Menü
Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzorganisationen
News | 08.04.2024
#Emissionen #Klima und Energie #Wasser und Meere

Risikofaktor Klimakrise

Es herrscht dicke Luft.
© Pixabay/Geralt
Es herrscht dicke Luft.

Auf dem Totenschein steht Herz-Kreislauf-Versagen, Schlaganfall oder Lungenkrebs. Ärzte diagnostizieren Bluthochdruck, Diabetes oder Demenz – allesamt Zivilisationskrankheiten. Zu den Gründen für ein vorzeitiges Ableben gehören aber nicht nur ungesunde Ernährung, anfällige Gene oder ein exzessiver Lebensstil, sondern immer öfter auch die Klimakrise. Ein Rezept dagegen ist der One-Health-Ansatz.

Der Smog in unseren Städten ist eine Nebenwirkung des fossilen Zeitalters, das leider noch immer nicht zu Ende geht. Abgase aus Fabriken, Schornsteinen, Kraftwerken und Auspuffen sind die Hauptverursacher und nehmen uns die Luft zum Atmen. Fünf Millionen Tote gehen jedes Jahr auf das Konto verschmutzter Luft. Infarkte, Herz-Rhythmus-Störungen und Asthma gehören zum Krankheitsbild. Etwa zwei Drittel der Luftverschmutzung stammen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe. Deshalb sind Maßnahmen zum Klimaschutz gleichzeitig ein Rezept gegen diverse Zivilisationskrankheiten.

Jörn Ehlers
Maßnahmen zum Klimaschutz sind auch ein Rezept gegen diverse Zivilisationskrankheiten.
Jörn Ehlers, WWF
Leiter News

Die verdreckte Luft ist nicht der einzige Krankmacher, der direkt mit der Klimakrise zusammenhängt. Auch die Erderwärmung selbst macht uns zunehmend zu schaffen. Im Jahr 2023 wurden die höchsten globalen Temperaturen seit mehr als 100.000 Jahren beobachtet. Das zurückliegende Jahrzehnt war die heißeste jemals registrierte Dekade und auf allen Kontinenten werden regelmäßig Hitzerekorde gebrochen. Das bleibt nicht ohne Folgen. Gesundheitsgefährdende hohe Temperaturen treffen vor allem ältere oder ohnehin angeschlagene Menschen. Hitze schwächt den Körper und führt zu Schwindel, Bewusstlosigkeit, Herz-Kreislauf-Problemen bis hin zum Tod.

Eklatant mehr Hitzetode bei Kleinkindern und Älteren

Eine Expertenkommission der medizinischen Fachzeitschrift The Lancet setzt sich regelmäßig mit der Thematik auseinander. In ihrem Bericht von 2023 konstatieren die Wissenschaftler*innen eine 85-prozentige Zunahme der hitzebedingten Todesfälle bei Kleinkindern und Menschen über 65 Jahren in nur einem Jahrzehnt. Laut Robert-Koch-Institut (RKI) gingen 2020 allein in Deutschland 3.600 Tote auf das Konto der Sommerhitze. Keine Entspannung in Sicht. Die Fachleute von Lancet befürchten, dass sich die Zahl der Hitzetoten bis Mitte des Jahrhunderts mehr als verdreifacht.

Extremwetter verursachen Hungersnöte

Es wird nicht nur immer wärmer, sondern das Wetter wird auch immer extremer. Gewaltige Überflutungen wechseln sich ab mit langanhaltenden Dürren. Wirbelstürme, Fluten und Waldbrände richten gewaltige Schäden an und verschlingen Unsummen für den Wiederaufbau. Sie kosten zudem Millionen Menschen das Leben. Nicht nur akute Naturkatastrophen fordern ihren Tribut. Immer häufigere Hitzewellen und Dürren führen dazu, dass der Hunger wieder zunimmt. Die Zahl der Unterernährten ist in wenigen Jahren um mehr als 120 Millionen gestiegen. Die Klimakrise führt zu Hunger und Hunger macht krank.

Infektionskrankheiten breiten sich aus

Mit dem Klima verändert sich zugleich das Verbreitungsgebiet von Krankheitserregern. Blutsaugende Insekten dringen in Gegenden vor, in denen sie bislang wenig Überlebenschancen hatten. Und sie bringen Krankheiten mit, die man bislang nur aus den Tropen kannte. Das Vordringen der Tigermücken oder die Vermehrung von Zecken fördern die Verbreitung von Infektionskrankheiten wie Dengue, Zika oder das West-Nil-Fieber. Auch Fälle von Malaria wurden bereits in Europa beobachtet. In dem Lancet Countdown-Bericht rechnen die Mediziner damit, dass das Übertragungsrisiko für das Dengue-Fieber, eine fiebrige Krankheit, die mit Kopf-, Muskel-, Glieder-, Knochen- oder Gelenkschmerzen einhergeht, bis Mitte des Jahrhunderts um über 35 Prozent zunimmt.

Durch die Erwärmung der Weltmeere gehören auch sogenannte Vibrionen zu den Gewinnern der Klimakrise. Es handelt sich um Bakterien, die in den Ozeanen vorkommen und sich bei höheren Temperaturen besonders stark vermehren. Gelangen sie in den Körper, können sie Brechdurchfall verursachen oder Wundinfektionen hervorrufen. Durch die ansteigenden Meerestemperaturen finden die Bakterien optimale Bedingungen. Inzwischen leben 1,4 Milliarden Menschen in gefährdeten Küstenabschnitten und sind dem Risiko ausgesetzt, sich mit den Erregern zu infizieren.

One Health: Gesundheit ganzheitlich und global betrachten

Die Klimakrise birgt gewaltige Herausforderungen für die Gesundheitssysteme, insbesondere in den Entwicklungsländern. Das erfordert viel Geld und ein ganzheitliches Denken. Die Gesundheit von Menschen, Tieren und Umwelt ist eng miteinander verbunden. Mit dem sogenannten One-Health-Ansatz wird versucht, die Bedrohungen für die Gesundheit und die Ökosysteme zu bekämpfen und Maßnahmen gegen die Klimakrise auf den Weg zu bringen. Der Plan klingt gut. Es deutet aber alles darauf hin, dass wir uns mit diesem integrierten Ansatz noch vielen Herausforderungen stellen müssen.

 

Der Autor

Jörn Ehlers ist Leiter der News beim WWF Deutschland.

Das könnte Sie interessieren

Blick in ein Chemielabor
EU-News | 26.04.2024

#Chemikalien #Wasser und Meere

Chemikalienstrategie hängt: Nur eins von 13 Zielen umgesetzt

Das Europäische Umweltbüro stellt EU-Chemikalienpolitik schlechtes Zeugnis aus. Per- und polyfluorierte Chemikalien (PFAS) finden sich in Trinkwasserproben und dafür sollen Hersteller zahlen, finden BUND und Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Ein Verbändebündnis fordert PFAS-Verbot bei Anhörung im Deutschen Bundestag....