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Lebensmittel- und Textilabfälle: Zögerliche Ausschussentscheidung
EU-News | 16.02.2024
#Chemikalien #Kreislaufwirtschaft

Lebensmittel- und Textilabfälle: Zögerliche Ausschussentscheidung

Lebensmittel in runder Mülltonne
© Adobe Stock / Echelon IMG
Lebensmittel im Abfall - das darf nicht sein.

Der Umweltausschuss im EU-Parlament hat nur leichte Verbesserungen bei der Überarbeitung der Abfallrahmenrichtlinie eingefordert, kritisiert Zero Waste Europe. Zwei zentrale Mängel seien weiterhin nicht behoben: Das Ausklammern der Primärproduktion bei Lebensmitteln sowie das Fehlen von Zielvorgaben für die Bewirtschaftung und Vermeidung von Textilabfällen.

Am 14. Februar hat der zuständige Umweltausschuss des Europäischen Parlaments (ENVI) über zwei von der EU-Kommission im Juli 2023 vorgeschlagene Regelungen zu umwelt- und ressourcenbelastenden Abfallströme abgestimmt: EU-weite Ziele zur Verringerung von Lebensmittelabfällen (EU-News 05.07.2024) sowie die Herstellerverantwortung im Textilbereich (EU-News 06.07.2023). Beide Vorschläge der EU-Kommission hatten Umweltverbände als wenig fortschrittlich und teils weit jenseits von UN-Vorgaben kritisiert und der Berichtsentwurf von Oktober 2023 sah schon wieder Fristverlängerungen und andere Abschwächungen vor (EU-News 11.10.2023). 60 Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle und 12,6 Millionen Tonnen Textilabfälle fallen jährlich in der EU an. Weniger als ein Prozent aller Textilien weltweit werden laut ENVI zu neuen Produkten recycelt. Der Berichtsvorschlag von Anna Zalewska (EKR, Polen) wurde mit großer Mehrheit (72 Ja-, keine Nein-Stimmen und drei Enthaltungen)

ENVI für höhere Zielvorgaben bei Lebensmitteln

Zero Waste Europe (ZWE) betonte nach der Abstimmung im ENVI, dass der Vorschlag in seiner jetzigen Form immer noch nicht in der Lage sei, die Art und Weise, wie Europa mit seinen Ressourcen umgeht, grundlegend zu verändern. Zwar hätten sich die Abgeordneten darauf geeinigt, die Ziele für die Reduzierung von Lebensmittelabfällen auf 20 Prozent für die Verarbeitung und Herstellung und auf 40 Prozent für den Einzelhandel, die Gastronomie und die Haushalte anzuheben. Dieses Ergebnis stehe jedoch im Widerspruch zu früheren Verpflichtungen, die das Europäische Parlament in seiner Entschließung zum Green Deal für 2020 eingegangen ist, um die Lebensmittelabfälle vom Erzeuger bis zum Verbraucher um 50 Prozent zu reduzieren. Der erzielte Kompromiss sei damit „ein weiterer Schlag gegen die ursprünglichen Ziele des EU Green Deal“, so die Organisation. Der vollständige Ausschluss von Lebensmittelverlusten auf der Ebene der landwirtschaftlichen Betriebe von den Zielen sei „nicht akzeptabel“.

Getrennte Sammlung von Textilabfällen

Die erweiterte Herstellerverantwortung bedeutet, dass Hersteller die Kosten für die getrennte Sammlung, Sortierung und Recycling von Textilerzeugnissen, Kleidung und Schuhen übernehmen müssen. Die Mitgliedstaaten sollen laut ENVI Sammelsysteme 18 Monate nach Inkrafttreten der Richtlinie einführen (im Vergleich zu den von der Kommission vorgeschlagenen 30 Monaten). Parallel dazu müssten die EU-Länder bis zum 1. Januar 2025 die getrennte Sammlung von Textilien zur Wiederverwendung, die Vorbereitung zur Wiederverwendung und das Recycling sicherstellen.

Aber bei der Einführung der erweiterten Herstellerverantwortung für Textilien sei „noch viel Raum für Verbesserungen“, findet Zero Waste Europe. Zwar habe der ENVI auf rasche Umsetzung der neuen Bestimmungen durch die Mitgliedstaaten gedrängt. Allerdings sei ein zentrales Manko des Vorschlags nicht behoben worden: das Fehlen von Zielvorgaben für die Bewirtschaftung und Vermeidung von Textilabfällen. „Wir freuen uns, dass die Abgeordneten die Forderung der Zivilgesellschaft nach der Einführung von Zielvorgaben erhört haben“, so ZWE-Referentin für Abfall- und Ressourcenpolitik Theresa Mörsen. Allerdings seien diese dringend benötigten Zielvorgaben um mehrere Jahre verschoben worden – zu wenig Anreiz, damit Kapazitäten erhöht und echte Lösungen für die Abfallkrise gefunden werden. Zudem stehe diese Entscheidung im Widerspruch zu der Verpflichtung, die das Europäische Parlament in seiner Entschließung zur EU-Textilstrategie 2023 eingegangen sei, kritisierte ZWE.

