Klimawandel und Umweltverschmutzung setzen Europas Gewässern zu

Studie: Wasserkraftwerke dürften in Zukunft vermehrt mit Dürren und Überschwemmungen konfrontiert sein. Konsultationsbeteiligung: Mikroplastik muss an der Quelle bekämpft werden, da die Entfernung aus Gewässern kaum möglich ist. Analysen: Pestizide in Spaniens Flüssen und deutschem Grundwasser.
Studie: Wasserknappheit und Überschwemmungen durch Klimawandel gefährden Wasserkraftprojekte, Wasserkraft gefährdet Süßwasserbiodiversität
61 Prozent der Wasserkraftwerke weltweit werden bis 2050 in Flusseinzugsgebieten mit hohem bis extremem Risiko von Wasserknappheit, Überschwemmungen oder beidem liegen. 80 Prozent der geplanten Staudämme liegen in Gebieten mit hohem oder sehr hohem Risiko für die Süßwasser-Biodiversität – das zeigt eine neue Studie in der Zeitschrift Water, berichtet der WWF. Der Balkan sei die Region in Europa, die am meisten vom Boom der Kleinwasserkraft betroffen ist.
Durch den Klimawandel werde weltweit die Häufigkeit von Überschwemmungen und Dürren drastisch zunehmen, auch an den Flüssen, an denen Wasserkraftprojekte betrieben werden. Dies wiederum erhöhe die Sicherheitsrisiken und gefährde die Kapazität zur Stromerzeugung. Die Studie unterstreiche auch die ernsthafte Bedrohung der Süßwasser-Biodiversität durch geplante Wasserkraftwerke, so der WWF. Die Zerstückelung von Flüssen durch Staudämme sei eine der Hauptursachen für den Einbruch der weltweiten Populationen von Süßwasserarten um durchschnittlich 84 Prozent seit 1970 - eine Zahl, die bei den wandernden Süßwasserfischen in Europa auf katastrophale 93 Prozent ansteigt. Der WWF forderte die europäischen Institutionen auf, zumindest die Nachhaltigkeitskriterien für Strom aus Wasserkraft zu verschärfen und die finanzielle Unterstützung für kleine Wasserkraftwerke im Rahmen der Überarbeitung der Richtlinie über erneuerbare Energien auszusetzen. Kleinwasserkraftwerke beeinträchtigten die Vernetzung der Flüsse und den Verlust der biologischen Vielfalt erheblich, während ihr Beitrag zur Erreichung des Energieziels sehr begrenzt sei.
Mikroplastik: IGB empfiehlt Bekämpfung an der Quelle und gute Überwachung
Um der Verschmutzung mit Mikroplastik vorzubeugen, hat das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnengewässer (IGB) „Prävention und Monitoring“ empfohlen. Das Institut hat sich mit einer Stellungnahme an einer entsprechenden Konsultation der EU-Kommission beteiligt. Die Verschmutzung durch Mikroplastik (MP) und Submikroplastik (SMP) sei „ein neuer und stetig zunehmender Umweltstressor, der Anlass zu großer Sorge gibt“. Eine verbesserte EU-Politik zur wirksamen Verhinderung und Eindämmung der MP- und SMP-Emissionen in die Umwelt sei „dringend erforderlich“. Denn einmal in die Ökosysteme gelangt, sei „eine Entfernung von MP und SMP praktisch unmöglich“. Die direkte Vermeidung an der Quelle sollte daher Vorrang haben, nicht kostspielige End-of-Pipe-Lösungen. Angesichts des hohen ökologischen und gesundheitlichen Risikos langfristiger MP- und SMP-Emissionen sollte die derzeitige Praxis verbessert werden. Besonderes Augenmerk müsse auch indirekten negativen Auswirkungen von Kunststoffen gewidmet werden, wie beispielsweise der Förderung der Entwicklung und Verbreitung von Antibiotikaresistenzgenen. Ein harmonisiertes EU-weites Monitoring würde zudem wichtige Erkenntnisse in diesem Thema fördern und eine nachhaltige Politikgestaltung direkt unterstützen, so das IGB. Süßwasserökosystemen hätten eine sehr hohe Bedeutung von für Natur und Gesellschaft, doch Binnengewässer gehörten zu den am stärksten bedrohten Ökosystemen in Europa und weltweit.
Die EU-Kommission sammelt derzeit Rückmeldungen aller Akteure und interessierter Personen zur Initiative „Umweltverschmutzung durch Mikroplastik – Maßnahmen zur Eindämmung der Umweltfolgen“. Die Konsultation läuft noch bis 17. Mai 2022.
EEB: Giftige Flüsse in Spanien und das Pestizidproblem der EU
Spanische Flusseinzugsgebiete sind in großem Umfang mit giftigen Stoffen belastet, darunter Abfälle aus der petrochemischen Industrie und Pestizide aus der Landwirtschaft, berichtet das Europäische Umweltbüro (EEB) in seinem Meta-Magazin. Zu diesem Ergebnis komme die Studie „Ríos tóxicos - contaminación química de ríos y aguas subterráneas“ des spanischen Umweltverbands Ecologistas en Acción, in der Flüsse, Stauseen, Seen und Grundwasser in Spanien untersucht wurden.
