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Pandemie und EU-Biodiversität, WWF-Entwaldungsstudie
EU-News | 14.01.2021
#EU-Umweltpolitik #Wald #Biodiversität und Naturschutz

Pandemie und EU-Biodiversität, WWF-Entwaldungsstudie

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c. pixabay

Dass der Raubbau an den natürlichen Grundlagen und der Klimawandel Einfluss auch auf die menschliche Gesundheit haben, wird allenorts immer klarer. Eine Anhörung des Umweltausschusses im EU-Parlament (ENVI) befasste sich mit dem Zusammenhang zwischen dem sechsten Massenaussterben, der zunehmenden Gefahr von Pandemien und der Rolle der EU-Biodiversitätsstrategie 2030. Eine Studie des WWF zeigt das rasante Abholzen von Regen- und anderen Wäldern weltweit zwischen 2004 und 2017.

EU-Parlament sucht nach Lösungen

Die Tagesordnung des ENVI stand am heutigen Donnerstag ganz im Zeichen von Biodiversität. Neben einer Anhörung zum Zusammenhang von Artensterben und der Covid-19-Pandemie, stellte die EU-Kommission ihren Vorschlag zum 8. Umweltaktionsprogramm zur Diskussion. Am Nachmittag war die EU-Biodiversitätsstrategie 2030 selbst Thema.

Dr. Anne Larigauderie, Exekutivsekretärin des Weltbiodiversitätsrates (Intergovernmental Platform on Biodiversity and Ecosystem Services - IPBES) und Dr. Hans Bruyninckx, Exekutivdirektor der Europäischen Umweltagentur, eröffneten die öffentliche Anhörung. Sie stellten deutlich heraus, dass ein Weiter so nicht mehr funktionieren wird, wenn der Verlust von Arten gestoppt werden soll - nicht zuletzt, um die Ökosystemdienstleistungen wie Wasserversorgung oder Ernährungssicherheit zu erhalten. Die drei großen Krisen Klimawandel, Naturverlust und Gesundheitsgefährdung müssten zusammengedacht werden. 2021 müsse das Jahr der Entscheidungen für die Zukunft sein.

Luena: "Biodiversitätskrise ist nicht nur die kleine Schwester der Klimakrise"

Der Berichterstatter für die EU-Biodiversitätsstrategie 2030 César Luena (S&D, Spanien) betonte, dass der Vorschlag der EU-Kommission unterstützenswert sei, hatte aber noch einige Verbesserungsvorschläge. Es fehle der Bodenschutz auf EU-Ebene. Beim Null-Schadstoff-Ziel dürften Licht- und Lärmverschmutzung nicht vergessen werden. Die Forstpolitik und andere Politikbereiche müssten zusammen mit Biodiversitätsschutz gedacht werden, es brauche eine ganzheitliche Vorgehensweise, so Luena. Die grüne Infrastruktur müsse gefördert und besser vernetzt sein als bisher, das Ziel von 30 Prozent Renaturierung müsse auch im Text des Wiederaufbauplans verankert werden. Da die Bedrohungslage durch Klimawandel und Artensterben die gleiche sei, dürfe die Krise der biologischen Vielfalt nicht als "kleine Schwester" der Klimakrise behandelt werden; es gebe ein EU-Klimagesetz, es brauche aus Sicht des Berichterstatters auch ein EU-Biodiversitätsschutzgesetz. Neben dem Klimanotstand müsse auch der Notstand der biologischen Vielfalt ausgerufen werden. Bei der internationalen Zusammenarbeit müssten die Lieferketten und die Lebensmittelversorgung unter die Lupe genommen werden, es brauche ein globales Abkommen gegen Plastikmüll im Meer, vor allem brauche es auf allen Ebenen verbindliche Regeln. Die EU möge bei der anstehenden COP15 im Rahmen des Üebreinkommens für biologische Vielfalt (CBD) vorangehen und Verbindlichkeit einfordern. Das Recht auf eine gesunde Umwelt sollte aus seiner Sicht auch in die Charta der EU-Menschenrechte aufgenommen werden. Nicht zuletzt müssten Landwirt*innen bei der Umsetzung von ökologischen Zielen finanziell unterstützt werden.

Auch die Schattenberichterstatter hatten Gelegenheit, ihre Standpunkte darzulegen. Die Sitzungen waren öffentlich und wurden im Netz übertragen.

