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Klimaschutz: Hartes Ringen um die 2040-Timeline
EU-News | 11.09.2025
#EU-Umweltpolitik #Klima und Energie

Klimaschutz: Hartes Ringen um die 2040-Timeline

symbolische Bauklötzchen mit Icons zum Emissionshandel
© Adobe Stock / Parradee

In der Europäischen Union wird in den nächsten Wochen über das 2040-Klimaziel entschieden. Aktuell gibt es Versuche mehrerer Mitgliedstaaten, das Ziel durch eine Verschiebung der Entscheidung auf Staats- und Regierungschefebene abzuschwächen. Deutsche Umweltorganisationen fordern Bundeskanzler Merz in einem Offenen Brief auf, diesen Kurs nicht mitzutragen.  

Eine Einordnung von Judith Hermann, DNR

Die EU wird in den nächsten Wochen über ihr Zwischen-Emissionsreduktionsziel für das Jahr 2040 entscheiden. Das Festlegen dieses Zwischenziels ist ein gesetzlich festgelegter Schritt hin zur Klimaneutralität bis spätestens 2050. Sowohl der wissenschaftliche Klimabeirat der EU als auch ein Impact Assessment der EU-Kommission selbst haben ausgerechnet, wie hoch ein solches Zwischenziel sein müsste, um auf einem guten Pfad zur Klimaneutralität zu bleiben: Mindestens 90 Prozent Reduktion, besser noch 95 Prozent oder mehr.

Wer aber die Entwicklungen der letzten Monate verfolgt hat weiß: Das entspricht nicht dem Vorschlag, den die EU-Kommission am 2. Juli dieses Jahres vorgelegt hat. Dort wird zwar eine Reduktion um 90 Prozent bis 2040 vorgeschlagen, aber es gibt eben auch einige Schlupflöcher, die dafür sorgen, dass es laut diesem Vorschlag auf weniger als 90-Prozent-Reduktion in der EU hinauslaufen würde. Beispielsweise ist die Möglichkeit enthalten, einen bestimmten Teil der Reduktion nicht in der EU vorzunehmen, sondern dafür Zertifikate aus dem Ausland einzukaufen. Sowohl über die Prozentzahl des Ziels als auch über Ausgestaltung möglicher „Flexibilitäten” gibt es momentan noch keine Einigkeit unter den Mitgliedstaaten.

In welchem Rat wird entschieden und warum ist das wichtig?

Nun wurde jedoch ein neues Spielfeld eröffnet. In den Vordergrund trat in den letzten Tagen die Frage, wann und in welchem Gremium die Mitgliedstaaten über ihre gemeinsame Position entscheiden. Der ursprüngliche Plan sieht vor, dass die Entscheidung im EU-Umweltrat am 18. September getroffen wird. Dieser Termin wurde von der aktuellen dänischen Ratspräsidentschaft extra für diese Entscheidung einberufen. In dieser Runde sind die Umweltminister*innen der Mitgliedstaaten vertreten.

Jedoch regt sich Widerstand. Unter anderem von französischer Seite kommt mit wachsendem Nachdruck der Vorschlag, das 2040-Ziel doch von den Staats- und Regierungschefs (also dann im Europäischen Rat, EUCO) entscheiden zu lassen. Dieses Vorgehen hätte mehrere negative Auswirkungen:

1. Zeitliche Verzögerung

  • Eine Entscheidung wäre erst später möglich (die nächsten Treffen des EUCO finden erst im Oktober statt).
  • Das verzögert auch das 2035-Zwischenziel, welches vom 2040-Ziel abgeleitet wird und dringend vor der UN-Klimakonferenz benötigt wird.
  • Eine verspätete EU-Entscheidung würde international negative Signale senden, da große Emittenten wie China auf ein klares EU-Signal warten.

2. Gefährdung des Ambitionsniveaus

  • Im Umweltrat könnte mit qualifizierter Mehrheit entschieden werden; im EUCO gilt Einstimmigkeit. Daher können klimaskeptische Staaten die Einigung auf das Ziel blockieren oder große Zugeständnisse einfordern, was den Prozess voraussichtlich weiter verzögern wird und am Ende ein schwächeres 2040-Ziel zur Folge haben wird.
  • Damit steigt auch das Risiko, dass die nationalen Klimabeiträge (Nationally Determined Contribution - NDC) schwächer ausfallen oder nur eine vage Spannweite enthalten.

Abgesehen von Frankreich bringen auch weitere Länder eine Vertagung der Entscheidung in die Diskussion, inklusive Italien, Lettland, die Slowakei, Ungarn, Polen, Tschechien, Österreich und Bulgarien. Begründet werden diese Vorstöße unter anderem damit, dass noch mehr Zeit für Positionsfindung notwendig sei, eine politische Entscheidung getroffen werden solle, oder sich eine Entscheidung schon in der nächsten Woche überstürzt anfühle.

Appell an Bundeskanzler Merz: Keine Gefährdung der europäischen Klimaziele

In Deutschland sollte die Regierungskoalition eigentlich kein Problem mit einer raschen Festlegung des von der EU-Kommission vorgeschlagenen Ziels haben: Im Koalitionsvertrag wurde klar eine Unterstützung eines EU-Klimaziels für 2040 von minus 90 Prozent vereinbart. Das vorgeschlagene europäische Ziel passt außerdem perfekt zu Deutschlands national festgelegten Zielen und Deutschland würde profitieren, wenn die EU gleichziehen würde. Gemeinsam mit neun anderen Organisationen hat der DNR deshalb in einem offenen Brief an Bundeskanzler Merz davor gewarnt, die Entscheidung zu verschieben. „Einigt sich die EU im September nicht auf ein 2040-Ziel und ein daraus abgeleitetes EU-NDC, droht sie mit einem viel zu schwachen Beitrag oder gar mit leeren Händen dazustehen und damit Europas Glaubwürdigkeit auf der Weltbühne kurz vor der Klimakonferenz in Brasilien massiv zu beschädigen“, heißt es in dem Brief. Für den Erfolg des seit Paris wichtigsten Klimagipfels wäre das eine nicht zu unterschätzende Hypothek. Und dies würde das Risiko erhöhen, dass am Ende ein viel zu schwaches EU-Klimaziel für 2040 beschlossen wird – mit gravierenden Folgen für Wohlstand, Sicherheit und Lebensqualität in Europa.

Ein durchschaubarer Abschwächungsversuch

Im Grunde ist allen Akteuren klar, dass die Entscheidung viel schwerer wird, wenn sie auf Ebene der Staats- und Regierungschefs verschoben wird. Was diese Diskussion also eigentlich ist: Ein durchschaubarer Versuch, das 2040-Ziel und das NDC abzuschwächen. Das mag aufgrund der vielen aktuellen innenpolitischen Probleme in den Mitgliedstaaten und geopolitischen Unsicherheiten zunächst verständlich erscheinen. Es ist aber sehr kurzfristig gedacht – denn klar ist, dass die EU für den zukunftsfähigen Umbau ihrer Wirtschaft und das Erreichen ihrer festgelegten Klimaneutralität bis spätestens 2050 die Dekarbonisierung so schnell wie möglich vorantreiben muss, denn je später Emissionsreduktionen erfolgen, desto teurer und schwerer werden sie. Und dafür braucht die EU jetzt ein 2040-Ziel, dass diesen Pfad fortschreibt und möglich macht.

Judith Hermann

Projektreferentin für EU-Klima- und Energiepolitik

030 / 678 17 75 - 86

judith.hermann@dnr.de

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