„Der ernste Zustand der Verseuchung der spanischen Oberflächengewässer und des Grundwassers mit toxischen Substanzen unterschiedlicher Herkunft macht die Mängel der Gesetzgebung deutlich, die 80 % der verwendeten Pestizide nicht analysiert, sowie die mangelnde Koordinierung zwischen den Behörden und die fehlenden Reduzierungsmaßnahmen des spanischen Ministeriums für den ökologischen Wandel“, kritisierte Koldo Hernández, Koordinator für toxische Substanzen bei Ecologistas en Acción. Die EU-Kommission müsse alle diese Stoffe regulieren, um sicherzustellen, dass die Grenzwerte nicht überschritten werden, und die Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Verringerung der toxischen Belastung überwachen.
Die EU-Kommission plant noch in diesem Monat einen Vorschlag zur „Nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln" vorzulegen. Mehr als 70 Umweltorganisationen hatten Anfang März den durchgesickerten Entwurf als „zu lasch“ bezeichnet (EU-News 03.03.2022). Das EEB kritisiert, dass es ein „gesamteuropäisches Pestizidproblem“ gibt, das sich nicht nur auf Spanien konzentriere: Intensive landwirtschaftliche Praktiken, einschließlich des massiven Einsatzes von Pestiziden, trügen zum Zusammenbruch der biologischen Vielfalt in der Europäischen Union bei und schadeten sowohl der Gesundheit der Ökosysteme als auch der Menschen. Auch Wasserverschmutzung sei ein zentrales Problem in Europa: Weniger als 40 Prozent der Flüsse, Seen und Bäche seien nach dem geltenden EU-Wasserrecht in einem „guten chemischen Zustand“. Inzwischen seien auch die meisten europäischen Böden durch Pestizide verschmutzt, die sich dort anreicherten und das mikrobielle Leben und die Aktivität im Boden schädigten, so das EEB.
Nitratbelastung beim PETI und in Deutschlands Wasservorkommen
In einer Resolution hat der Petitionsausschuss des EU-Parlaments (PETI) am Mittwoch gefordert, die Verschmutzung durch Nährstoffe wie Nitrate ernst zu nehmen, damit die Wasserqualität in der EU besser wird. Bisher seien nur langsam Fortschritte bei der Verbesserung der Wasserqualität zu verzeichnen. Es müsse eine EU-weite Harmonisierung der Nitratmessung geben, außerdem seien Innovationen in der Landwirtschaft auch in puncto Stickstoff und Phosphor erforderlich. Darüber hinaus sollte die EU-Kommission eine Verordnung zu Nitraten vorschlagen und die derzeitig geltende Richtlinie ersetzen. Nicht zuletzt sollten Wasserschutzmaßnahmen auf tatsächlichen Wasserqualitätsdaten und nicht auf theoretischen Modellen beruhen, argumentierte der PETI.
Das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) hat Mitte März das neue Schwarzbuch Wasser der Qualitätsgemeinschaft Bio-Mineralwasser aufgegriffen und vor Verschlechterungen der Wasserqualität gewarnt. Die gemessenen Nitratkonzentrationen seien weiterhin zu hoch und Nachweise von Pestiziden nähmen zu. Zudem sei die Datenlage in Bund und Ländern mit wenigen Ausnahmen „lückenhaft und veraltet“, wird Manfred Mödinger, einer der Autoren des Schwarzbuchs, zitiert. Nur Baden-Württemberg analysiere sein Grundwasser flächendeckend alle ein bis zwei Jahre. Auch Bayern liefere halbwegs brauchbare Daten. Für viele Schadstoffe gebe es keine Grenzwerte, allein Nitrat werde bundesweit gemessen, wobei über ein Viertel der Messstellen Nitratkonzentrationen über dem gesetzlichen Grenzwert aufwiesen.
Wegen Nichtumsetzung der EU-Nitratrichtlinie läuft derzeit ein Verfahren gegen die Bundesregierung. Im Februar hatten das Bundesumweltministerium (BMUV) und das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) nach erneuten Gesprächen mit EU-Kommission und Bundesländern ihren Vorschlag zur Neuausweisung der stark mit Nitrat belasteten Regionen („rote Gebiete“) in Deutschland an die EU-Kommission gesendet (EU-News 01.03.2022).
Am 22. März ist der Internationale Tag des Wassers, dieses Jahr unter dem Motto „Unser Grundwasser: der unsichtbare Schatz“. Vom 21.-26. März findet in Dakar, Senegal, das 9. Weltwasserforum statt. Die nächste UN-Wasserkonferenz soll vom 22.-24.03.2023 stattfinden, bis dahin erfolgt eine umfassende Halbzeitüberprüfung der Umsetzung der Ziele der Internationalen Aktionsdekade „Wasser für nachhaltige Entwicklung“ 2018-2028. Einen Fahrplan mit zahlreichen Terminen bis 2023 gibt es hier. [jg]
IGB: Mikroplastik-Verschmutzung: Forschende empfehlen Prävention und Monitoring
EEB: Toxic Rivers And The Eu’s Pesticide Problem
EU-Parlament: Take nutrient pollution seriously to improve water quality in the EU, say MEPs
RND: Zustand des Wassers: Wie es um die deutschen Vorkommen bestellt ist