Mindestens 10 Prozent des langfristigen EU-Budgets sollten für die Förderung der Biodiversität verwendet werden30 Prozent des EU-Territoriums sollten Naturgebiete seinWiederherstellung degradierter Ökosysteme bis 2030Verbindliche Reduktionsziele für den Pestizideinsatz in der EU erforderlichBerücksichtigung von Biodiversitätszielen in allen EU-Politiken
Pressemitteilung des EU-Parlaments vom 16.01.2020 - also vor einem Jahr

Rasanter Waldverlust und die Verantwortung der EU

Das Ausmaß der Entwaldung fasst eine neue Studie des WWF zusammen. Demnach ging zwischen 2004 und 2017 allein in den 24 untersuchten "Entwaldungshotspots" eine Regenwaldfläche so groß wie Deutschland und Irland zusammen verloren - insgesamt 43 Millionen Hektar. Die Organisation forderte gesetzliche Regelungen für Lieferketten, um den Entwaldungsdruck maßgeblich zu verringern. Denn ein Großteil der Tropenwaldzerstörung geht auf das Konto der kommerziellen Landwirtschaft, die weitere Weide- und Ackerflächen für die Nahrungsmittelproduktion geschaffen hat. Die EU-Staaten hätten ihren Anteil an der Entwaldung andernorts, denn für den Anbau von Futtermittelsoja und Kakao sowie für die Aufzucht von Rindern, deren Fleisch in die EU importiert wird, werde oft Wald vernichtet. Rund ein Sechstel aller in der EU gehandelten Lebensmittel trügen zur Entwaldung in den Tropen bei. Neun von 24 Hotspots liegen in Lateinamerika.

Die Studie basiert auf Satellitendaten. Den größten Verlust verzeichnete der WWF im Amazonasgebiet (Brasilien, Kolumbien, Peru, Bolivien, Venezuela und Guyana) mit 18,3 Millionen Hektar zerstörtem Wald. Dahinter lägen die Wälder auf Borneo (Indonesien, Malaysia; 5,8 Millionen Hektar zerstörter Regenwald) und der Gran Chaco  (Paraguay und Argentinien; 5,2 Millionen Hektar zerstörter Regenwald). Auch Madagaskar und Sumatra hätten große Verluste zu beklagen. Fast die Hälfte (46 Prozent) der noch bestehenden Wälder in den Entwaldungshotspots sei zudem stark fragmentiert, also beispielsweise durch Straßen oder Ackerflächen zerstückelt. Das mache den Wald anfälliger für Trockenheit sowie Feuer und vertreibe dort lebende Tierarten.

Voraussichtlich im Mai soll es einen Entwurf der EU-Kommission für ein Gesetz für entwaldungsfreie Lieferketten gegen.

Auch der One Planet Summit 2021 stand ganz im Zeichen von Biodiversitätsschutz (EU-News 12.01.2021). Vielleicht wird 2021 doch noch ein "Superjahr" für den Schutz biologischer Vielfalt. [jg]

Anhörung im ENVI - Videoaufzeichnung

ENVI-Sitzung am Nachmittag - Videoaufzeichnung [EU-Biodiv-Str. ab ca. 13:56]

ENVI auf Twitter

Berichterstatter César Luena auf Twitter zu seinem Bericht

Pressemitteilung EU-Parlament: To save biodiversity, MEPs call for binding targets at global and EU level

Pressemiteilung WWF: Äcker und Felder statt Regenwälder und WWF-Studie zur Entwaldung: Deforestation Fronts: Drivers and Responses in a changing World: Summary, Full Study sowie digitales Kartenwerk

Konsultationen

Bis 05. April: Evaluation der EU-Biodiversitätsstrategie 2020

Die EU-Biodiversitätsstrategie 2020 zielte darauf ab, den Verlust von Biodiversität und Ökosystemleistungen in der EU zu stoppen, sie so weit wie möglich wiederherzustellen und dazu beizutragen, den globalen Biodiversitätsverlust abzuwenden. Der Bericht und die Bewertung der Strategie werden eine Bestandsaufnahme der Umsetzung vornehmen und feststellen, ob ihre Maßnahmen gut umgesetzt wurden und zur Erreichung der Biodiversitätsziele geführt haben. Außerdem werden die Effektivität, Effizienz, Relevanz, Kohärenz und der EU-Mehrwert der Strategie bewertet.

Teilnehmen an der Bewertung

Bis 05. April: Schutz der biologischen Vielfalt: Ziele für die Wiederherstellung der Natur im Rahmen der EU-Biodiversitätsstrategie

Der Verlust an biologischer Vielfalt, von der wir alle abhängen, schreitet schneller denn je voran. Diese Initiative ist nach Auffassung der EU-Kommission eine der wichtigsten Maßnahmen, die in der EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 angekündigt wurde. In ihrem Rahmen sollen nach einer Folgenabschätzung rechtlich verbindliche Ziele für die Wiederherstellung der Natur vorgeschlagen werden. Die Initiative wird zu dem Ziel der Biodiversitätsstrategie beitragen, Europas biologische Vielfalt bis 2030 auf den Weg der Erholung zu bringen.

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