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Umweltrat positioniert sich zu Abwasser
EU-News | 19.10.2023
#Chemikalien #Kreislaufwirtschaft #Wasser und Meere

Umweltrat positioniert sich zu Abwasser

Trinkwasseraufbereitung
© AdobeStock/ungvar
Trinkwasseraufbereitung

Die Umweltminister*innen haben am 16. Oktober einen Standpunkt über die Richtlinie zur Behandlung von kommunalem Abwasser mitsamt einer erweiterten Herstellerverantwortung sowie einer vierten Reinigungsstufe in Kläranlagen beschlossen. Aber erst ab 2045 für größere Städte. Nun können Trilogverhandlungen beginnen.

Verschmutzungen durch Regenüberläufe, Mikroschadstoffe wie Rückstände von Arzneimitteln und Kosmetika – all dies ist in der dreißig Jahre alten Richtlinie zur Abwasserbehandlung in Kommunen nicht EU-weit geregelt. Die EU-Kommission hatte deshalb im Oktober 2022 einen Vorschlag für deren Überarbeitung gemacht. Die Ziele der Richtlinie wurden über den Umweltschutz hinaus auf den Schutz der menschlichen Gesundheit und die Verringerung der Treibhausgasemissionen ausgeweitet und sind eine wesentliche Komponente des Null-Schadstoff-Aktionsplans der EU. Nach dem EU-Parlament am 5. Oktober, dessen Position vom Europäischen Umweltbüro als teils „verwässert” und „enttäuschend” kritisiert wurde, hat nun auch der Rat seine sogenannte allgemeine Ausrichtung festgelegt, mit der final weiterverhandelt werden kann.

Kläranlagen für kleinere Siedlungen, Pharmafirmen sollen zahlen, vierte Klärstufe ab 2045

Der Rat will den Anwendungsbereich der Richtlinie auf alle Gemeinden mit einem Einwohnerwert (EW) von 1.250 oder mehr ausweiten. Bisher gilt ein EW von 2.000, die EU-Kommission hatte eine Anwendung ab 1.000 EW vorgeschlagen, das EU-Parlament möchte 750 EW einführen. Als Einwohnerwert (EW) wird ein Parameter bezeichnet, mit dem die Abwassermengen als von einer Person pro Tag verursachte durchschnittliche potenzielle Schadstofflast im Wasser bestimmt werden. Dabei entspricht 1 EW einer täglichen organisch-biologisch abbaubaren Last, deren biochemischer Sauerstoffbedarf in 5 Tagen bei 60 Gramm Sauerstoff pro Tag liegt.

Ebenfalls ab einem EW von 1.250 (Kommission: 1.000, EU-Parlament: 750) und mehr soll die verpflichtende Einrichtung einer Kanalisation vorgeschrieben werden, allerdings erst ab 2035 statt – wie von der Kommission vorgeschlagen – bereits ab 2030 (EU-Parlament: 2032). Für kleinere Gemeinden und die der EU zuletzt beigetretenen Mitgliedstaaten soll es aus Sicht der Rats Ausnahmen geben. Und falls „die Einrichtung einer Kanalisation nicht gerechtfertigt, durchführbar oder kosteneffizient ist, können die Mitgliedstaaten individuelle Systeme zur Sammlung und Behandlung von kommunalem Abwasser nutzen“, so der Rat.

Auch bei den Fristen für die Erstellung integrierter Pläne für die kommunale Abwasserbewirtschaftung durch die Mitgliedstaaten für Gemeinden mit einem EW von 100.000 EW und mehr beziehungsweise zwischen 10.000 und 100.000 EW möchte der Rat erweitern.

Bei der kommunalen Abwasserbehandlung gibt es gestaffelte Fristen für die Zweitbehandlung (also die Entfernung von organisch-biologisch abbaubarem Material) für alle Gemeinden mit einem EW von 1.250 oder mehr ab 2035. Bis 2045 sollen größere Anlagen mit einem EW von 150.000 und mehr eine Drittbehandlung (also die Entfernung von Stickstoff und Phosphor) durchführen. Auch für kleinere Gemeinden in von Eutrophierung bedrohten Gebieten wird die Drittbehandlung verpflichtend sein. Ab 2045 – mit Zwischenzielen für die Jahre 2035 und 2040 – werden alle Anlagen mit einem EW von 200.000 und mehr eine Viertbehandlung (sogenannte vierte Klärstufe) zur Entfernung eines breiten Spektrums von Mikroschadstoffen durchführen müssen.

