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Intakte Natur braucht konsequenten Klimaschutz
News | 07.11.2023
#Biodiversität und Naturschutz #Klima und Energie #Politik und Gesellschaft

Intakte Natur braucht konsequenten Klimaschutz

Steffi Lemke
© Bundesregierung/Steffen Kugler
Bundesumweltministerin Steffi Lemke

Die Hälfte der Ampel-Legislatur ist fast vorüber, und wir richten den Blick darauf, was in der verbleibenden Zeit bis 2025 im Natur- und Umweltschutz noch am dringendsten umzusetzen ist und welche Gesetzesvorhaben bis dahin noch realisierbar sind. Bundesumweltministerin Steffi Lemke sagt: „Die Klimakrise können wir nur lösen, wenn wir die Natur schützen – und die Natur können wir nur retten, wenn wir das Klima schützen.“ Wie das gelingen kann, darüber sprechen wir mit ihr.

Das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) ist ein gutes Beispiel für erfolgreiche Umweltpolitik, weil es die Biodiversitäts- und die Klimakrise gemeinsam anpackt. Das Ziel ist, Ökosysteme wie Wälder und Meere zu stärken, wiederherzustellen und zu bewahren. In den kommenden drei Jahren werden dafür insgesamt vier Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Wofür wird das Geld konkret eingesetzt?

Bundesumweltministerin Steffi Lemke: Das Aktionsprogramm enthält 69 Maßnahmen zu Mooren, Wäldern, Meeren und Küsten, Siedlungs- und Verkehrsflächen sowie zu Forschung und Kompetenzaufbau. Mit vier Milliarden Euro bis 2026 steht dafür so viel Geld wie nie zuvor bereit. Wir haben bereits mit der Umsetzung begonnen. Das Kompetenzzentrum für Natürlichen Klimaschutz (KNK) wurde eingerichtet, damit sich alle Interessierten über eine passende Förderung informieren können. Ebenso haben wir eine erste Förderrichtlinie veröffentlicht, die natürlichen Klimaschutz in ländlichen Städten und Landkreisen unterstützt. Eine weitere Förderrichtlinie zur Stärkung der Stadtnatur wird bald folgen und große Modellprojekte werden begonnen.

Was genau ist der Auftrag des KNK, das im Oktober seine Arbeit aufgenommen hat?

Die Fachleute des Kompetenzzentrums informieren und beraten gezielt zu den Fördermöglichkeiten. Aber vor allem werden die Akteur*innen in den Ländern und Kommunen noch besser miteinander vernetzt, um Synergien zu nutzen und die konkreten Maßnahmen voranzutreiben.

Die Kommunen sind wichtige Akteure bei der Umsetzung des Aktionsprogramms. Gerade im ländlichen Raum gibt es Wälder und Auen, Böden und Moore, die zu stärken sind. Und in den Dörfern und Gemeinden vor Ort werden entsprechende Maßnahmen, etwa zur Klimaanpassung durchgeführt. Wie unterstützen Sie die Kommunen bei dieser wichtigen Aufgabe?

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es lokal viele gute Ideen gibt. Wichtige lokale Akteure sind beispielsweise Klimaanpassungs- oder Klimaschutzmanager*innen oder auch engagierte Menschen aus Organisationen und Verbänden, die daran arbeiten, die Klimaschutzfunktionen natürlicher Lebensräume wiederherzustellen und so gleichzeitig Biodiversität zu erhalten. Wichtig ist der Austausch untereinander. Niemand braucht das Rad neu zu erfinden, wenn es woanders bereits gute Erfahrungen oder praxistaugliche Ideen gibt.

Steffi Lemke
Niemand braucht das Rad neu zu erfinden, wenn es woanders bereits gute Erfahrungen oder praxistaugliche Ideen gibt.
Steffi Lemke, BMUV
Bundesumweltministerin

Ein weiteres wichtiges Element für die Erhaltung des blauen Planeten ist Wasser. Ohne Wasser gäbe es kein Leben. Zunehmende Dürren infolge der Erderhitzung hierzulande gefährden Wälder, Landwirtschaft und Biodiversität. Für den Meeresschutz haben Sie 2022 den Meeresbeauftragten Sebastian Unger benannt, im März dieses Jahres verabschiedete die Bundesregierung eine Nationale Wasserstrategie, die Ihr Ministerium entworfen hat. Welches Hauptziel verfolgt die Strategie?

Wasser ist unsere wichtigste Ressource, unser wichtigstes Gut. Wir müssen alles dafür tun, um unser Wasser zu schützen – für uns und nachfolgende Generationen. Daher müssen wir den naturnahen Wasserhaushalt wiederherstellen und ihn gegen die Folgen der Klimakrise schützen. Wir brauchen gesunde Böden, naturnahe Wälder und intakte Moore, die Wasser speichern und uns gegen Dürre und Hitze, aber auch gegen Starkregen und Hochwasser schützen. Und in der Nationalen Wasserstrategie sprechen wir uns für Wasserversorgungs- oder Wassernutzungskonzepte aus, um künftige Bedarfe und Angebote auf regionaler Ebene in Einklang zu bringen.

Als Erfolg können Sie auch verbuchen, dass seit Mitte April keine Kilowattstunde Atomstrom mehr aus einem deutschen AKW fließt. Die Gefahr eines schweren Atomunfalls in Deutschland ist damit zwar gesunken, aber für die nukleare Sicherheit ist es notwendig, den Rückbau der Atommeiler risikofrei zu vollenden und Lösungen für die Endlagerung voranzubringen. Wie ist hier der Stand der Dinge?

