ersten Quartal 2022 vorlegen; diese soll wiederum in die Folgenabschätzung integriert werden. Und nicht zuletzt gelten die neuen Vorschläge für transeuropäischen Verkehrsverbindungen (TEN-V) unter anderem auch für Binnengewässerstraßen und Meeresrouten sowie die zugehörigen Häfen, hierzu hatte die EU-Kommission im Mitte Dezember eine Mitteilung veröffentlicht (EU-News 14.12.2021). [Link zum TENtec Interactive Map Viewer.]

Das kommende Jahr 2022 hält eine Vielzahl an zentralen Entscheidungen und Weichenstellungen für den Meeresschutz und die internationale Meerespolitik bereit. Eine Reihe wichtiger Konferenzen stattfinden und relevante Prozesse auf internationaler Ebene voranbringen oder gar abschließen. Dazu gehören unter anderem die UN Ozean Konferenz in Portugal, die Weltnaturkonferenz in China, die Weltklimakonferenz in Ägypten sowie die Verhandlungen zum Tiefseebergbau, zum BBNJ-Übereinkommen als auch die Konferenz der FAO zu Fischerei und Aquakultur. Zudem ist 2022 das Internationale Jahr der Kleinfischerei und Aquakultur. Der Ausgleich von Verlusten und Schäden im Kontext der Klimaverhandlungen steht genauso auf der Agenda wie Initiativen zum Schutz der Rolle der Kleinfischerei bei der Ernährungssicherung oder der Ausweitung von Meeresschutzgebieten. Nicht zuletzt berühren sie einen Kern des UN-Nachhaltigkeitsziels SDG 14 und damit der Ozean Konferenz der UN im kommenden Juni in Lissabon.

Ein interessantes meerespolitisches Interview gibt es hier: Ocean protection and Marine Directive review: past present future. Interview with Monica Verbeek, Executive Director of Seas At Risk. [jg]

Seas At Risk et al.: More than 150,000 Europeans call on EU to ban bottom-trawling to protect ocean and climate

Seas At Risk: Underwater noise: the hidden danger of deep-sea mining

Windkraftausbau in der Nordsee

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