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EUDR: Risikobewertung und Vereinfachung sorgen für Kritik
EU-News | 16.05.2025
#Biodiversität und Naturschutz #EU-Umweltpolitik #Landwirtschaft und Gentechnik #Nachhaltigkeit #Wald

EUDR: Risikobewertung und Vereinfachung sorgen für Kritik

Landrodung
© Gene Gallin
Durchschnittlich 13 Millionen Hektar Wald verschwinden pro Jahr durch Abholzung

Die Risikoeinstufung im Rahmen der EU-Entwaldungsverordnung sorgt für Kritik: Während nur vier Länder als Hochrisikostaaten gelten sollen, bleiben wichtige Entwaldungstreiber wie Brasilien und Indonesien außen vor. Die Kommission stellt zeitgleich Vereinfachungsmaßnahmen vor. Umweltorganisationen warnen vor politischer Schönfärberei – und fordern eine ambitionierte Umsetzung der Verordnung.

Eine Analyse von Katharina Schuster, DNR

Die EU hat sich mit der Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) ambitionierte Ziele gesetzt: Produkte wie Soja, Kaffee, Palmöl, Kakao oder Rindfleisch sollen nur dann in der EU gehandelt werden dürfen, wenn sie nicht zur Entwaldung beitragen. Doch ausgerechnet bei der zentralen Frage, wie hoch das Risiko für Entwaldung in den jeweiligen Herkunftsländern ist, droht der Verordnung nun die Entschärfung durch die Hintertür.

In einem geheimen Ausschussvotum haben die EU-Mitgliedstaaten Anfang Mai dem Vorschlag der Kommission zugestimmt, lediglich vier Staaten in die Hochrisikokategorie aufzunehmen: Belarus, Myanmar, Nordkorea und Russland. Alle anderen Länder, darunter große Agrarexporteure wie Brasilien, Indonesien oder Paraguay, gelten demnach als „Standardrisiko”. Für EU-Staaten selbst wurde pauschal der Status „Niedrigrisiko” vergeben – ungeachtet regionaler Unterschiede oder bestehender Umweltkonflikte. 

„Die Verordnung verliert an Glaubwürdigkeit, wenn ausgerechnet Entwaldungshotspots ausgenommen werden”

Diese pauschale Kategorisierung steht aus Sicht von Umweltorganisationen im Widerspruch zu den Zielen der Verordnung. „Nur sanktionierte Regime mit katastrophalen Menschenrechtsbilanzen als Hochrisikostaaten zu deklarieren, untergräbt den Anspruch der EUDR, globale Entwaldung effektiv zu bekämpfen”, kritisiert Nicole Polsterer von der Waldschutzorganisation FERN. Sie fordert, dass Risikoeinstufungen die realen Entwaldungs- und Menschenrechtsrisiken widerspiegeln und nicht nur geopolitisch motiviert sein dürfen. Auch Giulia Bondi von Global Witness betont, dass etwa Brasilien oder Paraguay nachweislich Waldverlust verzeichnen – trotzdem müssten sie keine erhöhten Sorgfaltspflichten erfüllen. „Die Einstufung ist realitätsfern. Die Verordnung verliert an Glaubwürdigkeit, wenn ausgerechnet Entwaldungshotspots ausgenommen werden.”

Bereits im Januar hatten über 40 Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen die Kommission in einem offenen Brief aufgefordert, die Risikobewertung an realen Entwaldungs- und Menschenrechtsrisiken auszurichten – und nicht lediglich an geopolitischen Erwägungen oder Sanktionslisten. Der Appell blieb offenbar ungehört.

Die Europaabgeordnete Delara Burkhardt (S&D, Deutschland), Berichterstatterin für die EUDR im Europäischen Parlament, mahnt gegenüber Table.Briefings: „Die Risikoklassifizierung muss die tatsächlichen Risiken für Entwaldung und Waldschädigung realistisch widerspiegeln und regelmäßig mit aktuellen Daten wie etwa jenen der FAO überprüft werden.”

Für zusätzliche Irritation sorgt die Tatsache, dass die EU-Kommission das Abstimmungsergebnis zur Länderrisikoeinstufung bislang nicht veröffentlicht hat. Entgegen der üblichen Praxis, Ergebnisse von Ausschusssitzungen zeitnah zugänglich zu machen, soll das Votum erst mit Verabschiedung des entsprechenden Durchführungsakts offiziell bekannt gegeben werden. Dieses Maß an Geheimhaltung nährt den Verdacht, dass hier politisch sensible Entscheidungen möglichst geräuschlos durchgewunken werden sollen.

Vereinfachungsmaßnahmen „schwächen die Substanz der EUDR erheblich”

Zeitgleich hat die Kommission eine Reihe von Vereinfachungsmaßnahmen vorgestellt, die den bürokratischen Aufwand für Unternehmen verringern sollen. Die Vereinfachung von Berichtspflichten, jährliche statt chargenweise Sorgfaltserklärungen und eine niedrig angesetzte Risikoeinstufung sollen den Verwaltungsaufwand um bis zu 30 Prozent senken. „Wir wollen die Umsetzung der EUDR so unbürokratisch wie möglich gestalten, ohne ihre Ziele zu gefährden”, betont Umweltkommissarin Jessika Roswall. Doch Umweltverbände warnen: Diese „Entbürokratisierung” droht zulasten der Glaubwürdigkeit der Verordnung zu gehen. Nicole Polsterer sieht darin eine riskante Abkehr vom ursprünglichen Anspruch: „Die Kommission hat dem Druck konservativer Kräfte und Wirtschaftsverbände nachgegeben und schwächt damit die Substanz der EUDR erheblich.” wird sie von ENDS Europe zitiert.

