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Überfälliger Schritt: Grünes Licht für Ausstieg aus Energiecharta-Vertrag
EU-News | 01.05.2024
#EU-Umweltpolitik #Klima und Energie

Überfälliger Schritt: Grünes Licht für Ausstieg aus Energiecharta-Vertrag

Blick auf einen Schreibtisch, auf dem Verträge liegen, im Hintergrund Justizias Waage
© AdobeStock/ David

Das EU-Parlament hat dem Vorschlag der EU-Kommission zum Austritt aus dem umstrittenen Energiecharta-Vertrag zugestimmt. Umweltorganisationen begrüßen die Entscheidung als wichtigen Schritt, Energiekonzernen weniger Macht über den Fortschritt der Energiewende zu überlassen.

Für das Aus von „intransparenten Schiedsgerichten“ und Blockaden der ökologischen Transformation durch Energieunternehmen, hat das EU-Parlament am 24. April gestimmt. Damit stimmten auch die Abgeordneten für den Austritt der EU aus dem Energiecharta-Vertrag. Deutschland war im Dezember 2023 einer der Vorreiterstaaten für den Ausstieg gewesen. Die Zeit der umstrittenen Mitgliedschaft der Europäischen Union im Vertrag zur Energiecharta (Energy Charta Treaty, ECT) hat damit ein Ende. Nachdem der EU-Energieministerrat den Austritt aus dem Vertrag bereits im März angekündigt hatte, bestätigte dies das EU-Parlament vergangene Woche noch mit großer Mehrheit von 560 Ja- zu 43 Nein-Stimmen in Straßburg.

Der 1994 geschlossene Vertrag zur Energiecharta sollte eigentlich Investitionen in die Energieversorgung der Vertragspartner absichern und fördern. Jedoch wurde immer wieder Kritik an dem Übereinkommen laut: aus Sicht von Klimaschützer*innen blockierte der Vertrag den Übergang zu nachhaltigen Energieträgern und Technologien und zudem nutzten die beteiligten Energiekonzerne ihn immer wieder für Klagen gegen einzelne Staaten. Seit Vertragsschließung war der ECT kaum abgewandelt worden, eine im Jahr 2023 angedachte Modernisierung des Vertrags war nicht zustande gekommen.

Zuletzt hatten sich im Oktober 2023, kurz vor Deutschlands Austritt aus dem Vertrag, die Klagen von internationalen Konzernen gegen das Land gehäuft. Wie der DNR berichtete, ging es dabei unter anderem um die Forderung einer „angemessenen“ finanziellen Entschädigung für die vorzeitige Stilllegung des Kohlekraftwerks Lünen aufgrund des deutschen Kohleausstiegsgesetzes. Auch andere Staaten, wie beispielsweise die Niederlande, sahen sich im Zuge der Energiewende und des Umstiegs auf erneuerbare Energien aufgrund des ECT immer wieder mit milliardenschweren Klagen von Energiekonzernen konfrontiert.

Im Kontext dieser Kritikpunkte an dem Energiecharta-Vertrag überrascht wenig, dass vor Deutschland bereits mehrere EU-Länder wie Italien, Polen, Spanien, die Niederlande, Frankreich und Slowenien ihren Ausstieg aus dem ECT erklärten. Aktuell sind noch 51 Länder, die EU sowie EURATOM Unterzeichner des Vertrags. Damit liegt die Gesamtzahl seiner Mitglieder nunmehr noch bei 53.

Ein Grund zur Freude: Umweltorganisationen befürworten Austritt aus dem ECT einstimmig

Nach der Ankündigung zur Vertragsauflösung der EU bleibt der Investitionsschutz in der sogenannten Sunset-Klausel jedoch noch über zwei weitere Jahrzehnte in Kraft. Hiermit bleiben in der Vergangenheit bereits getätigte Förderungen der Energieunternehmen auch über das Vertragsende hinweg einklagbar. Gerade diese Machtposition von Konzernen, die fossile Energien fördern und Transformationsbemühungen von Staaten abstrafen, wurde von Umweltorganisationen und zivilgesellschaftlichen Akteuren über viele Jahre stark kritisiert. Eine Petition, die das Ende des Vertrages forderte, erhielt über 1 Million Unterschriften.

Der Vertrag sei im Prinzip mit dem Pariser Klimaschutzabkommen „nicht kompatibel“ und schränke den „demokratischen Handlungsspielraum für mehr Klimaschutz“ ein, wie die globalisierungskritische NGO Attac beklagt. Erwartungsgemäß wird der Austritt der EU aus dem ECT von vielen Gruppen insbesondere aus dem Klimaschutzbereich sehr positiv aufgenommen.

Laut Greenpeace werde mit dem Austritt ein „Fenster geschlossen“, das eine Blockade der Energiewende und den Schutz fossiler Projekte durch Energiekonzerne ermöglicht hatte. Auch das Umweltinstitut München spricht von einem „großen Erfolg“ für die Demokratie Europas und die Energiewende. Aus Sicht von Fabian Flues, Referent für Handels- und Investitionspolitik bei PowerShift, spreche die Entscheidung des EU-Parlaments dafür, dass „intransparente Schiedsgerichte in unserem demokratischen Gemeinwesen“ keinen Platz hätten. Es sei jedoch von Seiten der EU geboten, auch potenzielle zukünftige Klagen auszuschließen.

Friends of the Earth Europe (FoEE), ein europäischer Zusammenschluss von Umweltorganisationen, dem der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) angehört, zeigte sich ebenfalls erfreut über das Ergebnis der Abstimmung im EU-Parlament. Sie „beweist, dass die Macht der Menschen auch über große Unternehmen siegen kann. Nach jahrelangen Kampagnen ist es uns gelungen, das Damoklesschwert des ECT, das die Klimaziele der EU-Regierungen bedroht, zu beseitigen“, kommentierte Paul Clerck, Handelsexperte bei FoEE.

Eine letzte Hürde muss die EU vor Vertragsaustritt nun noch nehmen: Voraussichtlich im Mai wird der Europäische Rat final über das Ende der Mitgliedschaft im ECT entscheiden. Die Zustimmung gilt jedoch als gesichert. [mi]

 

EU-Parlament: MEPs consent to the EU withdrawing from the Energy Charter Treaty

Attac: Energiecharta-Vertrag geht, Lieferkettengesetz kommt

Friends of the Earth Malta: Pressemitteilung

taz.de: Austritt aus umstrittenem Vertrag

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