EUDR: EU-Kommission schwächt Waldschutzgesetz

Die Europäische Kommission hat vorgeschlagen, die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) nochmals zu „vereinfachen”, nicht aber um ein weiteres Jahr zu verschieben. Kleinst- und Kleinunternehmen sollen mehr Zeit bekommen, für die anderen gibt es Übergangsfristen. Begründet wurde dies zunächst mit IT-Problemen. Umweltverbände nennen das „eine beschämende Kapitulation vor politischem Druck“.
Die EU-Kommission hat am 21. Oktober „gezielte Lösungen“ vorgeschlagen, „um Unternehmen, globale Interessenträger, Drittländer und Mitgliedstaaten dabei zu unterstützen, eine reibungslose Umsetzung der EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) sicherzustellen“. Unter anderem geht es um Berichtspflichten. Das EU-Entwaldungsgesetz soll den globalen Entwaldungsfußabdruck der EU verringern, indem es eine Reihe von Rohstoffen (Rinder, Kakao, Kaffee, Palmöl, Kautschuk, Soja und Holz) reguliert, die innerhalb und außerhalb Europas zu den Hauptursachen für Entwaldung, Waldschädigung und Menschenrechtsverletzungen zählen. Produkte, die aus diesen Rohstoffen hergestellt werden, würden vom EU-Markt ausgeschlossen, es sei denn, sie sind nachweibar „entwaldungsfrei” und damit legal.
Die EUDR soll nun für Kleinst- und Kleinunternehmen (neue Kategorie), die Rohstoffe und Produkte im Geltungsbereich des Gesetzes handeln, erst am 30. Dezember 2026 in Kraft treten, für große und mittlere Unternehmen bleibe das Datum der 30. Dezember 2025. Allerdings wird diesen für die schrittweise Einführung der Vorschriften eine pauschale Nachfrist von sechs Monaten für Kontrollen und Durchsetzung gewährt. Damit soll auch das neue IT-System gestärkt werden, dessen Einführungsschwierigkeiten noch im September als möglicher Grund für Verzögerungen angeführt wurden (EU-News 24.09.2025). Die Forderung nach einer Null-Risiko-Kategorie für Länder, in denen scheinbar keine Gefahr für waldzerstörende Produktion gegeben ist, hat die EU-Kommission nicht aufgenommen, allerdings müssen Rat und Parlament noch zustimmen. Und die Zeit ist knapp, wenn die Verordnung wie geplant am 30. Dezember 2025 in Kraft treten soll.
Anfang November mehren sich die Stimmen für eine weitere Verschiebung. Da eine Einigung bis Mitte Dezember erreicht sein muss und mehrere Mitgliedstaaten die letzten Anpassungen der Kommission noch prüfen, scheint vieles unklar. Österreich habe für einen einjährigen Aufschub beim Umweltministerrat am 4. November die Unterstützung von 15 Ländern erhalten, berichtet der Informationsdienst Euractiv. Und auch die Debatte um „Null-Risiko-Länder“ scheint noch nicht vom Tisch. Während einige Mitgliedstaaten und die konservative EVP-Fraktion im EU-Parlament diese Hintertür weiterhin favorisieren, sprach sich Umweltkommissarin Jessika Roswall dagegen aus: „Ich bin mir nicht einmal sicher, wie viele Länder realistisch als risikofrei gelten könnten … auch innerhalb der EU“, wird sie bei Euractiv zitiert. Voraussichtlich am 12. November soll das EU-Parlament über ein beschleunigtes Verfahren abstimmen.
Lobbydruck darf Wälder nicht zur Verhandlungsmasse machen
Greenpeace EU mahnte die Vorbildfunktion der EU an, auch im Hinblick auf die UN-Klimakonferenz, bei der Waldschutz auf der Tagesordnung stehe. Der Rechtsexperte der Organisation, Andrea Carta, kommentierte, dass der Vorschlag zeige, „wo die Hindernisse für die Anwendung des EU-Entwaldungsgesetzes wirklich liegen – Spoiler-Alarm: nicht im IT-System.“ Die Kommission habe vielmehr dem Lobbyismus und dem politischen Druck nachgegeben und zugestimmt, EU-Hersteller sowie den EU-Forst- und Agrarsektor von der Meldepflicht auszunehmen. Dies sei am selben Tag geschehen, an dem die Konservativen und die extreme Rechte im Europäischen Parlament das EU-Waldüberwachungsgesetz torpediert hätten, was zeige, „dass es den EU-Konservativen an Mut mangelt, zuzugeben, dass die europäischen Wälder in Gefahr sind, und Maßnahmen zu ihrem Schutz zu ergreifen.“ Abgeordnete aus dem rechten und rechtsextremen Spektrum, mehrere EU-Landwirtschaftsminister und einige Unternehmen hätten Druck auf die Kommission ausgeübt, um die Verordnung zu verzögern und zu verwässern. Insbesondere europäische Waldbesitzer fordern eine Abschwächung der EUDR-Anforderungen, da sie das Risiko der Entwaldung in ihren Ländern trotz der anhaltenden Verschlechterung der europäischen Ökosysteme als „null“ betrachten, so Greenpeace. Die Kommission habe sich den Lobbyisten und Regierungen gebeugt, anstatt die EU-Bürgerinnen und -Bürger sowie die Umwelt zu schützen.
Ähnlich argumentierte der WWF: „Die Europäische Kommission versteckt sich hinter IT-Problemen, um heimtückische Änderungen am EU-Gesetz zur Entwaldung zu rechtfertigen.“ Der Vorschlag sei „eine beschämende Kapitulation vor politischem Druck“. Die Verordnung sei 2023 nach jahrelangen Forderungen der Öffentlichkeit verabschiedet worden und sei ein wichtiges Instrument, um zu verhindern, dass der Konsum in der EU die Entwaldung im In- und Ausland weiter vorantreibt. „Eine Schwächung ihrer Anforderungen ist sowohl unvertretbar als auch gefährlich unverantwortlich“, so die Organisation. Die Verlierer seien klar: Unternehmen, die in entwaldungsfreie Lieferketten investiert haben, und Wälder, die weiterhin in atemberaubendem Tempo verschwinden werden. Wälder seien „keine Verhandlungsmasse“.
Der WWF forderte das EU-Parlament und die Mitgliedstaaten auf, die Verordnung wie vereinbart aufrechtzuerhalten und deren Umsetzung wirklich zu unterstützen, statt Ausreden für Untätigkeit zu suchen. Schließlich sei das auch im Sinne der 1,1 Millionen Bürger*innen, die für mutige Maßnahmen der EU gegen die Entwaldung eingetreten seien. [jg]
Kommission schlägt gezielte Maßnahmen zur fristgerechten Umsetzung der EU-Entwaldungsverordnung vor
Greenpeace EU Unit: EU Commission backs weakening of EU deforestation law
WWF EU: European Commission hides behind IT problems to justify insidious changes to EU deforestation law


