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Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzorganisationen
News | 01.02.2024
#Biodiversität und Naturschutz #Politik und Gesellschaft

Kein Blattbreit der Rechten

NAJU-Projekt Kein Blattbreit der Rechten

Die Vereinnahmung von Umwelt- und Naturschutz durch rechte Ideologien ist nicht neu. Sie hat eine lange Tradition, die bis in den Nationalsozialismus und weiter zurückreicht. Dass hinter Argumenten für die Natur rechte Akteure stecken können, ist oft nicht sofort zu erkennen. Umso wichtiger ist es, wachsam zu bleiben und Strukturen zu schaffen, um auf rechte Einflussnahme zu reagieren.

„Das uferlose Wachstumsdenken des Kapitalismus hat die Beziehung zwischen Mensch und Natur sowie zwischen Mensch und Tier nachhaltig beeinträchtigt. Zur Beseitigung der anhaltenden Umweltzerstörung sowie der schamlosen Ausbeutung von Tieren bedarf es einem Umdenken in jeglicher Hinsicht.“ Dieses Zitat von 2018 stammt nicht von Umweltaktivist*innen. Es ist vom III. Weg, einer rechtsextremen und neonazistischen Kleinstpartei in Deutschland, die sich „für eine nachhaltige Umweltpolitik zum Schutz des deutschen Volkes ein[setzt]“. Ihr Programm steht für eine rassistische Abschottungs- und nationalistische Umweltpolitik. Sie dient dem Ziel, die deutsche Heimat und „national[e] Identität des deutschen Volkes vor fremden Einflüssen und Kulturzerfall“ zu bewahren. Ohne zu wissen, von wem das Zitat stammt, ist es kaum möglich, es in den richtigen Kontext einzuordnen. Eben das ist gefährlich: Rechte Naturschutzargumente sind nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen.

Rechte Ideologien und Umweltschutz haben in Deutschland eine lange gemeinsame Geschichte. Und noch heute werden Natur- und Umweltschutz von rechtspopulistischen und rechtsextremen Akteur*innen genutzt, um undemokratische und menschenverachtende Gesellschaftsbilder zu transportieren.  „Umweltschutz ist Heimatschutz“ ist zum Beispiel ein bis heute gängiger Slogan rechter Parteien und Gruppierungen. Dahinter steht die „Blut-und-Boden-Ideologie“ des Nationalsozialismus, die besagt, dass das „deutsche Volk“ eine besondere Verbindung zu Land und Natur habe. Diese Heimat gelte es vor fremden Einflüssen zu schützen. In diesem Kontext wird beispielsweise auch vor Neobiota – gebietsfremde Arten, die anderswo heimisch werden und dortige Ökosysteme schädigen können – gewarnt. Rechte Akteur*innen übertragen das auch auf unsere Gesellschaft: Migrant*innen führten dazu, dass das „deutsche Volk“ aussterbe. Hier werden menschenverachtende Ideologien ganz deutlich.       

Einflussnahme und Gefahren

Auch Umweltverbände sind von rechten Aktivitäten betroffen. 2022 hat der NABU eine Studie über rechte Einflussnahme auf den Verband erstellt. Das Ergebnis verdeutlicht, dass Vereinnahmungen insbesondere auf Landesebene real sind. So gaben im Westen 40,9 Prozent der Landesverbände an, bereits von rechten Aktivitäten betroffen gewesen zu sein. Im Osten waren es 80 Prozent.

Karoline Kraft
Es besteht die Gefahr, dass (...) rechtspopulistische Akteur*innen an die Ängste und Verdrossenheit junger Menschen anknüpfen, sich an ihr Engagement für Umwelt- und Klimaschutz dranhängen und es als Einfallstor für die Verbreitung menschenverachtender Ideologien nutzen.
Karoline Kraft, NAJU
Referentin im Jugendbereich

Die NAJU, der Jugendverband des NABU, ist von rechter Einflussnahme bisher weniger betroffen. Angesichts eines zunehmenden Rechtsrucks in Europa gilt es dennoch, besonders aufmerksam zu sein. Darüber hinaus ist auch aus anderen Gründen Obacht geboten: Klima- und Umweltschutz gehören zu den wichtigsten Themen, die junge Menschen derzeit bewegen. Zugleich sind damit große Zukunftsängste verbunden, und es herrscht Frustration über die unzureichenden Bemühungen, den Klimawandel einzudämmen. Viele junge Menschen wollen mitgestalten und sind politisiert, fühlen sich jedoch von der Politik wenig gesehen und gehört.

Vor diesem Hintergrund besteht die Gefahr, dass insbesondere rechtspopulistische Akteur*innen an die Ängste und Verdrossenheit junger Menschen anknüpfen, sich an ihr Engagement für Umwelt- und Klimaschutz dranhängen und es als Einfallstor für die Verbreitung menschenverachtender Ideologien nutzen.

Das Projekt „Kein Blattbreit der Rechten“ – Verbände stärken gegen rechte Beeinflussung

Als Teil der demokratischen Zivilgesellschaft sieht die NAJU sich in der Verantwortung, durch Präventionsarbeit, Mitglieder und Mitarbeitende für die Vereinnahmung des Natur- und Umweltschutzes durch rechte Akteur*innen zu sensibilisieren, das Thema im Verband zu verankern und Strukturen aufzubauen, um auf rechte Vorfälle reagieren zu können. So ist das Projekt „Kein Blattbreit der Rechten – Verbandliche Stärkung der Prävention gegen rechte Interventionen“ entstanden, das in Kooperation mit der Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (FARN) durchgeführt wird (siehe Artikel von FARN). Mit dem Projekt macht sich die NAJU zugleich für ihr eigenes Wertegerüst stark. NAJU und NABU stehen für eine lebendige Demokratie, kulturelle, ethnische und sexuelle Vielfalt sowie Glaubensfreiheit. Alle Menschen sind willkommen, unabhängig von Herkunft, Glauben, Nationalität, sexueller Identität sowie körperlicher oder geistiger Behinderung.

Das Projekt setzt auf ein breites Bildungsangebot und die Nutzung von Social Media. Es entstehen eine Broschüre, Infografiken und Animationsfilme sowie ein E-Learning-Kurs, der unabhängiges Lernen ermöglicht. Eine fünfteilige Online-Weiterbildungsreihe rundet das Bildungsangebot ab. Zentraler Baustein ist darüber hinaus der Aufbau eines verbandsinternen Kompetenznetzwerks gegen rechts, das bei Vorfällen kontaktiert werden kann und mithilft, das Thema im Verband zu verankern.

Der Blick ist jedoch nicht ausschließlich auf den Verband gerichtet. Durch Social Media und eine Reihe lokaler Veranstaltungen soll auch die breitere Öffentlichkeit erreicht werden. Dazu trägt ebenfalls ein bundesweites Vernetzungstreffen Ende 2024 bei.

Die Autorin

Die Politikwissenschaftlerin Karoline Kraft arbeitet als Referentin im Jugendbereich der NAJU-Bundesgeschäftsstelle in Berlin.

Weitere Informationen

NAJU: www.NAJU.de/gegen-rechts

FARN: www.nf-farn.de/farn-publikationen

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