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Umweltausschuss stimmt für Pestizid-Verordnung
EU-News | 26.10.2023
#Chemikalien #Landwirtschaft und Gentechnik

Umweltausschuss stimmt für Pestizid-Verordnung

Pestizideinsatz in der Landwirtschaft
© AdobeStock/Dusan Kostic
Pestizideinsatz in der Landwirtschaft

Der Umweltausschuss des EU-Parlaments hat seine Position zur Pestizid-Verordnung (SUR) festgelegt. Im Kompromissvorschlag gibt es Abschwächungen aber auch Ambitionssteigerungen. Keine Mehrheit gab es für den Einspruch zur Verlängerung von Glyphosat.

Am 24. Oktober stimmten die EU-Abgeordneten des Umweltausschusses zu einigen wichtigen Vorhaben ab: Neben den Entscheidungen zu strengeren CO₂-Flottengrenzwerten bei Nutzfahrzeugen, neuen EU-Vorschriften für Verpackungen, zur Zertifizierung von Kohlenstoffentnahmen aus der Atmosphäre sowie dem Einspruch zur Zulassungsverlängerung von Glyphosat, wurde insbesondere das Votum zur umkämpften Pestizid-Verordnung mit Spannung erwartet.

Kein Einwand zu Glyphosat

Dass der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments in Fragen zur Reduktion des Pestizideinsatzes gespalten ist, zeigte sich bereits bei der Abstimmung zum Totalherbizid Glyphosat. Von Abgeordneten der Sozialdemokraten (S&D), der Grünen/EFA sowie der Vereinten Europäischen Linken/Nordischen Grünen Linken (GUE/NGL) war ein Einspruch zur Wiederzulassung eingebracht wurden. In Form einer nicht-bindenden Resolution („objection“) wurde darin dem Vorschlag der EU-Kommission, Glyphosat für weitere zehn Jahre zuzulassen, widersprochen. Der Einwand erhielt jedoch nicht die erforderliche Mehrheit. Denkbar knapp: 40 Abgeordnete sprachen sich dagegen aus, bei 38 Stimmen dafür und 6 Enthaltungen. Mit diesem Abstimmungsergebnis werde der Umweltausschuss „seinem Namen nicht gerecht“, kommentierte daraufhin die grüne Umweltpolitikerin und Chemikalienexpertin Jutta Paulus die mangelnde Unterstützung des Einspruchs.

Mehrheit für SUR-Kompromiss

Im Gegensatz dazu fand sich eine solide Mehrheit für die Positionierung des Umweltausschusses zum Verordnungsvorschlag zur nachhaltigen Verwendung von Pestiziden (Sustainable Use Regulation, SUR). Die Positionsfindung zur SUR ist seit längerem umstritten und wurde daher im Laufe des Jahres in den Ausschüssen mehrfach verzögert. Der Kompromissvorschlag der grünen Berichterstatterin Sarah Wiener wurde nun mit 47 zu 37 Stimmen bei zwei Enthaltungen angenommen. In der Position sind verbindliche Ziele zur Pestizidreduktion enthalten. Das von der EU-Kommission vorgeschlagene Ziel der Reduzierung um 50 Prozent bis 2030 wurde beibehalten und das Ziel für die Reduzierung besonders gefährlicher Pestizide (Substitutionskandidaten) auf 65 Prozent bis 2030 angehoben.

Der Umgang mit „sensiblen Gebieten“ wurde allerdings abgeschwächt. Ursprünglich sah die Kommission ein vollständiges Verbot von Pestiziden in diesen Gebieten vor, rückte davon aber später selbst wieder ab. Der nun vom Umweltausschuss abgestimmt Text erlaubt dort biologische Schädlingsbekämpfungsmittel und Produkte, die im Ökolandbau zugelassen sind. Auch Ausnahmeregelungen für die Verwendung anderer Stoffe sollen ermöglicht werden. Außerdem wurden einige Gebiete aus der Definition der sensiblen Gebiete gestrichen, wie etwa bestimmte Areale nach Anhang IV der Wasserrahmenrichtline (WRRL). Der Text überlässt es zudem den Mitgliedstaaten, Naturschutzgebiete außerhalb von Natura-2000-Gebieten als sensible Gebiete auszuweisen. Um die Areale sollen zudem Pufferzonen von drei Metern eingehalten werden.

Weitere Regelungen betreffen die Umsetzung des Integrierten Pflanzenschutzes (IPS) in den Mitgliedstaaten. Es sollen rechtsverbindliche Definitionen für IPS eingeführt und demnach chemische Pestizide nur als letzte Möglichkeit zur Schädlingsbekämpfung genutzt werden. In den Mitgliedstaaten sollen kulturspezifische Präventivmaßnahmen umgesetzt werden, um den Pestizideinsatz zu reduzieren. Zusätzlich soll es verpflichtende Beratungsangebote für die Landwirtschaft geben, die auch finanziell abgesichert werden sollen.

NGOs und UBA: Problematische Risikoindikatoren

Umweltorganisationen sehen im Kompromisstext einen Teilerfolg, verweisen aber auch auf Lücken. Clara Bourgin, Kampagnenleiterin bei Friends of the Earth Europe, kommentierte: „Die heutige Abstimmung ist ein Hoffnungsschimmer in einer Zeit, in der die Ziele des europäischen Green Deals in Gefahr sind.“ Aber insbesondere mit Blick auf die Indikatoren in der SUR sieht Bourgin Verbesserungsbedarf. Auch das Pestizid-Aktionsnetzwerk (PAN Europe) verweist auf die Schwächen des sogenannten „Harmonised Risk Indicator 1“. Dabei handele es sich um eine stark fehlerhafte Methode zur Berechnung der Pestizidreduktion. „Diese industriefreundliche Berechnungsmethode ist irreführend und erweckt den falschen Eindruck einer Verbesserung, obwohl es keine gibt!“, erklärte Natalija Svrtan, Referentin bei PAN Europe. Zudem verringere der veränderte Bezugszeitraum für die Berechnung der Reduktionen (von 2015 bis 2017 auf 2013 bis 2017) die Ambitionen zur Pestizidreduktion. Auch das deutsche Umweltbundesamt (UBA) hat die geplanten Methode scharf kritisiert. In einer Mitteilung vom 25. Oktober betonte das UBA, dass die Berechnung "irreführend" sei. Der Indikator sei aus Sicht des UBA ungeeignet, da er eine Abnahme des Pestizideinsatzes errechnet, wo real keine ist. Das würde den Sinn der geplanten Verordnung aushöhlen." Die Methode ließe sich jedoch noch korrigieren.

Die Pestizid-Verordnung soll, ebenso wie der Zertifizierungsrahmen zur Kohlenstoffentnahme, in der Woche vom 20.-23. November im Plenum des EU-Parlaments abgestimmt werden. Mit dem Mandat des Parlaments können daraufhin die Verhandlungen mit den EU-Mitgliedstaaten aufgenommen werden. Aber bis zur Entscheidung des Parlaments wird die SUR gewiss noch einigen Konfliktstoff bieten. [bp]

Pressemitteilung des EU-Parlaments

Abstimmungsverhalten der Abgeordneten

Pressemitteilung Jutta Paulus zu Glyphosat

Pressemitteilung Friends of the Earth Europe

Pressemitteilung PAN Europe

Mitteilung des Umweltbundesamt zur Berechnungsmethode

ARC2020-Analyse zur Abstimmung

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