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Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzorganisationen
EU-News | 01.10.2020
#Wasser und Meere #Kreislaufwirtschaft #Chemikalien

(Verbotene) Pestizide überall

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c. Pixabay

Neue Studien belegen die Allgegenwärtigkeit giftiger Pestizide in unserem Alltag und unserer Umgebung. In der EU verbotene Stoffe werden von europäischen Unternehmen produziert, exportiert und landen über Lebensmittelimporte wieder auf unserem Teller.

Rückstände auf importierten Lebensmitteln

In einer Untersuchung von auf dem europäischen Markt erhältlichen Lebensmitteln hat das Pestizid-Aktionsnetzwerk Europe (PAN Europe) in mehr als sechs Prozent der Fälle Rückstände von Pestiziden gefunden, die in der EU aufgrund ihrer gefährlichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt verboten sind. Insgesamt 74 Pestizide konnten sie nachweisen, darunter am häufigsten das Fungizid Carbendazim – eine fortpflanzungsgefährdende Substanz. Betroffen waren besonders häufig exotische Früchte, aber auch Teesorten, Pfefferkörner und Korianderblätter. Bis zu acht Pestizide befanden sich auf einer einzigen Lebensmittelprobe. Die Auswirkungen dieser Pestizidgemische auf die Gesundheit sind noch nicht ausführlich erforscht. Ein Großteil der belasteten Lebensmittel stamme aus Nicht-EU-Staaten, vor allem aus China, Indien und Thailand.

PAN Europe fordert die EU auf, „in einem ersten Schritt die Produktion und den Verkauf von verbotenen Pestiziden zu stoppen und einen Null-Toleranz-Ansatz für solche Rückstände in Lebensmitteln einzuführen.“ Tatsächlich sind Rückstände bis zu einem gewissen Maß häufig erlaubt. Neben einer Regulierung von Pestizidmischungen sei es außerdem dringend notwendig, landwirtschaftliche Praktiken und Alternativen zum Einsatz von Pestiziden zu entwickeln und voranzutreiben, um „die biologische Vielfalt zu fördern, anstatt sie zu zerstören“, so PAN Europe.

Auf Exportlisten

Dass viele der verbotenen Pestizide sogar in der EU hergestellt und dann ins außereuropäische Ausland mit weniger strikten Gesundheits- und Umweltstandards verkauft wurden, haben die Organisationen Public Eye und Greenpeace Unearthed herausgefunden. Laut ihrer Untersuchung exportierten elf EU-Staaten im Jahr 2018 mehr als 81.000 Tonnen Pestizide mit in der EU verbotenen Substanzen. Ein Großteil davon verkauften sie in Staaten mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Neben dem mit Abstand größten Exporteur Großbritannien verkauften auch deutsche Firmen über 8.000 Tonnen verbotener Pestizide.

Im Sommer hatten Menschenrechtsexpert*innen der Vereinten Nationen die EU und andere Regionen aufgefordert, den Export verbotener Pestizide in ärmere Länder zu verbieten. Sie bezeichneten die Praxis als eine Form der „Ausbeutung, die die Gesundheits- und Umweltfolgen dieser Produkte auf die Schwächsten verlagert.“ Dass dies möglich ist, erlaube es „Chemikalienherstellern von vergifteten Arbeitern und Gemeinschaften im Ausland zu profitieren, während sie gleichzeitig billigere Produkte über globale Lieferketten importieren.“

Frankreich hat angekündigt, ab 2022 den Export verbotener Pestizide zu untersagen. Die EU-Kommission lehnt ein solches Verbot ab und verfolgt den Ansatz, Drittländer von einem Verwendungsverbot zu überzeugen. Für Nina Holland von der Kampagne Corporate Europe Observatory steht das Verhalten der EU jedoch im Widerspruch mit ihrem Ziel, Schäden durch Pestizide zu verringern.

Rückstände in der Luft

Auch die Untersuchung des Umweltinstituts München zur Pestizidbelastung in der Luft macht keine Hoffnung: Demnach befinden sich fast überall in Deutschland in der Luft Rückstände von einem oder mehreren Pestiziden. An 116 Standorten wurden insgesamt 124 verschiedene Wirkstoffe nachgewiesen, darunter auch solche, deren Einsatz in Deutschland verboten ist. Die Substanzen Glyphosat, Pendimethalin, Prosulfocarb, Terbuthylazin und Metolachlor konnten in über 80 Prozent der Passivsammler nachgewiesen werden. Selbst in Naturschutzgebieten und Großstädten fanden sich Pestizidrückstände in der Luft.

Das Umweltinstitut München fordert im Hinblick auf die Ergebnisse der Untersuchung ein sofortiges Verbot der am stärksten verbreiteten Substanzen und eine Reform des Zulassungsverfahrens für Pestizide. Zudem müssten Pestizidhersteller Biobetriebe entschädigen, wenn deren Ernte durch Pestizideinträge geschädigt wird. [km]

Bericht des Pestizid-Aktionsnetzwerks Europe

Bericht von Unearthed und Public Eye

Bericht des Umweltinstituts München

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