Die Atomkraft ist in der Tat nicht nur mit den Risiken des AKW-Betriebs verbunden, sondern auch mit einem großen Entsorgungsproblem. Das strahlende Erbe der Atomkraftnutzung wird uns noch lange beschäftigen. Insgesamt sind hierzulande noch über 30 Reaktoren zurückzubauen. Die Betreiber veranschlagen dafür meist eine Dauer von 10 bis 15 Jahren. An verschiedenen Standorten ist der Rückbau bereits weit vorangeschritten, an manchen wird es aber noch um einiges länger dauern. Mit der Endlagersuche für den hochradioaktiven Abfall haben wir ein gutes Verfahren und sind der Lösung des Atommüllproblems näher als viele andere Länder. Was den Zeitbedarf der Endlagersuche angeht, prüfen wir gerade, wie wir diesen optimieren können. Demokratische Beteiligungsrechte einzuschränken, kommt für mich nicht in Frage.

Atomkraft ist von gestern. Es gilt jetzt, alle Kraft in eine ökologisch konsequente und sozial ausgeglichene Energiewende zu stecken.
Steffi Lemke, BMUV
Bundesumweltministerin

Während Deutschland und weitere Länder sich aus der Atomkraft zurückgezogen haben, gibt es andere, die noch immer im großen Stil in AKW-Projekte der neuesten Generation investieren oder gar in die Atomkraft einsteigen. Sehen Sie die Gefahr, dass es irgendwann auch hierzulande wieder einen Ausstieg aus dem Atomausstieg geben könnte?

Auch nach über sechs Jahrzehnten weltweiter Atomkraftnutzung sind AKW Hochrisikoanlagen, deren Risiken letztlich nicht beherrschbar sind. Das Atommüllproblem ist weiterhin ungelöst. Neue AKW sind unwirtschaftlich, sie rechnen sich im Vergleich zu Strom aus Wind und Sonne immer weniger. Daran ändern auch neue Reaktorkonzepte nichts. Atomkraft ist von gestern. Der Atomausstieg macht unser Land sicherer und vermeidet weiteren Atommüll. Darüber können wir froh sein und sollten nicht länger rückwärtsgewandte Debatten führen. Es gilt jetzt, alle Kraft in eine ökologisch konsequente und sozial ausgeglichene Energiewende zu stecken.

Für Verbraucher*innen spielt nachhaltiger Konsum zunehmend eine wichtige Rolle. Im Koalitionsvertrag ist das Recht auf Reparatur festgeschrieben. Wann kann ich mein Smartphone selbst reparieren oder vom Hersteller verbindlich ein Ersatzteil verlangen?

Smartphones und Tablets müssen künftig leichter reparierbar sein und werden dadurch langlebiger. Nach den neuen EU-Regeln sind Hersteller verpflichtet, ab 2025 Reparaturinformationen und Ersatzteile, wie zum Beispiel Displays und Akkus, für sieben Jahre zur Verfügung zu stellen. Und sie müssen ihre Geräte so gestalten, dass ein einfacher Austausch von Komponenten möglich ist. Ab 2025 bekommen Verbraucherinnen und Verbraucher zusätzlich einen echten Kompass für den Einkaufskorb: den Reparierbarkeits-Index. So können sie schnell erkennen, welche Smartphones und Tablets wirklich reparierbar sind und damit auch länger halten.

Derzeit gibt es viele Hürden für die sozial-ökologische Transformation. Unter anderem erschwert der Rechtspopulismus einen zukunftstauglichen Wandel. Was ist erforderlich, damit der Umwelt- und Naturschutz nicht instrumentalisiert werden?

In einer vielfach krisenerschöpften Gesellschaft nehmen gerade generell die Sorgen und Ängste vieler Menschen vor den oft als ungebremst und ungesteuert wahrgenommenen Veränderungen zu. Vermeintlich einfache Lösungen und populistische Erzählungen instrumentalisieren diese Verunsicherung und Veränderungsmüdigkeit auf eine zynische und zukunftsvergessene Art und Weise.  Ich bin der festen Überzeugung, dass hier nur eine konsequent verantwortungsvolle Politik hilft, die in der Sache abwägt, Lösungen und Kompromisse sucht und demokratisch für diese wirbt. Und wir müssen gemeinsam für einen wieder breiteren gesellschaftlichen Konsens streiten, dass ein effektiver Umwelt- und Naturschutz die Lebensqualität für alle verbessert und gleichzeitig jede Einzelne und jeden Einzelnen von uns schützt. Das BMUV ist ein Schutzministerium für die Umwelt und die Natur, aber vor allem für uns Menschen.

Welches Ergebnis wünschen Sie sich persönlich nach dem Ende der zweiten Ampel-Halbzeit für die Lösung der Klimakrise und für die Rettung der Natur?

Gegen die Klimakrise hilft nur konsequenter Klimaschutz. In Deutschland treiben wir den Ausbau der Erneuerbaren Energien massiv voran und wahren die Belange des Umwelt- und Naturschutzes, um den 2030-Zielen schnell einen großen Schritt näherzukommen. Für den Erhalt der biologischen Vielfalt haben das bahnbrechende Abkommen von Montreal zum Schutz der Natur und das Hochseeschutzabkommen neue, verbindliche Rahmen gesetzt. Diese setzt die EU mit dem Gesetz zur Wiederherstellung der Natur und Deutschland mit einer neuen nationalen Biodiversitätsstrategie und der Meeresoffensive um. Auch diese beiden Vorhaben möchte ich in dieser Legislaturperiode weiter voranbringen.

Das Interview führte Marion Busch.

Die Interviewpartnerin

Die Agrarwissenschaftlerin Steffi Lemke (Bündnis 90/die Grünen) ist Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. Zuvor arbeitete sie sieben Jahre lang als Parlamentarische Geschäftsführerin und Sprecherin für Naturschutz der Bundestagsfraktion ihrer Partei.

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