Zur Deckung der durch die Viertbehandlung entstehenden zusätzlichen Kosten und im Einklang mit dem Verursacherprinzip müssen Hersteller von Arzneimitteln und Kosmetika, die kommunales Abwasser mit Mikroschadstoffen verschmutzen, durch ein System der erweiterten Herstellerverantwortung zu den Kosten dieser zusätzlichen Behandlung beitragen.

Für Kläranlagen wird außerdem ein Energieneutralitätsziel eingeführt, wonach kommunale Abwasserbehandlungsanlagen über gestaffelte Etappenziele bis 2045 die von ihnen verbrauchte Energie selbst erzeugen. Die Regelungen sehen zudem eine Weiterentwicklung zur Begrenzung von Nährstoffeinträgen vor.

Reaktionen

Bundesumweltministerin Steffi Lemke begrüßte den Ratsbeschluss, da sauberes Wasser unerlässlich für Mensch und Umwelt sei und der Eintrag von Spurenstoffen beispielsweise aus Arzneimitteln und Kosmetika die Flüsse belaste. „Eine Begrenzung dieser schädlichen Stoffe durch kommunales Abwasser ist daher ein wichtiger Beitrag für den europaweiten Gewässerschutz. Dies gilt insbesondere für Flüsse und Seen, die als Folge der Klimakrise durch zunehmende und längere Trockenperioden weniger Wasser führen”, so Lemke.

Umweltverbände hatten den Vorschlag der EU-Kommission im letzten Dezember analysiert (EU-News 20.12.2022). Unter anderem stellten sie in ihrer Joint Analysis ungenügende Ziele für eine ordnungsgemäße Regenwasserbewirtschaftung fest, eine fehlende Verpflichtung für Bewirtschaftungspläne auch in mittelgroßen Gemeinden und einen ebenso fehlenden Bezug zum Klimawandel, der trotz der negativen Prognosen vielerorts noch gar nicht einkalkuliert sei. Auch Schadstoffe in Schnee und Schmelzwasser würden momentan noch unzureichend berücksichtigt. An einer ersten Konsultation über die Abwasserrichtlinie 2021 hatten sich ebenfalls zahlreiche Umweltverbände beteiligt (EU-News 22.07.2021).

Weitere Ergebnisse der Tagung des Umweltrates waren eine Position zur COP28 (EU-News 18.10.2023) sowie zu den Emissionen schwerer Nutzfahrzeuge. [jg]

 

Umweltrat: Rat legt Standpunkt [...] fest

BMUV: EU-Umweltrat einigt sich auf Verbesserungen bei der Behandlung kommunalen Abwassers

Gewässerpolitik kurz & knapp
  • WWF-Bericht zur Wasserkrise: Die erste jährliche Schätzung des wirtschaftlichen Werts von Wasser und Süßwasserökosystemen beläuft sich laut WWF auf über 11 Billionen Euro in Europa - das ist etwa das 2,5-fache des BIP von Deutschland; die Degradierung von Flüssen, Seen, Feuchtgebieten und Grundwasserleitern bedroht ihre unersetzliche Rolle für die Erhaltung der menschlichen und globalen Gesundheit.
  • Oder/DE, PL: Anlässlich der Regierungsneubildung in Polen und der „Regionalkonferenz Grenzoder“ hat das Aktionsbündnis Lebendige Oder am 17. Oktober eine Neubewertung des Abkommens für den Oder-Ausbau und ein sofortiges Aussetzen der Umsetzung der Stromregelungskonzeption auf beiden Flussseiten gefordert.
  • Elbe/DE, CZ: Am 7. Oktober haben BUND, NABU, WWF und die Bürgerinitiative Pro Elbe in der gemeinsamen „Dessauer Elbe-Erklärung“ einen Paradigmenwechsel im Umgang mit der Elbe und ihrer Flusslandschaft gefordert .
  • Schwarze Drin/Albanien: Naturschutz- und Menschenrechtsorganisationen haben einen ersten wichtigen Meilenstein im Kampf gegen das geplante 210-MW-Wasserkraftwerk Skavica in den albanischen Gemeinden Kukës und Dibër erreicht: Eine Verfassungsbeschwerde, die das Albanische Helsinki-Komitee und die Black Drin Association mit Unterstützung von EuroNatur und CEE Bankwatch Network eingereicht haben, wurde zur Verhandlung zugelassen; es könnte der größte Stausee Europas entstehen.
  • Staudammkatastrophe in Indien: International Rivers hat am 4. Oktober eine Erklärung zur Katastrophe am Teesta-Staudamm (Chungthang-Damm) in Sikkim abgegeben. Sintflutartige Regenfälle und ein Gletscherseeausbruch hatten den Damm brechen lassen, mindestens 30 Todesopfer, 70 Vermisste und große Infrastrukturschäden sind zu beklagen.

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