Menü
Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzorganisationen
Startseite
Aktuelles & Termine
Aktuelles & EU-News
Zertifizierung von CO₂-Entnahme auf der Zielgeraden
EU-News | 14.03.2024
#Biodiversität und Naturschutz #Klima und Energie #Landwirtschaft und Gentechnik

Zertifizierung von CO₂-Entnahme auf der Zielgeraden

Carbon Capture Illustration
© AdobeStock/VectorMine
Carbon Capture Illustration

Schon Mitte Februar gab es eine Trilog-Einigung für den EU-Zertifizierungsrahmen zur Kohlenstoffentnahme (CRCF). Nun haben auch der Umweltauschuss des EU-Parlaments und die EU-Mitgliedstaaten zugestimmt. Umweltorganisationen verweisen auf zahlreiche Risiken und fordern die Ablehnung.

Am 11. März hat der Umweltausschuss des EU-Parlaments die vorläufige Einigung zum europäischen Zertifizierungsrahmen zur CO2-Entnahme aus der Atmosphäre (Carbon Removal Certification Framework, CRCF) gebilligt. Am Freitag zuvor stimmte schon der Ausschuss der Ständigen Vertreter der EU-Staaten dafür. Bereits in der Nacht vom 19. auf den 20. Februar hatten sich EU-Parlament, Rat und die Kommission im Trilog auf einen Verordnungstext geeinigt. Diese Trilog-Einigung wird nun noch von den Gesetzgebern abgesegnet. Für Anfang April wird die finale Abstimmung des freiwilligen Zertifizierungsrahmens im Plenum des EU-Parlaments erwartet.

Der abgestimmte Verordnungstext differenziert zwischen unterschiedlichen Methoden zur Kohlenstoffentnahme:

  • „permanente“ CO2-Entnahmen, durch Technologien wie die Verbrennung von Biomasse mit anschließender Kohlenstoffspeicherung (BECCS) oder die direkte CO₂-Abscheidung aus der Luft (DACCS);
  • temporäre Kohlenstoffspeicherung in „langlebigen Produkten“, wie Holzprodukte;
  • „temporäre“ Kohlenstoffbindung durch Carbon Farming (in Wäldern, Böden, Seegraswiesen, Feuchtgebieten etc.);
  • Reduktion der Emissionen aus Böden durch Carbon Farming-Maßnahmen.

Geltungsbereich erweitert, aber Qualität abgesichert?

Der Anwendungsbereich der Verordnung wurde im Vergleich zum Kommissionsvorschlag auch auf Carbon-Farming-Praktiken ausgeweitet, die keine Entnahme-Methodik im eigentlichen Sinne darstellen, sondern vielmehr eine Verringerung der Emissionen aus Böden bewirken: Etwa wenn trockengelegte Moore, die enorme Mengen CO2 freisetzen, wieder vernässt werden. Die „temporäre“ Bindung oder Minderung durch Carbon Farming soll allerdings nur für mindestens fünf Jahre erfolgen müssen. Anders als teils von der Agrarbranche gefordert, sollen weitere landwirtschaftliche Emissionsminderungen, aus Tierhaltung oder Düngung, vorerst nicht einbezogen werden. Bis 2026 soll die Kommission hierfür jedoch die Durchführbarkeit überprüfen.

Darüber hinaus regelt die Verordnung Kriterien und Methodologien zur Zertifizierung sowie Pflichten für Monitoring und Haftung für Kohlenstoffentnahmen. Die zertifizierten Einheiten sollen nur für die Klimaziele der EU (National Determined Contributions, NDC) verwendet werden können und nicht zu den NDCs von Drittländern und internationalen Erfüllungsregelungen beitragen dürfen. Damit CO2-Entnahmen zertifiziert werden können, sollen sie bestimmte Qualitätskriterien in Bezug auf „Quantifizierung“, „Zusätzlichkeit“, „langfristiger Speicherung“ und „Nachhaltigkeit“ erfüllen. So sollen Aktivitäten, um als nachhaltig zu gelten „keinen nennenswerten Schaden anrichten“ und einen „Zusatznutzen erzeugen können“, der sich auf bestimmte Nachhaltigkeitskriterien bezieht. Für Carbon Farming Aktivitäten soll zumindest ein Zusatznutzen für Biodiversität, Bodengesundheit oder der Vermeidung von Landdegradation erbracht werden müssen.

Kritik: Offsetting, Doppelzählung, Permanenz, Fehlanreize

Trotz einiger kleiner Fortschritte im Gesetzgebungsprozess reagierten Nichtregierungsorganisationen mit klarer Kritik auf die Trilog-Einigung und forderten die Gesetzgeber dazu auf, den Verordnungstext abzulehnen: „um nicht mehr Schaden als Nutzen anzurichten“, wie es Wijnand Stoefs von Carbon Market Watch (CMW) formulierte. CMW führt dabei eine ganze Palette an Unzulänglichkeiten des Gesetzesentwurfs ins Feld: Doppelzählung, mangelnde Dauerhaftigkeit der Entnahme, „Offsetting“ – die Möglichkeit CO2-Emissionen zu kompensieren anstatt einzusparen sowie zu lasche Nachhaltigkeitskriterien für die Biomassenutzung. Außerdem seien viele kontroverse Themen vertagt wurden, nur um sie 2026 erneut zu behandeln: etwa die Einbeziehung von Emissionsreduktionen aus der Tierhaltung und die Notwendigkeit von Anpassungen, wenn Einheiten auf dem privaten Markt verkauft würden. Auch deutsche Umweltorganisationen beanstanden seit vergangenem Jahr, dass im CRCF wesentliche Fragen ungeklärt sind und der Entwurf entscheidende Schwächen aufweise, wodurch drohe, dass Fortschritte im Klima- und Naturschutz untergraben würden (DNR-Verbändeposition zum CRCF).

Auch die Waldschutzorganisation FERN verweist auf die Risiken des Zertifizierungsrahmens, insbesondere bezüglich der verstärkten Biomassenutzung und möglichen Fehlanreizen für BECCS. Aufgrund „unzureichender Schutzmaßnahmen” befördere das Vorhaben eine zusätzliche Steigerung des Nutzungsdrucks auf Waldökosysteme in einer Situation in der „die Wälder weltweit und in Europa bereits übermäßig abgeholzt werden”, so Martin Pigeon von FERN. Und auch für Mathieu Mal vom Europäischen Umweltbüro (EEB) fehlt es dem CRCF an „Umwelt- und Klimaintegrität“. Da es nicht gelungen sei die Probleme beim „offsetting“, Doppelzählungen und der „Robustheit“ der Verordnung zu adressieren, wurde der Zertifizierungrahmen von einem Klimaschutzinstrument zu einer „Greenwashing-Regelung“ degradiert, so Mal auf dem Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter). [bp]    

CRCF-Text der Trilog-Einigung

Pressemitteilung Rat zur Trilog Einigung

Pressemitteilung Carbon Market Watch

Pressemitteilung FERN

EEB auf X

Das könnte Sie interessieren

Blick auf Berlin mit grünen Bäumen
News | 06.12.2024
# sozial-ökologische Transformation #Biodiversität und Naturschutz #Politik und Gesellschaft

Die wetterfeste Stadt

2024 ist das bisher wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Die Erderhitzung beeinträchtigt zunehmend das Leben in den Städten. In einem Best-Case-Szenario am Beispiel Berlin erzählt der Zukunftsforscher Stephan Rammler, wie sich Städte gegen Hitze und Wassermangel wappnen können. ...