Waldschädigung und Menschenrechtsfragen können auch in Europa nicht flächendeckend ausgeschlossen werden

Kritik kommt indes nicht nur von Umweltorganisationen. Auch die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände (AGDW) übt scharfe Kritik am Vorgehen der Kommission. Allerdings aus gegenteiliger Perspektive: Die EUDR sei ein „bürokratischer Bumerang”, der vor allem heimische Waldbesitzer belaste, ohne globalen Waldschutz zu fördern. Der Verband fordert wie andere deutsche Agrarverbände und Waldeigentümervertreter*innen eine „Null-Risiko-Kategorie” für Länder wie Deutschland, in denen angeblich keine Entwaldung stattfinde. Dabei blenden die Lobbyverbände aus, dass die EUDR nicht nur auf Flächenverlust zielt, sondern auch auf Waldschädigung und Menschenrechtsfragen – Aspekte, die auch in Europa nicht flächendeckend ausgeschlossen werden können. Tatsächlich wurden Deutschland und alle anderen EU-Staaten pauschal als Niedrigrisiko-Länder eingestuft, genau so wie Länder wie die USA oder China.

Die EUDR ist ein Meilenstein im Kampf gegen globale Entwaldung. Doch ihre Wirksamkeit hängt entscheidend davon ab, ob die zugrunde liegenden Risikoeinstufungen auf realen Entwaldungsdaten beruhen oder auf geopolitischem Kalkül. Eine rein symbolische Hochrisikoliste hilft weder bedrohten Wäldern noch der Glaubwürdigkeit europäischer Umweltpolitik. Die Benchmarking-Liste muss regelmäßig auf Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse aktualisiert und um Länder mit dokumentierten Entwaldungsrisiken ergänzt werden.

Statt die Verordnung weiter zu entkernen, braucht es nun einen Kurswechsel: ambitionierte Umsetzung, aufrichtige Risikobewertung und politische Konsequenz. Nur so kann die EUDR ihrem eigenen Anspruch gerecht werden, Europas Konsum entwaldungsfrei zu machen. 

ENDS Europe (kostenpflichtig): Capitals sign off on lax country benchmarking under EU anti-deforestation law

Europe.Table (kostenpflichtig): Entwaldung: Kommission stellt Risikoeinstufung von Produzentenländern fertig

Euractiv: EU to blacklist just four countries under deforestation law

ENDS Europe (kostenpflichtig): EUDR: Commission moves to slash admin costs in latest simplification push

Global Witness - Pressemitteilung: EU anti-deforestation law appears to exclude major deforestation hotspots: Global Witness reaction

Europäische Kommission: Kommission ergreift Maßnahmen zur Vereinfachung der Umsetzung der EU-Entwaldungsverordnung

AGDW – Pressemitteilung: AGDW bekräftigt Forderung nach Null-Risiko-Kategorie bei der EUDR

Earthsight: Offener Brief: Ensuring EUDR benchmarking reflects human rights and environmental risks

🖥️ Web-Seminare zur EUDR

Veranstalterin: Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE)
Anmeldung: www.ble.de/entwaldungsfrei-web-seminare (jeweils ab drei Wochen vor dem Termin)
Dauer: ca. 1,5 Stunden

📅 26. Juni 2025, 10:00 Uhr
Kostenfreie Hilfsangebote zur Umsetzung der EUDR
Für alle EUDR-pflichtigen Unternehmen: Der „Helpdesk Wirtschaft und Menschenrechte“, ein kostenloses Unterstützungsangebot der Bundesregierung, stellt sich vor.

📅 04. September 2025, 10:00 Uhr
Was bedeutet die EUDR für die nationale Erzeugung von Soja, Rind und Holz?
Für landwirtschaftliche Betriebe und Waldbesitzer: Was müssen nationale Erzeuger in Deutschland tun, um EUDR-konform zu handeln? Antworten geben BLE, BMLEH und die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR).

📅 16. Oktober 2025, 10:00 Uhr
Die EUDR und der Zoll
Für Importeure und Exporteure: Was müssen sie bei der Zollanmeldung beachten? BLE und Vertreter des Zolls erläutern die künftigen Änderungen.

📅 27. November 2025, 10:00 Uhr
Was bedeutet die EUDR für die Holzwirtschaft?
Wie gestaltet sich der Übergang von der EUTR zur EUDR? Was ist an der neuen Verordnung anders und worauf muss sich die Holzwirtschaft einstellen? Darauf geben BLE und FNR Antworten.


🖥️ EUDR-Informationssystem: Trainingstermine im Mai

Veranstalterin: EU-Kommission
Termine: 15., 22. und 28. Mai 2025, jeweils um 14:00 Uhr
Dauer: 1 Stunde
Sprache: Englisch
Inhalt: Registrierung und Abgabe einer Sorgfaltserklärung im EUDR-Informationssystem
Infos & Anmeldung: über die Website der EU-Kommission

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