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Gewässer: Vielfalt stagniert, Pflanzenschutz als Gefahr
EU-News | 08.09.2023
#Biodiversität und Naturschutz #Chemikalien #Landwirtschaft und Gentechnik #Wasser und Meere

Gewässer: Vielfalt stagniert, Pflanzenschutz als Gefahr

Rubrik_Wasser___Meere_Fluss

Eine Studie des Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) zeigt, dass sich die Biodiversität in europäischen Fließgewässern seit 2010 kaum noch erholt. PAN Europe fordert ein Verbot von Glyphosat, weil die Substanz laut einer Studie Oberflächengewässer kontaminiere. Das Umweltbundesamt hat analysiert, dass in 80 Prozent der untersuchten Bäche in deutschen Ackerlandschaften die Pflanzenschutzmittelgrenzwerte überschritten werden.

Ein internationales Forschungsteam hat den Zustand und die Entwicklung der Biodiversität in europäischen Fließgewässern analysiert. Studienergebnis: Die biologische Vielfalt in Flusssystemen in 22 europäischen Ländern hat sich über einen Zeitraum von 1968 bis 2010 aufgrund der verbesserten Wasserqualität zunächst erholt. Seit 2010 stagniert die Entwicklung jedoch.

Verschmutzung, Zerschneidung, invasive Arten

„Dass sich die Biodiversität in manchen Fließgewässern kaum erholt, lässt sich flussabwärts urbaner Gebiete vor allem darauf zurückführen, dass Mikroverunreinigungen und Nährstoffeinträge in die Gewässer gelangen und Städte zudem häufig Einfallstor für gebietsfremde invasive Arten sind“, sagte IGB-Forscher und Mitautor Dr. Sami Domisch. Von Ackerflächen würden eher Feinsedimente, Pestizide und Düngemittel in die Gewässer gespült. Staudämme wiederum zerschnitten Gewässer und veränderten das Fluss- und Temperaturregime.

Auch Systeme, die bisher am wenigsten beeinträchtigt wurden und somit wertvolle Rückzugsgebiete für die biologische Vielfalt sind, sollten erhalten und besser geschützt werden. Hier seien dringend zusätzliche Maßnahmen vonnöten. Die Umweltgesetzgebung habe in den vergangenen Jahren nur unzureichend auf neu auftretende Belastungen reagiert, kritisierten die beteiligten Institute. Sie raten dringend, Standorte stärker in den Fokus zu rücken, die einem besonders großen Risiko des Rückgangs der biologischen Vielfalt ausgesetzt sind, also flussabwärts von städtischen Gebieten, Anbauflächen und Dämmen. Der Entwurf des EU-Gesetzes zur Wiederherstellung der Natur (Nature Restoration Law) sei ein wichtiger erster Schritt in die richtige Richtung: „Es reicht längst nicht mehr aus, die Wasserqualität zu verbessern, wir müssen großflächig Ökosysteme renaturieren und die Konnektivität der europäischen Fließgewässer entscheidend verbessern“, fasste Sonja Jähnig, Abteilungsleiterin Forschungsgruppe Aquatische Ökogeographie, zusammen.

Bei stehenden Gewässern sehe es nicht viel besser aus, konstatiert wiederum das IGB in einem neuen Dossier. Kleine Stillgewässer wie natürliche oder künstliche Teiche, Sölle, Pfuhle oder Parkgewässer litten besonders unter dem Wassermangel. Europaweit verzeichneten sie historische Tiefstände, viele seien vollständig ausgetrocknet. Übersehen und unterschätzt würden kleine Stillgewässer aufgrund ihrer geringen Größe – dabei machten sie insgesamt mehr als 30 Prozent der weltweiten Fläche von Binnengewässern aus und sind von großer ökologischer und gesellschaftlicher Bedeutung, so das IGB.

Glyphosat belastet europäische Oberflächengewässer

Das Pestizid Aktions-Netzwerk PAN Europe hat im Auftrag der Grünen/EFA in zwölf europäischen Ländern Oberflächengewässerproben analysiert. Ergebnis des Berichts: In 17 von 23 Proben (74 Prozent) – „von Polen bis Portugal, von Belgien bis Bulgarien“ – seien Gewässer durch das Totalherbizid Glyphosat und seinen Metaboliten AMPA verschmutzt. Dass die Wasserproben selbst in der „Nebensaison“ derart belastet seien, zeige das Ausmaß der Glyphosatkontamination. Die verbreitete Pestizidbelastung beeinträchtige die Qualität unserer Wasserressourcen und gefährde aquatische Ökosysteme, so die Organisation. Glyphosat ist als giftig für Wasserlebewesen mit langfristiger Wirkung eingestuft. Aus Sicht von PAN Europe und „auf Grundlage der Daten aus der wissenschaftlichen Literatur“ wäre eine strengere Einstufung gerechtfertigt.

Umweltbundesamt: „Wo gespritzt wird, nehmen Bäche Schaden“

Trotz umfangreicher Zulassungsprüfung und strenger Auflagen gelangen laut Umweltbundesamt (UBA) Pestizide aus der Landwirtschaft in umweltschädlichen Mengen in kleine Gewässer. Das jüngste Kleingewässermonitoring zeige, dass die Gewässer nicht ausreichend vor Belastungen, insbesondere durch Pflanzenschutzmittelrückstände, geschützt seien.

Angesichts der Untersuchung des UBA zeigte sich der EU-Abgeordnete Martin Häusling (Grüne/EFA) alarmiert: Eine Pestizidreduktion zum Schutz des Wassers sei unverzichtbar, eine „Verschiebung der Verordnung über die nachhaltige Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf den Sankt-Nimmerleins-Tag“ nicht hinnehmbar. [jg]

IGB:

UBA: Wo gespritzt wird, nehmen Bäche Schaden | Umweltbundesamt

Martin Häusling: Pestizidreduktion zum Schutz des Wassers unverzichtbar

Wasserpolitik kurz & knapp
  • Fluss-Schutz-Preis: Der EuroNatur-Preis 2023 geht an die Koalicja Ratujmy Rzeki (KRR) aus Polen. Der im internationalen Kontext „Save the Rivers Coalition“ genannte Zusammenschluss von über 50 Organisationen und über 40 Einzelpersonen wird für das Engagement für den Schutz frei fließender Flüsse in Polen und grenzübergreifende Zusammenarbeit ausgezeichnet.
  • Globale Wasserkrise: Neuer Oxfam-Bericht "Water Dilemmas" warnt vor sich zuspitzender globaler Wasserkrise. Klimabedingte Wasserunsicherheit werde zu mehr Hunger, Krankheiten und Vertreibung führen.

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