Gut sei aber, dass häufigere Erhebungen über gemischte Abfälle gefordert werden – diese liefere wertvolle Daten darüber, wie viele Textilabfälle in der falschen Tonne landen. Die erweiterte Herstellerverantwortung für sperrige Gegenstände wie Matratzen und Teppiche soll schon ab 2028 eingeführt werden. Leider habe sich der ENVI entschieden, Änderungsanträge zur obligatorischen Sortierung von Abfällen vor der Verbrennung oder Deponierung abzuschwächen. Nun würden die Mitgliedstaaten „lediglich dazu angehalten, die Abfälle vorher zu sortieren“. Diese Entscheidung stehe „in krassem Gegensatz zu den jüngsten Eurostat-Daten“, aus denen hervorgehe, dass 52 Prozent der Abfälle letztlich in gemischte Abfallströme gelangen, die zur Verbrennung bestimmt sind, so ZWE.

Die Beendigung der Praxis des Verbrennens und Vergrabens von Abfällen sollte eine Priorität für das Parlament sein, forderte die Organisation und hofft nun auf Verbesserungen des Textes bei der Abstimmung im Plenum und durch die Mitgliedstaaten. In die nächste Legislaturperiode fällt die geplante vollständige Überarbeitung der Richtlinie nach 2026. [jg]

ENVI: Textiles and food waste reduction: New EU rules to support circular economy

ZWE: Waste Framework Directive: proposal [...] only slightly improved [...]

Kreislaufwirtschaft und Abfälle kurz & knapp
  • Update Verpackungsverordnung: Der Trilog über die Überarbeitung der Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle (PPWR) hat am 5. Februar begonnen, am 4. März könnte es eine Einigung geben. Falls das Plenum in der zweiten Aprilsitzung darüber final abstimmt und danach noch der Rat formal bestätigt, könnte die Reform noch vor den EU-Wahlen im Juni abgeschlossen sein. Umweltverbände hoffen, dass der Druck interessierter Kreise, die Abfallvermeidungsziele zu verwässern, keine Wirkung erzielt, damit die ohnehin schon schwache Parlamentsposition (EU-News 23.11.2023) nicht noch weiter abgeschwächt wird. Erstaunlicherweise wurde die Ratsposition als „weniger schwach“ bewertet (EU-News 19.12.2023). Allerdings scheint die deutsche Position zu wackeln, da laut Europe.Table vom 15. Februar die FDP scheinbar einen Deal mit Italien laufen hat, das neuen Abfallvermeidungszielen nicht zugeneigt ist. Ein breites Bündnis von Umweltverbänden hat in einem Positionspapier Forderungen für die PPWR-Reform vorgelegt.
  • Zigarettenkippen und Einwegkunststoffe: Eine Bewertung über die Umsetzung der Richtlinie über Einwegkunststoffe mit dem Schwerpunkt auf der erweiterten Herstellerverantwortung für Tabakerzeugnisse hat die Surfrider Foundation vorgelegt. Jedes Jahr erzeugen Tabakerzeugnisse eine beträchtliche Menge an Abfall: über 680.000 Tonnen Zigarettenkippen oder 4,5 Billionen Zigarettenkippen, die pro Jahr auf den Boden geworfen werden, etwa 907.184 Tonnen Abfall aus der Tabakherstellung und schätzungsweise 25 Millionen Tonnen aus dem gesamten Tabaklebenszyklus.
  • Bisphenolverbot in Lebensmittelverpackungen?: Bis zum 8. März können Interessierte an der öffentlichen Konsultation über die Initiativen der EU-Kommission zur Beschränkungen für Bisphenol A (BPA) und andere Bisphenole in Lebensmittelkontaktmaterialien teilnehmen
  • Elektroschrott (WEEE): Das Plenum des EU-Parlaments hat am 6. Februar die zuvor erreichte Trilog-Einigung zur Sammlung von Elektro- und Elektronikaltgeräten angenommen. Unter anderem gibt es Neuregelungen zu ausgedienten Solarmodulen.

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