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Landwirtschaft und Ernährung: Der Mission Letter für Christophe Hansen
EU-News | 17.10.2024
#Biodiversität und Naturschutz #Chemikalien #EU-Umweltpolitik #Landwirtschaft und Gentechnik #Wasser und Meere

Landwirtschaft und Ernährung: Der Mission Letter für Christophe Hansen

Portrait von Christophe Hansen
© European Union, 2024 (Daïna Le Lardic)
Portrait von Christophe Hansen

Der Luxemburger EVP-Politiker Christophe Hansen soll Kommissar für Landwirtschaft und Ernährung werden. Wer ist das und welche Aufgaben soll er anpacken?

Im Agrarsektor blickt die neue EU-Kommission auf große Herausforderungen. Bislang stehen für den Wirtschaftszweig immerhin knapp ein Drittel des gesamten EU-Budgets zur Verfügung. Neben der Unzufriedenheit vieler Landwirtinnen und Landwirte bekommt der Sektor zunehmend auch die Auswirkungen der Klimakrise zu spüren. Zudem bringt der mögliche Beitritt der Ukraine zur Europäischen Union eine neue Dynamik in die Diskussion um eine gerechte Verteilung der Agrarsubventionen. Bislang ebenfalls zu schlecht adressiert in der Agrarförderung: Der Schutz von Gewässern (siehe EU-News vom 17.10.2024) und der Biodiversität, wie jüngst der Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofs erneut bestätigte.   

Wer ist Christophe Hansen? 

Mit diesen Herausforderungen betraut werden soll der EVP-Politiker Christophe Hansen. Der designierte Kommissar für Landwirtschaft und Ernährung kommt aus Luxemburg und war zuvor Mitglied des EU-Parlaments, Abgeordneter des luxemburgischen Parlaments und Generalsekretär der konservativen Christlich Sozialen Volkspartei (CSV). Hansen stammt aus einer Landwirtschaftsfamilie. Seine Cousine, Martine Hansen, ist zudem Luxemburgs Agrarministerin. 

Im Europaparlament war Hansen im Ausschuss für internationalen Handel tätig sowie stellvertretendes Mitglied im Umweltausschuss. Außerdem war er Mitglied des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA), einer beratenden Einrichtung der EU, in der Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften und andere Interessengruppen vertreten sind. Bei dem studierten Geo- und Umweltwissenschaftler sollen zukünftig die Fäden von Landwirtschafts- und Ernährungsthemen zusammenlaufen. Damit wird sein Arbeitsfeld im Vergleich zu seinem Vorgänger Janusz Wojciechowski um den wichtigen Themenbereich Ernährung erweitert.

Die Anhörung vor dem EU-Parlament findet am 4. November von 18.30-21.30 Uhr vor dem federführenden Landwirtschaftsausschuss (AGRI) statt. Beteiligt sind auch der Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI) sowie der Fischereiausschuss (PECH). Mehr zum Hintergrund und bereits gestellte Fragen.

Was steht im Mission letter?

  • Als erste wichtige Aufgabe soll Hansen in den ersten 100 Tagen seines Mandats eine Vision für die künftige Landwirtschaftspolitik erarbeiten. Diese soll auf den Empfehlungen des Strategischen Dialogs zur EU-Landwirtschaft (EU-News vom 5.9.2024) aufbauen. Zentrale Themen dabei sollen die langfristige Wettbewerbsfähigkeit, Nachhaltigkeit des Agrar- und Lebensmittelsektors, Wirtschaften im Rahmen der planetaren Grenzen, Lebensmittelverschwendung sowie Forschung und neue Technologien sein.
  • Damit eng verbunden steht die Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Die Agrarförderung müsse zukünftig insbesondere den Betrieben nutzen, die es am nötigsten haben. Insbesondere kleine Betriebe („small scale farmers“) sollten demnach von den Zahlungen profitieren – ohne jedoch die Größe solcher Kleinbetriebe genauer zu definieren. Positive ökologische und soziale Effekte sollen durch Anreize für Ökosystemleistungen befördert und „florierende ländliche Gebiete“ geschaffen werden. Dabei solle das richtige Gleichgewicht zwischen Anreizen, Investitionen und Regulierung gefunden werden.  
  • Darüber hinaus soll die Position der Landwirt*innen innerhalb der Lebensmittelwertschöpfungskette gestärkt und die Betriebe vor unlauteren Handelspraktiken geschützt werden. Es müsse sichergestellt werden, dass die Betriebe nicht gezwungen werden, ihre Produkte systematisch unter den Produktionskosten zu verkaufen.
  • Um einen „neuen Ansatz für die Umsetzung von Nachhaltigkeit“ zu konzipieren soll der designierte Agrarkommissar ein EU-weites Benchmarking-System für den Agrar- und Ernährungssektor vorschlagen. Außerdem soll er auch Möglichkeiten zur besseren Unterstützung des Ökolandbaus prüfen. 
  • Als weitere Aufgaben soll Hansen die Wettbewerbsfähigkeit unterstützen und privates Kapital mobilisieren, eine Strategie für den Generationswechsel in der Landwirtschaft vorlegen, geeignete Instrumente für die Vorbereitung auf Klimarisiken und das Krisenmanagement entwickeln, die Ernährungssouveränität stärken, einen Beitrag zum Klimaanpassungsplan und zur Europäischen Strategie für die Widerstandsfähigkeit des Wassers liefern, zur weiteren Diversifizierung und Verringerung der Einfuhren von kritischen Betriebsmitteln und Rohstoffen beitragen, der Verbreitung von Desinformationen im ländlichen Raum entgegenwirken sowie an der Politik zur EU-Erweiterung und möglicher Effekte auf die Landwirtschaft mitwirken.

Der designierte Agrarkommissar ist der Leitung des für Kohäsion und Reformen zuständigen Vizepräsidenten untergeordnet. Dafür bestimmt ist der umstrittene rechtsnationale Italiener Raffaele Fitto von der postfaschistischen Partei Fratelli d'Italia. 

Reaktion der Umweltverbände

In einer ersten Kommentierung betont der europäische Umweltdachverband Europäisches Umweltbüro (EEB), dass ein Minister für Landwirtschaft und zugleich für Ernährung ein Schritt in die richtige Richtung sei. Allerdings sei Hansen nur dem Namen nach Ernährungskommissar, da der Mission Letter einen bedauerlichen Mangel an verbraucherorientierten Maßnahmen aufweise. Positiv sei hingegen die vorgegebene Richtung zur Umsetzung der Empfehlungen des Strategischen Dialogs sowie zur Weiterentwicklung der GAP. Als Problem benennt das EEB die Positionierung des Agrarressorts unter die Aufsicht des für Kohäsion und Reformen zuständigen rechtsnationalen Kommissars. Das gebe Anlass zu „ernsten Bedenken“. Außerdem mache es wenig Sinn den sozialen Zielen Vorrang vor Umweltzielen einzuräumen: „Soziale und ökologische Ziele müssen Hand in Hand gehen!“, so das EEB. [bp]

Mission Letter Christophe Hansen

EEB: COMMISSIONER WHO!? 

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