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Klimabeirat warnt vor Verwässerung des EU-Klimaziels 2040
EU-News | 10.06.2025
#Emissionen #EU-Umweltpolitik #Klima und Energie

Klimabeirat warnt vor Verwässerung des EU-Klimaziels 2040

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© M. Bossmann

EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra steht unter Druck. Um Mehrheiten für das EU-Klimaziel 2040 zu schaffen, möchte er internationale CO2-Kompensationszertifikate auf das Reduktionsziel anrechnen lassen. Davor warnt der EU-Klimabeirat deutlich.

Der wissenschaftliche Klimabeirat der Europäischen Union (ESABCC) hat die Pläne der EU-Kommission für das Klimaziel 2040 stark kritisiert. Die Expert*innen sprechen sich in ihrem aktuellen Bericht gegen die Anrechnung internationaler CO₂-Kompensationszertifikate aus und fordern eine rein innereuropäische Reduktion der Emissionen um mindestens 90 Prozent gegenüber 1990. Damit stellen sie sich direkt gegen Vorschläge von EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra (EVP).

Hoekstra plant zwar, eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 90 Prozent festzulegen – allerdings unter Einbeziehung von internationalen Emissionszertifikaten gemäß Artikel 6 des Pariser Klimaabkommens. Diese sogenannte Flexibilität soll es den Mitgliedstaaten erleichtern, ihre Zusagen einzuhalten. Der Kommissionsvorschlag wird am 2. Juli erwartet.

Der Beirat, der bereits 2023 eine Reduktion um 90 bis 95 Prozent vorgeschlagen hatte, bekräftigte nun erneut: „Die 90 bis 95 Prozent sind ein innereuropäisches Ziel, Punkt“, so der Ratsvorsitzende Ottmar Edenhofer. Die Einbeziehung internationaler Zertifikate sei „weniger glaubwürdig“ und berge erhebliche Risiken für die Umweltintegrität und die Glaubwürdigkeit der EU-Klimapolitik. Nur 16 Prozent der bisherigen Zertifikate hätten nachweislich zu realen Emissionsminderungen geführt. Der Beirat empfiehlt, internationale Projekte zwar zu unterstützen, jedoch ausschließlich zusätzlich zu nationalen Maßnahmen.

Die Einschätzung kommt zu einem politisch brisanten Zeitpunkt. Nach der Wahl des rechtskonservativen Karol Nawrocki zum Präsidenten Polens ist die Mehrheit für ein ambitioniertes Klimaziel unsicherer geworden. 

Der Druck auf Kommissar Hoekstra steigt auch innerhalb der Kommission. Teresa Ribera (S&D), Vizepräsidentin der EU-Kommission für Klima und Wettbewerb, sagte gegenüber Politico: „Die Daten der Wissenschaft sind nicht verhandelbar.“ Man dürfe nicht das Ziel aus den Augen verlieren, den gefährlichen Klimawandel zu stoppen. Ribera betonte, dass das 2040er-Ziel ursprünglich als rein innereuropäisches Ziel konzipiert worden sei.

Zustimmung erhält der Klimabeirat auch von Umweltorganisationen. Michael Sicaud-Clyet vom WWF EU sagte: „Die meisten internationalen Kompensationsgeschäfte sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen.“ Investitionen in solche Mechanismen seien eine Verschwendung von Steuergeldern und könnten den Umbau der europäischen Industrie behindern, zitiert ihn Tagesspiegel Background.

Der Klimabeirat spricht sich in seinem Bericht zudem für ein Zwischenziel für 2035 von 71 bis 80 Prozent Reduktion aus. Der Dachverband Climate Action Network (CAN Europe) begrüßte die Ausweisung eines Zwischenziels für 2035 und hob hervor, dass die vom EU-Klimabeirat empfohlenen 90 bis 95 Prozent als Ziel bis 20240 umsetzbar und wichtig sind. In einem offenen Brief, den auch der DNR mitträgt, forderte die Organisation ebenfalls, dass für das 2040-Ziel keine internationalen Credits angerechnet werden sollen. 

Elena Hofmann, Koordinatorin für EU-Politik beim Deutschen Naturschutzring kommentiert, dass Klimakommissar Hoekstra dringend einen Vorschlag für das EU-Klimaziel 2040 ohne Schlupflöcher machen muss. „Die EU muss jetzt zeigen, dass sie ihre Führungsrolle im Klimaschutz ernst nimmt. Dadurch könnte sie auch andere große Emittenten wie China dazu bewegen, ihre Klimaziele zu erhöhen."

Während Hoekstra zwischen den politischen Lagern manövriert, wird deutlich: Die EU steht vor der Herausforderung, ein wissenschaftlich fundiertes und zugleich politisch durchsetzbares Klimaziel für 2040 zu formulieren. Der Rat der Wissenschaftler*innen ist eindeutig: Klimaschutz darf nicht verwässert werden. [ah]

Link zum ESABCC-Report

Link offener Brief von CAN

Artikel Politico vom 2.6.2025 EU must heed scientific advice, Ribera says as 2040 row deepens

Artikel Tagesspiegel Background vom 3.6.2025 [kostenpflichtig] EU-Klimapolitik: Klimabeirat rügt Pläne der EU-Kommission

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